„Den Prozess umkehren“


Im Interview mit der MDZ spricht Elisaweta Graf über Deutschunterricht im Kindergarten, frühkindliche Sprachförderung allgemein und die bevorstehende Sprachkonferenz in Moskau.

Elisaweta Graf ist Koordinatorin des Internationalen Verbands der Deutschen Kultur (IVDK) für Spracharbeit im Gebiet Omsk und leitet dort eine Mittelschule. Sie hat die frühkindliche Sprachförderung in russischen Kindergärten mit auf den Weg gebracht und zieht eine Zwischenbilanz. Frau Graf, im Rahmen der Förderung der deutschen Minderheit durch das Bundesinnenministerium setzen Sie sich für Deutschunterricht in russischen Kindergärten ein. Warum ist das wichtig?

Vor 15 Jahren wurde noch in vielen russischen Dörfern Deutsch gesprochen, aber die meisten Deutschsprachigen sind ausgewandert und die Älteren sterben aus. In den Familien wird also fast nur noch Russisch gesprochen. Wir wollen diesen Prozess nun umkehren. Die Kinder sollen im Kindergarten Deutsch lernen und können dann auch mit ihren Eltern Deutsch sprechen. Wir glauben, dass wir die Sprache so wieder in die Familien bringen können.

Was sind die größten Hindernisse?

Es gibt zu wenige Deutschlehrer und deutschsprachige Erzieher. Wir suchen darum nach Möglichkeiten vor Ort: In einigen Kindergärten gibt es Psychologen mit Deutschkenntnissen oder Musiklehrer, die den Kindern die Sprache spielerisch beibringen. Aber besser wäre es natürlich, wenn die Erzieher das übernehmen könnten. Wir versuchen darum, Lehrkräfte auszubilden, etwa per Fernstudium.

In Ihrem Kinderprogramm werden auch Dialekte gelehrt. Welche?

In einzelnen Dörfern wird noch Dialekt gesprochen, Bayrisch und Hessisch zum Beispiel. Besonders gut hält sich das Plattdeutsche. Ursprünglich hatten wir die Dialekte nicht im Programm. Aber wir haben beobachtet, wie in der Gemeinde Solntsewska eine Gruppe Volksfeste organisierte und mit den Kindern Lieder auf Plattdeutsch sang. Wir haben dann beschlossen, das auch in den Kindergärten zu machen. Mittlerweile gibt es Lehrkräfte, die Dialekt sprechen.

Warum wollen Eltern, dass ihre Kinder früh Deutsch lernen?

Russlanddeutsche Familien versuchen, die Sprachtradition zu wahren. Aber auch Eltern ohne deutsche Wurzeln wissen, dass Fremdsprachenkenntnisse wichtig sind. Aber die Kurse beschränkensich nicht bloß auf die Sprache, sie vermitteln auch Geschichte, Sitten und Bräuche. Wir veranstalten zum Beispiel Feste, damit auch die Eltern etwas vom Deutschtum mitbekommen. Die finden das sehr gut und engagieren sich auch dafür.

Wo sind die Kindergärten und wie viele Kinder werden unterrichtet?

Sprachkurse gibt es vor allem in den Regionen, in denen noch Russlanddeutsche leben. Im Gebiet Omsk gibt es 81 Kindergartengruppen mit bis zu 12 Kindern. Eine Voraussetzung dafür ist, dass mindestens 60 Prozent der Kinder deutschstämmig sind. Bei den Kursen für Erwachsene liegt die Quote bei 70 Prozent.

Ende April findet in Moskau eine Konferenz zum Frühdeutschlernen statt. Um was wird es gehen?

Wir wollen Erfahrungen aus dem Unterricht in den russischen Regionen austauschen und gemeinsam mit Experten aus deutschen Universitäten und Ministerien besprechen, wie er besser werden kann.

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