Alexander Fitz und seine Geheimnisse


Das neunte Buch „Deutsche Geheimnisse“ des Schriftstellers und Publizisten Alexander Fitz erschien im Sommer dieses Jahres und ist ein russlanddeutsches Medien-Projekt „Die Welt im Wort“ des Internationalen Vereins der Deutscher Kultur (IVDK, Moskau). Es beinhaltet Erzählungen, Berichte und Novellen, die dem interessierten Publikum bislang wenig bekannte Bruch-teile russlanddeutscher Geschichte offenbaren.

Der Autor erinnert sich an die Vergangenheit, stellt Hypothesen auf und zieht schlagartige Schlussfolgerungen. Mit Traurigkeit, Humor, Rätselhaftigkeit, die im Buch harmonisch, Seite an Seite auftreten. Dem Leser, der an russlanddeutscher Geschichte interessiert ist, der auch gerne Mal in die Zukunft schauen möchte und vor allem Humor versteht, werden Schicksale von Politikern, Schauspielern, Geistlichen, Bürgern und Geheimagenten vorgestellt. Die Namen sind uns allen bekannt, doch die Fakten überraschen immer wieder mit schlagartigen Informationen, konkreten Beispielen und Zeugenaussagen…

Die erste Präsentation der Neuerscheinung fand Anfang September in Fulda (Hessen) statt. Vor einem Publikum, das ein leib-haftiges Interesse an unserer Geschichte hat und in einem kulturell-historischen Seminar über die Gegenwart und Perspekti-ven der russlanddeutschen Kultur diskutierte. Die Veranstaltung, ein Projekt des IVDK, organisiert in Zusammenarbeit mit dem Institut für ethnokulturelle Bildung - BiZ mit freundlicher Unterstützung der Ortsgruppe Fulda der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V, versammelte in diesen Tagen bekannte Historiker und Kulturschaffende aus Russland sowie aus Deutschland und bezweckte vor allem einen Meinungsaustausch zu verschiedenen Aspekten unserer mannigfaltigen Existenz-fragen.

Den Teilnehmern des Seminars sollte auch ein kurzer Einblick in die „Deutschen Geheimnisse“ von Alexander Fitz gewährt werden, weil sie das Thema des Seminars aus publizistischer Sicht betrachten. Olga Martens, stellvertretende Vorsitzende des IVDK, stellte den Teilnehmern das Buch und den Autor vor und betonte, dass sie an der Herausgabe dieses Werkes auch kei-ne einzige Sekunde zweifelte. Nachdem sie sich mit dem Inhalt vertraut gemacht hatte, war sie sofort Feuer und Flamme. Klar gab es auch andere Meinungen dazu. Doch die Entscheidung lag auf der Seite der Vernunft. Selbst schätzt Frau Martens das Buch zum Novum, das auf eine besondere literarische Art und Weise „einen ganz neuen, unerwarteten Aspekt unserer Geschichte hervorhebt“.

Trotz innerer Aufregung, wirkte der zur Lesung aus München angereiste Alexander Fitz gelassen und schien sogar ein wenig vergnügt zu sein. Mit lebensfroher Ironie teilte er den Anwesenden die Idee seiner Neuerscheinung mit, sprach über Anre-gungen, Motivationen und eigene Erfahrungen, betonte, dass er nur „die Wahrheit schreibt, sich mit konkreten Begebenheiten befasst und dies aus einem guten Grund: er ist und bleibt ein Journalist“.

Alexander ist durch seine zahlreichen Bekanntschaften und Freundschaften berühmt und mit unzähligen Wissenschaftlern, Historikern, Schauspielern, Schriftstellern und Geistlichen, deren Namen im Buch vorkommen, längst persönlich bekannt. Man kennt ihn praktisch in allen gesellschaftlichen Kreisen. Beziehungen, die er einmal aufgebaut hat, pflegt er mit präziser Sorg-fältigkeit. Man trifft sich gelegentlich, tauscht Meinungen aus und spricht über dies und jenes. Und so kommt man auf die interessantesten Geschichten, die man als Publizist unbedingt mit der Leserschaft teilen möchte.

Von seinem alten Freund Viktor Hoffmann, der das Deutsch-Russische Haus in Kaliningrad leitet, erfährt Fitz die freudlose Geschichte des Kriminellen Alexander Klauser. Als Sohn einer Wolgadeutschen und eines deutschen Baronen, dem einstmals ein Landbesitz bei Königsberg gehörte und den es während des Krieges als Kriegsgefangenen nach Sibirien verschlug, wuchs Klauser in einer religiös geprägten deutschen Familie auf. Früh bekam er zu spüren, was es bedeutete, deutsch zu sein. Mit 12 erhielt er seine erste Gefängnisstrafe für einen Mord. Einen Mord, den er aus Charakterstärke begann. 32 von seinen 50 Lebensjahren verbrachte er in Gefängnissen – ob es überhaupt dazu gekommen wäre, wenn man ihn als Deutschen akzep-tiert hätte, bleibt dem Leser offen. Man möchte es hoffen und es spricht sogar alles dafür: Nach seiner letzten Entlassung zog er nach Kaliningrad und es gab Vermutungen, dass er bereit war, ein neues Leben zu beginnen... Doch das Schicksal hat sei-ne eigene Entwicklungsregel, die nicht vorauszusehen sind. Dank seiner Freundschaft mit Hoffmann, gelang es dem Autor Klauser telefonisch zu interviewen… So entstand die Novelle „Baron Sascha-Deutscher“.

Im Zentrum der Erzählung „Wie ein Deutscher aus Taschkent Deutschland zwei Kriege zu verlieren verhalf“, steht der bewe-gende Lebenslauf des Kaufmanns der ersten Gilde Heinrich Wilhelm Dürschmidt, der 1883 mit seinem Bruder Friedrich aus Deutschland nach Taschkent kam und mit 5 tausend Rubeln Grundkapital zu einem der erfolgreichsten Unternehmer seiner Zeit wurde. Das Thema verriet dem Autor sein alter Freund Viktor Iwonin als er mitbekommen hatte, dass Fitz an einem Buch unter dem Titel „Deutsche Geheimnisse“ arbeitet. Nach gründlichen Recherchen häufte sich genügend Material für eine hu-morvolle, ereignisreiche und lesenswerte Geschichte an, die im Buch aufgenommen wurde…

Ich fragte den Autor, warum er eigentlich sein neues Werk „Deutsche Geheimnisse“ genannt hat? Die Antwort war überra-schend kurz: Jedes Volk hat seine Geheimnisse. Wieso sollten die Russlanddeutschen keine haben?

Dass Alexander recht hat, bestätigt jedes Kapitel im Buch: Jede zweite Person in seinen Erzählungen verbirgt ein Geheimnis, das jahrzehntelang auf besondere Art in Anonymität gehüllt wurde und das man nicht preis geben durfte. Es waren Geheim-nisse, die vor allem die nationale Zugehörigkeit der Menschen, über die im Buch berichtet wird, betrafen. Wie in den Fällen der prominenten „lettischen“, doch wie sich herausstellte, russlanddeutschen Schauspielerin Via Artmane; des in Vergessen-heit geratenen talentierten Regisseurs Konstantin Eggert; des hochbegabten Sängers des Bolschoj-Theaters Johann Krause, der auf Befehl des „Vaters“ aller Völker Iosif Stalin unter dem Namen Iwan Petrow weltberühmt wurde; des Dichters Jewgenij Jewtuschenko, den wir vielleicht nie kennengelernt hätten, wenn er unter seinem Geburtsnamen Gangus (Hangus) Gedichte geschrieben hätte.

Um nicht auf der Stelle alle Geheimnisse des Autors auszuplaudern und dem Leser die Freiheit für eigenen Enthüllungen un-bekannter Seiten russlanddeutscher Geschichte zu bieten, möchte ich noch ein Thema, das der Autor im Buch aufgreift, an-sprechen. Das Thema der Weltsicht jedes einzelnen und des Unterschieds zwischen deutsch-russlanddeutsch-russisch zu sein, zu denken und zu handeln. Es betrifft die Erzählungen und Beobachtungen in denen Fitz die Seele des echten deutschen Bür-gers auf Herz und Niere prüft und dem Neuangekommenen die Möglichkeit öffnet, Prioritäten zu setzen und eigenständige Entscheidungen zu treffen. Dabei kommt es stets zu humorgeladenen Situationen und unerwarteten Wenden des Sujets wie nämlich in den „Geheimnissen „deutscher“ Seele“ oder in „Der Bürger und das „deutsche“ Wunder“. Genau diese Geschichten machen das Buch noch attraktiver und unterhaltsamer. Man begreift plötzlich, dass ein großes Geheimnis aus mehreren klei-neren besteht und dass es jedem belassen bleibt, sie zu entdecken und zu erleben. Man muss dabei nur auf den richtigen Weg kommen. Alexander Fitz hat den richtigen Weg für seine Enthüllungen entdeckt und untersucht mit Akribie eines Chi-rurgen die Seelen seiner Mitmenschen, forscht nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden, nach verborgenen Geheimnissen jedes Einzelnen, ohne ihm zu nah zu treten oder ihm seine Fehler vorzuhalten. Stets mit Genauigkeit, Mitgefühl und bewun-dernswerten Vorliebe zum Detail, den wichtigsten professionellen „Geheimnissen“ eines hervorragenden Publizisten.

Zur Information: Das Buch „Deutsche Geheimnisse“ (Russisch: Немецкие тайны“) ist im Verlag GELIKON unter knigi@gelikon.de erhältlich. Der Artikel erschien auf Portal Russlanddeutsche Allgemeine.