Entspannungspolitik im Spannungsfeld: Jugendliche übten sich im „Trialog“

Schwarz-Weiß-Denken gedeiht am besten aus der Distanz. Umgekehrt erschüttert nichts so zuverlässig Vorurteile wie Nähe. Beim Trilateralen Jugendforum in Moskau kamen jetzt Jugendliche aus Deutschland, Polen und Russland ins Gespräch.

Schwarz-Weiß-Denken gedeiht am besten aus der Distanz. Umgekehrt erschüttert nichts so zuverlässig Vorurteile wie Nähe. Beim Trilateralen Jugendforum in Moskau kamen jetzt Jugendliche aus Deutschland, Polen und Russland ins Gespräch (Moskauer Deutsche Zeitung, Ausgabe Nr. 19 (410), Oktober 2015).

Hubert studiert Jura, internationale Beziehungen und Sprachen an der Universität Warschau. Was ihm an Freizeit bleibt, widmet er bevorzugt der Kampfkunst. Andrej studiert Physik an der Moskauer Staatlichen Universität. Er hat Freunde auf allen Kontinenten, „mit Ausnahme der Antarktis“. Maximilian studiert Informatik und Mathematik an der RWTH Aachen. Wenn er nicht gerade Programme schreibt oder Zeitungen liest, spielt er Gitarre und reist um die Welt.

Ein Pole, ein Russe und ein Deutscher. Vor kurzem haben sie sich beim Trilateralen Jugendforum in Moskau zum ersten Mal getroffen. Und wer sie dabei erlebte, der durfte sicher sein: Die jungen Leute haben viel mehr gemeinsam, als sie auf Grund ihrer Herkunft trennen könnte. In fließendem Englisch diskutierten sie das bisweilen spannungsgeladene Verhältnis ihrer Länder, wechselten Perspektiven, fragten Experten aus und schauten auch mal beim Firmensitz von Yandex nach dem Rechten.

Die Idee hinter dem „Trialog“ ist es, künftige Führungskräfte zusammenzubringen und damit Mauern in den Köpfen vorzubeugen. 30 Sieger einer Ausschreibung – jeweils zehn aus Russland, Deutschland und Polen – im Alter von 18 bis 26 Jahren waren für eine Woche nach Moskau eingeladen worden. Veranstalter des Forums, das nach Warschau 2013 und München 2014 bereits zum dritten Mal stattfand, sind Organisationen, die sich um Jugendbegegnungen und Jugendaustausch kümmern.

In Moskau blickten die Teilnehmer gleich mal 20 Jahre in die Zukunft. Sie entwarfen Szenarien für die deutsch-polnisch-russischen Beziehungen im Jahr 2035, die danach Gäste vom Fach kommentieren sollten. Der Finanzexperte Andrej Mowtschan vom Moskauer Carnegie Zentrum tat das, indem er gleich zu Beginn Voraussagen über einen so langen Zeitraum für „sinnlos“ erklärte. Offenheit ist eben keine Einbahnstraße.

Aber auch um das Hier und Jetzt kreisten die Gedankenspiele: In Gruppen wurden thematische Projekte zur grenzübergreifenden Verständigung entworfen, darunter ein internationales Musikfestival in Kaliningrad („muziKal“) und ein Journalistenforum in Berlin („Jourmany“). Bei der Vorstellung der Ergebnisse stand Grzegorz Szymanowski vom Organisationsteam mit Gipsarm am Mikrofon. Sollte es beim Meinungsstreit dann doch etwas zu hoch hergegangen sein? „Nein, nein“, wehrt der 25-jährige Pole lachend ab und erzählt in bestem Deutsch, er sei mit seinem Roller gestürzt. Es schloss sich eine kostenlose Lektion zur russischen Mentalität an: Man habe seinen gebrochenen Arm im Krankenhaus schnell und professionell versorgt, berichtet Szymanowski, der das Wintersemester als Austauschstudent in Moskau verbringt. „Der Arzt war supernett, wir haben uns über Fußball unterhalten.“

Solche Alltagsbeobachtungen weiß auch Johanna Prüssing zu schätzen, die in Moskau an der Higher School of Economics studiert. „Vieles erscheint hier erstmal kalt und grau, stellt sich aber sehr bald als warm und bunt heraus“, sagt die Deutsche. Vom Jugendforum hat sie die Erkenntnis mitgenommen, dass es auch in Russland „viele kritische Stimmen“ gibt. Was die große Politik von so einer Veranstaltung lernen könne, sei: „zuhören und diskutieren, bis eine gemeinsame Lösung gefunden ist“.

Der nächste „Trialog“ in dieser Länderkonstellation ist für 2016 in Krakau geplant.

Von Tino Künzel

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