Der ungeliebte Hans: Geschichte einer deutsch-russischen Koproduktion

2012 begann die Arbeit am deutsch-russischen Kriegsdrama „Liebster Hans, bester Pjotr“. Nun feiert Alexander Mindadzes Film über die wirtschaftliche Zusammenarbeit des Deutschen Reiches mit der Sowjetunion 1940/1941 auf dem Filmfest in Hamburg Premiere. Und er darf, nach einigen Schwierigkeiten, auch in Russland gezeigt werden (Moskauer Deutsche Zeitung, Ausgabe Nr. 18 (409), September 2015).  

2012 begann die Arbeit am deutsch-russischen Kriegsdrama „Liebster Hans, bester Pjotr“. Nun feiert Alexander Mindadzes Film über die wirtschaftliche Zusammenarbeit des Deutschen Reiches mit der Sowjetunion 1940/1941 auf dem Filmfest in Hamburg Premiere. Und er darf, nach einigen Schwierigkeiten, auch in Russland gezeigt werden (Moskauer Deutsche Zeitung, Ausgabe Nr. 18 (409), September 2015).

Als Highlight galt das deutsch- sowjetische Kriegsdrama „Liebster Hans, bester Pjotr“ auf dem Internationalen Moskauer Filmfestival. „Das ist genau die Art von Reflexion über den Zweiten Weltkrieg, die dem neuen russischen Kino schmerzlich gefehlt hat“, schrieb die russische Tageszeitung „Wedomosti“ begeistert über die deutsch-russische Koproduktion des Moskauer Regisseurs Alexander Mindadze. Lange allerdings sah es nicht danach aus, dass der Film überhaupt in Russland gezeigt werden würde.

Nach der Premiere von „Liebster Hans, bester Pjotr“ im Juni war das zuständige Ministerium so unzufrieden mit den Film, dass der laufende Antrag auf eine Verleihlizenz zunächst gestoppt wurde. Zwei Monate lang durfte die Koproduktion in Russland nicht gezeigt werden. Die Arbeit am Film indes hatte bereits 2012 begonnen. Und schon damals hatte es Probleme gegeben: Die Filmemacher hatten sich um eine finanzielle Förderung beim russischen Kulturministe- rium beworben – der künstlerische Beirat sprach sich dafür aus, doch dann lehnte ein militärhistorischer Beirat das Projekt ab. Die Tageszeitung „Die Welt“ zitierte damals den Leiter der Kinoabteilung, Wladimir Telnow, mit den Worten, man sei zu dem Schluss gekommen, „dass der Film nicht unseren Vorstellungen vom Krieg entspricht“. Später dann kam die Förderung. Aber zunächst war die Absage war ein kleiner Skandal.

Die Realität des Films

Grund für die Querelen ist der Plot oder besser die Realität hinter dem Film. Alexander Mindadzes Protagonist nämlich, der deutsche Ingenieur Hans (gespielt von Jakob Diehl), kommt 1940 in die Sowjetunion, um hochpräzises Glas zu produzieren. Hinter dem Film steht eine Geschichte, über die weder in Russland noch in Deutschland gern gesprochen wird – nach dem Hitler-Stalin-Pakt nämlich begann eine, wenn auch kurzweilige, wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion. Der Deal: deutsche Technik im Austausch gegen sowjetische Ressourcen. Das ist der geschichtliche Rahmen des Films.

Im Sommer 2014 war dann endlich mit dem Dreh begonnen worden, ausgerechnet in der Ukraine. Trotzdem war „Liebster Hans, bester Pjotr“ nach etwas weniger als fünf Monaten im Kasten. Alle vier Hauptrollen hatte Mindadze übrigens mit recht bekannten deutschen Schauspielern besetzt – Jakob Diehl, Birgit Minichmayr, Mark Waschke und Marc Hosemann.

Mindadzes Film wirkt durch seine vielen theatralen Elemente besonders eindringlich, die Bilder scheinen oft wie gemalt. In absurden Stillleben etwa sitzen die vier Deutschen immer wieder in verschiedenen Konstellationen zusammen – in Wohnzimmern, am Flussufer nahe der Fabrik, im Zug. So wird Spannung zwischen ihnen fast greifbar. Aus Angst vor gegenseitiger Denunziation geraten sie sich in die Haare: der karriereorientierte Professor Otto (Mark Waschke), der Lebemann Willi (Marc Hosemann), Greta, die Verführerin (Birgit Minichmayr). Und der stille Hans. Erst spät wird klar, dass er der eigentliche Protagonist ist. Während Otto und Willi ihren Platz in der Gruppe haben, und im Labor, ist nicht klar, was Hans eigentlich macht. In einer Schlüsselszene, als die Ingenieure unter dem Druck immer noch kein Glas geliefert haben, zählen sie zur Selbsvergewisserung ihre Talente auf. „Ich weiß, was ich tue“, sagt Hans nur. „Und was?“, fragt Willi nach. „Was man mir sagt.“ – Zunächst ist das nur ein Witz, bald aber wird es zu einem Vorgeschmack auf das sein, was folgt.

Verheerende Explosion

Beim entscheidenden Schmelzvorgang nämlich überheizt Hans den Brennofen und es kommt zu einer verheerenden Explosion. Die Sowjet-Verwaltung ermittelt. Unter all dem, den Absurditäten, Unsicherheiten und Aggressionen, scheint bereits der Zweite Weltkrieg zu lauern. Dass Hans nur einige Monate später ausgerechnet als Wehrmachtsoffizier wieder zurückkehrt, in seiner Hand ein Fernglas mit dem in der Sowjetunion entwickelten Glas, ist darum keine Überraschung.

Seit drei Wochen darf der Film nun auch in Russland gezeigt werden. Es sei eine Einigung mit dem Kulturministerium erzielt worden, heißt es vom Verleiher Passenger. Allerdings haben die Anfangstitel geändert werden müssen – ohne die Erwähnung der genauen historischen Daten und des deutsch- sowjetischen Nichtangriffspaktes in den Anfangstiteln bekam er die Lizenz. Bei seiner Deutschlandpremiere auf dem Filmfest Hamburg Anfang Oktober wird er in der Originalfassung zu sehen sein.

Von Sonja Vogel
Moskauer Deutsche Zeitung

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