Allzu rote Kumpel: Was beim Minderheiten-Kongress in Griechenland zur Ukraine gesagt wurde

Europa ist ein Mosaik von Völkern, und nur wenige von ihnen leben in einem eigenen Staat. Die übrigen existieren als nationale Minderheiten. Sie vereint die Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen (FUEV), die größte Vereinigung ihrer Art in Europa mit fast 100 Mitgliedern aus 32 Ländern – darunter etwa Deutschland, die Ukraine und Russland. Der FUEV-Kongress Mitte Mai in Komotini, einer Stadt in Ostgriechenland, bot daher ein Panorama der Befindlichkeiten von Volksgruppen in Europa (Moskauer Deutsche Zeitung, Ausgabe Nr. 10 (401), Mai 2015). 

Europa ist ein Mosaik von Völkern, und nur wenige von ihnen leben in einem eigenen Staat. Die übrigen existieren als nationale Minderheiten. Sie vereint die Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen (FUEV), die größte Vereinigung ihrer Art in Europa mit fast 100 Mitgliedern aus 32 Ländern – darunter etwa Deutschland, die Ukraine und Russland. Der FUEV-Kongress Mitte Mai in Komotini, einer Stadt in Ostgriechenland, bot daher ein Panorama der Befindlichkeiten von Volksgruppen in Europa (Moskauer Deutsche Zeitung, Ausgabe Nr. 10 (401), Mai 2015).

Zur Sprache kamen etwa Probleme in Rumänien und die der Türken in Griechenland. Aber auch die Bretonen in Frankreich beklagten eine drohende „Zerschlagung ihrer Heimat“ in zwei Teile, die vom zentralistischen Paris diktiert worden sei. Zentral war auch die Krise in der Ukraine. Hans Heinrich Hansen, der Präsident der FUEV, stellte dazu fest, dass „mit dem West-Ost-Konflikt in der Ukraine, der Annektierung der Krim und dem Krieg im Donbass“ ein erneutes Beispiel dafür vorläge, dass der Schutz einer Minderheit als Begründung für einen militärischen Einsatz missbraucht worden sei. Kurz vor Ausbruch des Krieges habe er Kiew besucht und aus persönlichen Gesprächen mit verschiedenen Minderheitenvertretern den Eindruck gewonnen, dass diese keine Probleme mit dem Staat und untereinander hätten. „Das hat sich allerdings mit dem Krieg geändert. Heute versteckt man seine russische Iden- tität, und es herrschen Angst und Unsicherheit.“

Auch der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Hartmut Koschyk kam in seinem schriftlichen Grußwort auf die Lage in dem Krisenland zu sprechen. Der „Russland-Ukraine Konflikt“ habe gezeigt, dass es zu gewaltsamen Spannungen führen könne, wenn die Politik sich nicht um einen Ausgleich zwischen den Volksgruppen bemüht und es versäumt, die Rechte der nationalen Minderheiten zu schützen. Es fehlte auch bei ihm nicht an Kritik in Richtung Russland: „Gleichzeitig erleben wir, dass Minderheitenfragen als Vorwand für Völkerrechtsverletzungen missbraucht werden.“

Dem Konflikt in der Ukraine war ein eigenes Panel gewidmet. Die russische Minderheit war auf ihm zwar nicht vertreten, dafür war Russisch hier die Sprache der Wahl aller Teilnehmer – auch von Gennadij Drusenko, dem Regierungsbeauftragten für Minderheiten in der Ukraine, als er seine Version des Konflikts vortrug. Die bisherigen Trennlinien in der Ukraine etwa zwischen ukrainisch- und russischsprachiger Bevölkerung oder Katholiken und Orthodoxen seien durch den Maidan und den Krieg im Osten aufgehoben worden. Heute gebe es eine andere Trennlinie: Im Osten sei „Putin ein Idol und die Sow- jetunion das Vorbild“, während im Westen des Landes niemand die Staatsmacht verherrliche. Die Nostalgie nach der UdSSR in den abtrünnigen Territorien erklärte Drusenko ökonomisch: In der Sowjetunion seien die Krim und der Donbass finanziell von Moskau gepäppelt worden. „Die Bergarbeiter verdienten mehr als ihre Kohle kostete, nämlich so viel wie ihnen Moskau schickte.“ Als man auf die Marktwirtschaft umgestiegen sei und die Löhne „vernünftiger“ wurden, also sanken, habe sich die Überzeugung festgesetzt, dass man ohne die Ukraine besser dran sei.

Wie schwer es wird, wieder einen Dialog innerhalb der Ukraine in Gang zu bringen, war für die Kongressteilnehmer freilich schon vor Drusenkos Referat kein Geheimnis. In der Diskussion erklang folglich auch der Vorschlag, die FUEV in der Schlichtung einzuspannen, immerhin habe sie große Erfahrung mit Konflikten zwischen Staaten und ihren Minderheiten.

Als Beispiel, wie es gelang, einen solchen Konflikt zu lösen, wurde die deutsch-dänische Grenzzone genannt. Dort half sogar die Geopolitik: Vor 60 Jahren wollte Westdeutschland Nato-Mitglied werden, brauchte dafür aber unter anderem die Zustimmung Dänemarks. Der nördliche Nachbar stellte jedoch eine Bedingung: Zuerst müsse das Problem der dänischen Minderheit in Deutschland gelöst werden. Im März 1955 kam es zum Einverständnis, das mit der Bonn- Kopenhagener Erklärung markiert wurde. Minderheit und Mehrheitsbevölkerung lebten fortan friedlich miteinander – so könne es doch auch anderswo funktionieren.

Von Julia Larina
Moskauer Deutsche Zeitung, Ausgabe Nr. 10 (401), Mai 2015

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