Berlin,

Minderheiten und „Agenten“ zu Gast in Berlin


Die Deutschen Europas berichten der Bundesregierung von ihren Wünschen und Sorgen

Die da eben noch ernst in der Bibliothek des Auswärtigen Amts in Berlin konferierten, stehen ganz plötzlich aufgereiht wie eine Schulklasse. Der Hausherr wird jeden Augenblick erwartet: Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Die Vertreter der gut 20 deutschen Minderheiten aus Mittel- und Osteuropa, die ins Amt geladen waren, mögen bei sich zu Hause gestandene Persönlichkeiten sein, hier stehen sie nun und klatschen, als Steinmeier die Treppe hinabsteigt, um ihnen zehn Minuten zu schenken.

Seit fast 25 Jahren treffen sich die deutschen Minderheiten in Europa jährlich, zuletzt meist in Berlin, seit diesem Jahr der Sitz des neuen Büros ihrer Arbeitsgemeinschaft (abgekürzt AGDM). Doch in so hohe Kreise der Berliner Republik wie bei der 24. Tagung der AGDM Mitte November hatten sie es bisher nicht geschafft. Nach Steinmeier am Morgen stand mittags der Vizepräsident des Bundestags Johannes Singhammer auf dem Programm, der Abend endete bei Innenminister Thomas de Maizière im neuen Gebäude des Bundesministeriums des Innern. Die große Politik, das ist für die Minderheitenvertreter gewöhnlich ihr Bundesbeauftragter, CSU-Mann Hartmut Koschyk. Er war es auch, der ihnen jetzt den Weg in die Schaltzentralen der Bundespolitik bahnte, wo übrigens auch über die finanziellen Zuwendungen Deutschlands für seine Minderheitenarbeit im Ausland entschieden wird.

Hinter der AGDM steht der Wunsch, dass die deutschen Volksgruppen in Europa gemeinsam gegenüber der Politik auftreten sollten. Zwar sind auch sie Teil der europäischen nationalen Minderheiten, die in der Föderalistischen Union der Europäischen Volksgruppen (FUEV) organisiert sind. Allerdings sehen sich die deutschen Mitglieder in vielen Fragen im selben Boot, ob sie nun in Dänemark im Westen oder in Russland und Kasachstan im Osten leben: bei der Jugendarbeit etwa und vor allem bei der Herausforderung, ihre deutsche Sprache in ihren heutigen Heimatländern zu bewahren. Bisher, so berichten Teilnehmer der AGDM, habe jede Minderheit für sich in Bonn und später in Berlin für ihr Anliegen geworben. Dass man jetzt mit einer Stimme spreche und von der Spitzenpolitik auch gehört werde, ist ein großer Schritt für die Minderheiten.

So wünschte man sich diesmal gegenüber dem Auswärtigen Amt, dass dessen Kulturmittler im Ausland, also etwa das Goethe-Institut oder der Deutsche Akademische Austauschdienst, vor Ort besser mit den Organisationen der Minderheiten zusammenarbeiten. Und natürlich hofft jeder Verband auf Unterstützung, sollte es mit der Regierung des Heimatlandes zu Konflikten kommen. Sogar die Deutschen im Nachbarland Polen machen sich Sorgen, seit dem dort eine neue erzkonservative Regierung an der Macht ist.

Von Sorgen wusste auch Olga Martens zu berichten, die stellvertretende Vorsitzende des Internationalen Verbands der deutschen Kultur (IVDK), der Dachorganisation der deutschen Minderheit in Russland. Sie gestand ein, dass die Deutschen in Russland eine „doppelte Identität und auch eine doppelte Loyalität hätten“ – zu Deutschland wie auch zu Russland. Das deutsche Erbe sei in Laufe von 250 Jahren, seit dem Ankommen der ersten deutschen Siedler, Teil der russischen Kultur geworden, den es zu erhalten gelte. Doch wegen der neuen Eiszeit zwischen Ost und West infolge der Ukrainekrise habe es Versuche gegeben, die Russlanddeutschen zu instrumentalisieren. Als Beispiel nannte sie Schikanen durch die russischen Behörden, die versucht hätten, den Verband als „ausländischen Agenten“ einzustufen. „Wir leben in einem Staat, der sehr sensibel auf die Entwicklung der Zivilgesellschaft reagiert, und die Deutschen in Russland sind sehr aktiv beim Aufbau der Zivilgesellschaft“, so Martens, die auch Herausgeberin der MDZ ist. Mit Hilfe der Bundesregierung und der deutschen Botschaft in Moskau habe man sich dagegen wehren können. Auf diese Unterstützung seien die gut 500 000 Deutschen in Russland weiter angewiesen, schloss Martens ihre Rede, als der Außenminister bereits zum nächsten Termin unterwegs war.

Bojan Krstulovic

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