Moskau.,

Archäologen entziffern altdeutsche Aufschriften auf in Moskau gefundenen Grabsteinen


Wissenschaftliche Mitarbeiter des Archäologischen Instituts der Russischen Akademie für Wissenschaften haben altdeutsche Aufschriften auf Grabsteinen, die aus dem 17. Jahrhundert stammen, ausgewertet. Diese wurden zufällig in Moskau während Bauarbeiten im Stadtzentrum gefunden.

Dabei stellte man fest, dass die Grabsteine der Familie Kellermann angehören, die aktiv in Diplomatie und Handelstätigkeiten im Moskauer Zarentum involviert waren. Desweiteren bezeugen die Schriften Verbindungen der Ausländer zu Reformationsaktivisten in Moskau.

„Diese Funde sind seltene Beweise für die aktive Tätigkeit der westeuropäischen Emigranten im Moskauer Leben. Leute, die Türme, Kreml, Domkirchen, Kloster und Festungen bauten, die das Abschießen von Kanonen und das Erstürmen feindlicher Städte lehrten. Sie gingen bei den Moskauer Fürsten als „Ausbilder“ ein und aus. Sie waren Juweliere und Mechaniker, Ärzte und Apotheker, Übersetzer“ verrät Projektleiter Leonid Beljaew, Leiter für Archäologie der Moskauer Rus am Archäologischen Institut der Russischen Akademie für Wissenschaften.

Es wurden zwei Grabsteine, die über einen Text mit lateinischen Buchstaben verfügen, am 23. April 2015 gefunden. Der Fund wurde rein zufällig in der Nähe der Straße Mitnaja und der Seitenstraße Chavsk im Zuge von Bauarbeiten gemacht. Die Steine erregten glücklicherweise Aufmerksamkeit. Anschließend wurde das Institut für Archäologie zur Expertise dieses Artefakts eingeladen.

Die Mitarbeiter des Instituts konnten die Aufschriften der Grabsteine entziffern und wie sich herausstellte, wurden diese in niederrheinischem Dialekt verfasst. Der erste Grabstein ist auf das Jahr 1635 datiert. Zu dieser Zeit herrschte Zar Michail I., der erste Zar in der Dynastie der Romanows. Aus der Aufschrift kann man schließen, dass unter dem Grabstein der Sohn Heinrich Kellermanns, Berendt, begraben wurde.

Die Familie Kellermann (in russischen Texten auch „Keldermann“) ist russischen Quellen sehr bekannt. Man geht davon aus, dass Heinrich Kellermann während des Krieges mit Livland 1558 bis 1593 nach Moskau kam. Heinrich (in russischen Texten Andrej) Kellermann wird als „Moskauer Handelsausländer“ geführt und hatte Aufgaben eines Übersetzers und zum Teil auch Diplomaten inne. Er war 1613 in England Teil der Botschaft, 1614 und 1617 beschäftigte er sich mit dem Verkauf von Pelzen in Riga zur Aufbesserung der Staatskasse.

Der zweite Grabstein ist 20 Jahre jünger (er wurde auf das Jahr 1653 datiert). Dessen Text ist um einiges interessanter. Hier die erste Übersetzung: „Im Jahr 1653 8. Oktober in Bose ruht Herr Thomas Kellermann, geliebter Sohn namens Thomas, dessen Seele bei Gott im Himmel und dessen Körperchen hier unter der Erde vergraben ist. Ihn erwartet mit allen Gläubigen glückselige Ewigkeit und ewige Glückseligkeit. Er lebte zwei Monate. Dürste den Tod jeden Tag, und du wirst selig sein!“

„Hier treffen wir erstmals in der Geschichte der deutschsprachigen Grabsteine Moskaus auf eine klassische religiöse Aufschrift, die sich auf deutsche mittelalterliche Mystik zurückführen lässt: „glückselige Ewigkeit und ewige Glückseligkeit““, erzählt Beljaew.

„Noch interessanter ist allerdings der abschließende Zweizeiler“, führt er weiter an, „dieser lässt sich nämlich auf den Text des Priesters Martin Hiller aus Reichenbach (Niederschlesien) zurückführen“.

Im Jahre 1625 schrieb Hiller diese Zeilen auf den Grabstein des Bürgermeisters dieser Stadt, Melchior Horst. Dabei übernahm er ebenfalls etwas aus einem lateinischen Mittelaltertext von Johann Gebauer, dem Syndikus der Republik Reichenbach.

„Die Tatsache, dass nur 25 Jahre zwischen dem Moment des Erscheinens der Reichenbacher Predigt und der Grabaufschrift liegen, spricht möglicherweise für eine gute Bekanntschaft der Bewohner der Moskauer Kolonie mit der protestantischen Theologie in den Gedichten“, stellt Beljaew fest.

„Man kann annehmen, dass in der Familie Kellermann das Erlernen von religiösen Phrasen traditionell verankert war“, sagt er.

Die wissenschaftlichen Mitarbeiter heben hervor, dass der Fund nochmals die engen Beziehungen des Moskauer Staates mit Westeuropa bereits in vorpetrinischer Zeit aufzeigt. „Moskau war keine Stadt in der „Pampa“, sie hatte vielerlei Handels- und Kulturverbindungen mit Europa. Schließlich kann man sagen, wenn es keine Moskauer Emigranten gegeben hätte, hätten wir Peter den Großen nicht.“

Quelle: Archäologisches Institut der Russischen Akademie für Wissenschaften

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