Der Winter ist immer noch da


Vor zwei Jahren kurz vor Weihnachten berichtete die MDZ über den Wunsch der Deutschen aus Kemerowo ein Heim für diejenigen, die unter der Deportation und Trudarmee gelitten haben, zu eröffnen. Aber die Hoffnung auf ein würdiges Leben im Alter verschwand wieder ganz schnell.

Der ehemaliger Trudarmist David Eirich starb vor Kurzem. Er verließ diese Welt sehr ruhig, ohne Unannehmlichkeiten für seine Verwandten. Er war 90 Jahre alt. Es blieb seine 89-jährige Frau, Ella, zurück, die schon seit Jahren an Demenz leidet und gar nicht versteht, dass ihr Mann schon gestorben ist.

Ende 2014 besuchte MDZ Redakteurin Maria Halland die Familie Eirich im Ort Jaschino (Gebiet Kemerowo). Maria Halland begleitete damals Sofia Simakova, die Vorsitzende der örtlichen national-kulturellen Autonomie der Russlanddeutschen. Frau Simakova überreichte der Familie Eirich humanitäre Hilfe.

„Ich komme doch nicht ins Gefängnis?“- fragte Ella Eirich aufgeregt Sofia und sah dabei erschrocken die Journalistin an. „Früher war das so“, - fügte sie noch hinzu. „Nein“, beruhigte Sofia die alte Frau. Sofia berichtete Maria Halland über Ihren alten Traum: Sie wollte schon immer ein Pflegeheim eröffnen, um den ansässigen Russlanddeutschen im hohen Alter mit körperlichen Behinderungen eine Möglichkeit zu bieten, eine vollständige Behandlung und Pflege zu bieten.

Maria und Sofia besuchten damals Lilia Schneider. Sie ist 48 Jahre alt. Sie sitzt im Rollstuhl und wohnt bei ihrem 76-jährigen Vater. Maria war überrascht, dass das Haus nicht behindertengerecht ausgestattet ist. „Was für Geländer? Der Rollstuhl passt noch nicht mal durch die Tür!“- antwortete Sofia. Dazu kam noch, das Haus nur ein Plumpsklo im Freien hat.

Wenn die Zeit heilt

Das Treffen ist nun zwei Jahre her. „Es starb jetzt auch Rudolf Kamerloch, ein berühmter Mundstückschnitzler. Vor drei Jahren wurden ihm seine Füße aufgrund von Diabetes amputiert. Herr Kammerloch war ein großer Naturfreund, war seitdem jedoch an sein Bett im fünften Stock ohne Fahrstuhl gefesselt. Es gab überhaupt keine Möglichkeit, ihn aus der Wohnung rauszubringen. Vor ihm verstarb Friedrich Hubert. Er hat sich erhängt – konnte den Tod seiner Frau nicht verkraften und wollte nicht alleine bleiben. Der einzige Trudarmist, der noch in Jakschin lebt, ist Alexander Geier. Er ist 93 Jahre alt. Er ist schon seit zwei Jahren gelähmt und wird von seiner Schwiegertochter gepflegt.“

Während des Zweiten Weltkrieges kamen sehr viele Deutsche in das Kusnezker Becken (Kusbass). Die meisten arbeiteten in den Kohlenbergwerken und bei Baumfällungen. Viele trugen aufgrund der harten Arbeitsbedingungen immense Gesundheitsschäden davon. Frauen wurden kinderlos, viele bekamen behinderte Kinder aufgrund ihrer Gesundheitsschäden. Heute sind viele von den ehemaligen Trudarmisten verlassen und einsam. Die meisten können nicht selbst für sich sorgen. Letztes Jahr haben Russlanddeutsche im hohen Alter aus der Region Kemerowo eine Hoffnung auf eine menschenwürdige Betreuung im Alter bekommen. Der Koordinationsrat der öffentlichen Verbände der Russlanddeutschen aus Kemerowo hat ein Projekt eines Pflegeheimes für Rentner und Behinderte entwickelt. Das Pflegeheim sollte in den Räumen eines alten Krankenhauses des Dorfes Patscha (Kreis Jakschin) eingerichtet werden. Da hätten die Rentner untersucht werden sowie eine qualifizierte Behandlung genießen können. Es fehlte jedoch an der Finanzierung, rund 10 Millionen Rubel, die für die Renovierung und Ausstattung benötigt wurden. Das Projekt sollte durch Zuschüsse starten, in etwa drei Jahren wäre das Projekt in der Lage, sich selbst zu finanzieren. Man hatte sogar schon genügend ehrenamtliche Mitarbeiter gefunden.

Die Expertin, die den Wirtschafsplan des Projekts bewertet hat, und Professorin des Lehrstuhls Soziologie, Sozialarbeit und Jugendpolitik des Instituts für internationale soziale und humanitäre Beziehungen meint Olga Diwnenko, dass das Projekt, nicht ohne Weiteres umzusetzen ist. Sie zweifelte jedoch daran, dass das Projekt von der gesetzlichen Krankenversicherung unterstützt werden kann. „So ein Projekt kann nur mit vereinten Kräften von Gesellschaftsorganisationen sowie administrativen Ressourcen, der Presse und einer guten Verwaltung zum Erfolg führen“- erklärte Olga Diwnenko.

Bis jetzt sind die Erfolge bescheiden: Der Präsidentenzuschuss reichte aus, um 72 russlanddeutsche Rentner zu behandeln. Darunter waren nur Rentner, die noch in der Lage waren, sich selbst zu versorgen.

Teufelskreis

Das größte Problem sieht Sofia Simakova in der fehlenden Unterstützung von Seiten der Verwaltung des Gebiets Kemerowo sowie des Bundesinnenministeriums der BRD, die den Trudarmisten und Vertrieben nur bedingt Hilfe leisten, da würden Zuschüsse mehr bewirken.

Das Projekt hofft nicht nur auf Hilfe aus Deutschland, sondern erwartet Unterstützung und Hilfe von einheimischen Firmen und Einzelunternehmern. Das Projekt ist auch für jegliche Spenden auf das eingerichtete Konto dankbar. Die Bankverbindung wird demnächst in der MDZ bekannt gegeben.

Allerdings wünschen wir uns dies alle zu Weihnachten und zu Silvester. Und vielleicht geht dieser Wunsch in Erfüllung und die MDZ berichtet in zwei Jahren nicht über unerfüllte Hoffnungen.

Der Artikel erschien in der Moskauer Deutschen Zeitung. Übersetzung aus dem Russischen ins Deutsche.

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