Deutsche Woche und Folklore – Alles deutsch! Alles deutsch?

Die Deutsche Woche in Almaty neigt sich dem Ende zu und damit ein ansehnliches und vollgespicktes Programm rund um deutsch-kasachische Themen. Ein näherer Blick auf das „Volksfest 2015“ in Almaty.

Die Deutsche Woche in Almaty neigt sich dem Ende zu und damit ein ansehnliches und vollgespicktes Programm rund um deutsch-kasachische Themen. Ein näherer Blick auf das „Volksfest 2015“ in Almaty (Deutsche Allgemeine Zeitung vom 9. Oktober 2015).

Man kann sehr zuversichtlich sagen, dass die auf zehn Tage ausgedehnte „Deutsche Woche“ bisher sehr erfolgreich verlief. Im spätsommerlich anmutenden Almaty konnte man in den letzten Tagen vermehrt auf Dirndl und andere Trachten treffen, aber auch vielen anderen angereisten Gästen aus Politik und Gesellschaft begegnen. Ein meist zahlreiches, vielfältiges und sehr interessiertes Publikum genoss festliche Feierlichkeiten, Ausstellungseröffnungen, Theateraufführungen, Tanz– und Gesangsaufführungen, Filmvorführungen, Lesungen, Vorträge, Workshops und Diskussionen unter der Schirmherrschaft zahlreicher deutsch-kasachischer Institutionen.

Mit der Fotoausstellung „Manufakturen in Deutschalnd“ eröffnete die „Deutsche Woche“ offiziell in schönen Räumlichkeiten des Kastejew-Museums. Eine durchaus interessante Thematik zur der etwas anderen staatlichen, deutschen „Kulturarbeit“, die durch wirtschaftliche Unterstützung von kleinen und mittelständischen Traditionsunternehmen erfolgt. Anastassija Taukelowas Fotografien erzählen über die Aufrechterhaltung solcher Handwerkstraditionen in Deutschland. Viele weitere Veranstaltungen und Feierlichkeiten sollten folgen, wie etwa die Feiern an den linguistischen Gymnasien, die Veranstaltungen der Institutionen wie DAAD, Friedrich-Ebert-Stiftung oder Goethe-Institut, verschiedene wissenschaftliche Foren von Wirtschaftsvertretern, Konferenzen an Universitäten, wie auch innerhalb der „Vereinigung deutscher Wissenschaftler“. Einige dieser Veranstaltungen werden teilweise in kommenden Ausgaben der DAZ retrospektiv beleuchtet. So auch das Folklorefestival im Folgenden.

Am Samstag, dem 3. Oktober endete das Internationale deutsche Folklorefestival „Volksfest 2015“ in Almaty. Mit zahlreichen Besucherinnen und Besuchern zum Auftakt der Veranstaltung ist diese achte Ausgabe des Festivals sehr gut angekommen und angenommen worden. Bereits die dazugehörige Pressekonferenz war von interessanter Natur, trafen doch drei sehr unterschiedliche institutionelle Vertreter aufeinander.
Die Generalkonsulin Dr. Renate Schimkoreit stellte heraus, wie aktiv die deutsche Minderheit in ganz Kasachstan ist, auch außerhalb Almatys und wünschte weiterhin eine positive Entwicklung zukünftiger Projekte der Vereinigungen. „Besonders glücklich bin ich darüber, dass das ‚Volksfest 2015‘ im Rahmen der ‚Deutschen Woche‘ stattfindet und danke dafür der Vereinigung ‚Wiedergeburt‘“, so Schimkoreit.

Der Vorsitzende der Assoziation der Deutschen Kasachstans, Alexander Dederer, eröffnete das lange im Voraus vorbereitete Festival, das seiner Aussage nach „das kulturelle Erbe in Form einer Kerzenflamme von Generation zu Generation behutsam überliefert“ und bedankte sich insbesondere für die ministerielle Zuwendung seitens der kasachischen Regierung. Auch das Ministerium für Kultur und Sport schickte Worte des Lobes und bekräftigte ihren Förderwillen. Man sei sehr froh über die Völkervielfalt, die in Kasachstan durch Einrichtungen wie das Deutsche Haus und Veranstaltungen wie das „Volksfest 2015“ und die vom Generalkonsulat initiierte „Deutsche Woche“ repräsentiert würde. „Ich hoffe, dass es die kulturelle Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Kasachstan fördert“, so war der Kommentar des Ministers für Kultur und Sport, vorgetragen von dem anwesenden Vizeminister Galim Achmedijarow. Die staatliche Botschaft lautet demnach: In Kasachstan ist man stolz auf seine multiethnische, multireligiöse Gemeinschaft und begrüßt solch vielseitige Programme, die man sich zu unterstützen freut. Frau Dr. Schimkoreit äußerte sich auf Nachfrage ebenso zur aktuellen deutschen Debatte um Multikulturalismus: „Wir sind sehr multikulturell in Deutschland und das ist auch gut so.“

Tatsächlich war das Festivalprogramm multiethnisch, vielfältig und viel innovativer, als man das vielleicht von einem Folklorefestival erwarten würde. Neben kasachischen Ensembles und Tanzgruppen, waren auch Gäste aus Russland, Deutschland, Kirgisistan und Usbekistan dabei. Neben urtümlichen bekannten und nicht mehr so bekannnten Volksliedern und Tänzen, die teils sehr rührend dargeboten wurden, waren auch moderne, sehr jugendliche Einfälle und Interpretation zu hören und zu sehen. Die letzteren überraschten nicht selten mit recht hartem Techno-Beat, dem man mittlerweile sehr häufig in Volksmusik zu begegnen scheint. Wenn auch bei manch einem Gesangsensemble mit Playback geschummelt wurde, wurde das durch faszinierende Performances in High Heels wieder wettgemacht.

Einige der verblüffendsten, unbändigsten und daher mit die gelungensten und stärksten Auftritte gelangen der usbekischen Gruppe „Junge Sterne“. Sie mischten mehrere Kulturen und synthetisierten Einzelheiten zu einer fulminanten und gewinnenden Show. So überraschten nach einem deutschen Volkstanz zwei männliche Tänzer mit traditionellen usbekischen Schritten und es gestaltete sich eine nahezu zeitgenössisch choreografierte, feinsinnige Tanzmischung. Zu erwähnen ist auch das Ensemble „Maibaum“ aus Kustanai, welches wie eine perfekt eingespielte Großfamilie ein harmonisches Orchesterspiel lieferte. Dieses Orchester setzte ebenfalls Elemente ein, die nicht rein deutscher Tradition entspringen, unter anderem die sehr eigen klingende russische Schalejka, eine kleine Hornpfeife, die ehemals von Hirten gespielt wurde, wie auch weitere kasachische Instrumente.
Es gab auch eingängige Soloperformances, wie von dem Flötisten Jewgeni Konew aus Kustanai, der ein klassisches Bach-Menuett zum Besten gab. Nicht zuletzt seien die zwei Moderatoren zu erwähnen, die amüsant und eingespielt durch das Programm führten und zwischendurch auch mal ein Ständchen auf Kasachisch sangen.

Im Rahmen des Festivals wurde auch der zweitägige Gesangswettbewerb „Neue Namen“ abgehalten, bei welchem Jenifer Brening aus Ulm mit einer überzeugenden Gesangsperformance den Grand Prix gewinnen konnte. Insgesamt konnte man bei dem Besuch des Folklorefestivals durchaus auf den Gedanken kommen, man müsse erst nach Kasachstan reisen, um die Rolle des deutschen des Folkloreerbes und dessen teils moderne Interpretationen begreifen zu können.

Julia Boxler
Deutsche Allgemeine Zeitung

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