Eine Idee, zwei Konzepte: Eine Ausstellung zur deutsch-russischen Beziehung hat in Berlin und Moskau unterschiedliche Inhalte


Die Archivschau „Von der Konfrontation zur Zusammenarbeit“ beleuchtet in Berlin das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland seit 1945. Zeitverzögert wird es eine solche Ausstellung auch in Moskau geben. Sie wird aber anders sein – denn nicht in jedem Punkt hatten sich die Kuratoren einigen können (Moskauer Deutsche Zeitung vom 5. November 2015). 

Die Archivschau „Von der Konfrontation zur Zusammenarbeit“ beleuchtet in Berlin das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland seit 1945. Zeitverzögert wird es eine solche Ausstellung auch in Moskau geben. Sie wird aber anders sein – denn nicht in jedem Punkt hatten sich die Kuratoren einigen können (Moskauer Deutsche Zeitung vom 5. November 2015).

Irgendwie hat man sich zusammengerauft. Der Weg der Beziehungen zwischen Deutschland und Russland verlief seit 1945 vielleicht nicht schnurgerade, aber doch hin zur Zusammenarbeit. „Von der Konfrontation zur Zusammenarbeit“, so lautet auch der Titel einer vom Deutsch-Russischen Museum Karlshorst und dem russischen Staatsarchiv konzipierten Ausstellung zu 70 Jahren deutsch-russischer Beziehung, die noch bis 13. Dezember in Berlin zu sehen ist. Das könnte aber auch als Motto für das etwas holprige Zustandekommen der Ausstellung selbst dienen, die zeigt, wie sehr Geschichtsschreibung den Stimmungen der Gegenwart unterliegt. Doch der Reihe nach.
Der Rahmen der Archivschau ist exklusiv, denn der Martin-Gropius-Bau ist ein Ort für hochkarätige Ausstellungen. Die deutsch-russischen Beziehungen wurden so symbolisch ins politische Zentrum der Hauptstadt gerückt.

Mit neun historischen Wegmarken wird die besondere Beziehung der beiden Länder im Annäherungsprozess nach dem Zweiten Weltkrieg nachgezeichnet: von der deutschen Kapitulation über den Mauerbau, von der KSZE-Schlussakte 1975 zur Gedenkstunde im Bundestag 2014 für die Opfer der Leningrad-Blockade. Vorgestellt wird neben den Schriftstellern Heinrich Böll und Lew Kopelew auch der russlanddeutsche Schlagerstar Helene Fischer. So soll anhand von Ereignissen und Persönlichkeiten aus Politik und Kultur ein Panorama der Beziehungen entstehen.

„Wir machen das mit historischen Dokumenten“, sagt die Kuratorin Julia Franke. „Das klingt vielleicht erst mal spröde.“ Die Dokumente aber werden optisch sehr schön präsentiert. Es sind nicht zu viele, so dass die Aufmerksamkeit erhalten bleibt.

Der kleinste gemeinsame Nenner

Manches jedoch kommt da etwas zu kurz: Der DDR-Volksaufstand vom 17. Juni 1953, niedergeschlagen von sowjetischen Einheiten, beispielsweise. Er wird nüchtern abgehandelt und ist offenbar nicht bedeutend genug, eine eigene Wegmarke darzustellen. Der Abschluß des Erdgas-Röhren-Geschäfts zwischen UdSSR und BRD hingegen schon. „Das ist der kleinste gemeinsame Nenner“, urteilt einer der Besucher treffend.

Es habe definitiv Kompromisse gegeben, räumt auch Julia Franke ein. Teil des Ausstellungskonzepts nämlich ist eine weitere Ausstellung, die am 10. November in Moskau eröffnet werden wird. Und nicht in allem schienen sich die Kuratoren einig gewesen zu sein. „Unterschiedliche Staaten haben unterschiedliche Narrative“, sagt Franke. Nur wenige Texte der beiden Ausstellungen werden daher identisch sein: „Wir haben um einiges lange gerungen“, so die Kuratorin. Die Auswahl des Ukraine-Konflikts als Wegmarke etwa sei für die russischen Kollegen inakzeptabel gewesen – und so endet die deutsch-russische Geschichte auch im deutschen Teil bereits im Jahr 2014.

Dieses unstimmige Ende wirft nun seinen Schatten auf die Schau. Der Weg zur Zusammenarbeit scheint nicht als so unumkehrbar, wie es der Titel suggeriert.

Die Ausstellung selbst ist in Teilen ein Mittelweg, dessen Leerstellen die Verantwortlichen nun anders zu füllen versuchen: In begleitenden Diskussionsveranstaltungen soll auch aktuellen Konfliktpunkten mehr Raum gegeben werden, verspricht Ulrike Kloß vom Museum Karlshorst. Dort ist dann eine Runde über „Beutekunst“ geplant und es wird der Frage nachgegangen, wie belastbar angesichts aktueller Ereignisse die deutsch-russischen Beziehungen sind.

So spiegelt der holprige Weg des Zustandekommens der Schau im Kleinen die wechselhaften Beziehungen zwischen Russland und Deutschland im Großen wieder. Zusammenarbeit und Konfrontation schließen einander eben nicht aus. Vor dem Hintergrund der Verheerungen des Zweiten Weltkriegs und des Kalten Kriegs ist das auch nicht weiter verwunderlich.

Von Dennis Grabowsky
Moskauer Deutsche Zeitung

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