„Die Sprache ist das wichtigste Identitätsmerkmal“: Diskussionsrunde über die Zukunft von Deutsch in Russland

Rund 400 000 Russlanddeutsche leben heute in der Russischen Föderation. Doch nur noch jeder Zehnte von ihnen beherrscht Deutsch auf muttersprachlichem Niveau. Und auch immer weniger Russen entscheiden sich dafür, Deutsch zu lernen. Wie sieht unter diesen Umständen die Zukunft der deutschen Sprache in Russland aus und welche Rolle kommt dabei den Russlanddeutschen zu? (Moskauer Deutsche Zeitung, Ausgabe Nr. 7 (398), April 2015)

Rund 400 000 Russlanddeutsche leben heute in der Russischen Föderation. Doch nur noch jeder Zehnte von ihnen beherrscht Deutsch auf muttersprachlichem Niveau. Und auch immer weniger Russen entscheiden sich dafür, Deutsch zu lernen. Wie sieht unter diesen Umständen die Zukunft der deutschen Sprache in Russland aus und welche Rolle kommt dabei den Russlanddeutschen zu?

Hierzu diskutierten im Rahmen der vom Internationalen Verband der deutschen Kultur (IVDK) organisierten Sprachkonferenz „Deutsche in Russland. Strategien in der Spracharbeit“ (siehe Infokasten) Gregor Berghorn, Leiter des Moskauer Büros des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, Olga Martens, die erste stellvertretende Vorsitzende des IVDK, Swetlana Polujkowa, Dekanin der Fakultät für Fremdsprachen an der Omsker Staatlichen Universität, und Oleg Kisslow, Leiter des Projektes für die Entwicklung der dualen Ausbildung der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer.

Im Zentrum stand die Frage, ob Deutsch in Russland heute stärker aus kulturellen oder karrieretechnischen Gründen gelernt werde. Olga Martens betonte vor allem den kulturellen Mehrwert der Sprache für die deutsche Minderheit. Russlanddeutsche sollten Deutsch lernen, da die Sprache das wichtigste Identitätsmerkmal ihrer Kultur sei. Gregor Berghorn meinte hingegen, dass heute Kultur allein nicht mehr reiche, um junge Menschen in Russland, ganz gleich ob Russlanddeutsche oder Russen, zum Deutschlernen zu motivieren. „Man kann doch nicht immer nur Goethe zitieren. Wer nur Kultur macht, stirbt.“ Die jungen Leute würden sich heute für Deutsch entscheiden, da sie sich dadurch bessere Chancen im Berufsleben erhofften. Allerdings müsse der russische Arbeitsmarkt dazu noch angepasst und ein entsprechendes Berufsbild geschaffen werden.

Oleg Kisslow riet ebenfalls dazu, den Berufswunsch mit dem Lernen der Sprache zu verbinden. Durch die Zweisprachigkeit hätten die Russlanddeutschen gute Chancen, in einem deutschen Unternehmen unterzukommen. Auch aus Deutschland würden Russlanddeutsche nach Russland kommen, um hier zu arbeiten. Natürlich sei neben der Pflege der kulturellen Wurzeln auch der Beruf für die deutsche Minderheit Motivation, die Sprache zu lernen, meinte Olga Martens. Von den deutschen Unternehmen in Russland wünsche sie sich daher, dass sie sich stärker für die deutsche Sprache in Russland einsetzen. Wie sich Studium und die Pflege der Kultur verbinden lassen, davon berichtete Swetlana Poljukowa. Ihre Universität arbeite eng mit dem deutschen Nationalrajon Asowo zusammen und im Unterricht behandle man auch die Geschichte der Russlanddeutschen. Ob aus kulturellen oder beruflichen Gründen, Zweisprachigkeit lohne sich, darüber war man sich auf dem Podium einig.

Info:

Internationale Sprachkonferenz „Deutsche in Russland. Strategien in der Spracharbeit. Fünf Jahre gemeinsame Verantwortung“, zu diesem Thema fand Ende März in Moskau eine vom Internationalen Verband der deutschen Kultur (IVDK) und dem Institut für ethnokulturelle Bildung (BIZ) organisierte Sprachkonferenz statt. Zahlreiche Deutschlehrer aus Russland, Vertreter der deutschen Minderheit sowie Vertreter gesellschaftlicher und staatlicher Einrichtungen diskutierten hierbei über Wege zur Stärkung der Rolle der deutschen Sprache in Russland.

Zuerst veröffentlicht in der Moskauer Deutschen Zeitung, Ausgabe Nr. 7 (398), April 2015.

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