Tagungsbericht der Konferenz „Glaube: Stütze der Identität. Die Bedeutung der kirchlichen Seelsorge für deutsche Minderheiten“


Vom 24. bis zum 26. April fand in Groβ Stein / Kamień Śląski die internationale Tagung „Glaube – Stütze der Identität“ statt.

In Erinnerung an den 500. Jahrestag der Reformation trafen sich geistliche Repräsentanten, Vertreter der Politik und Repräsentanten der deutschen Minderheiten der GUS- und MOE-Staaten, um die Bedeutung des christlichen Glaubens als festigendes und identitätsstiftendes Element zu beleuchten und dadurch Wege zu entwickeln, das gemeinsame christliche Erbe in Zukunft intensiver für die Minderheitenarbeit zu nutzen. Die Tagung stellte die Rolle der christlichen Werte in der Politik sowie den Beitrag der Minderheitenpastoral in verschiedenen Ländern Europas und Asiens in den Mittelpunkt. Die Konferenz in Groß Stein stellt in diesem Umfang die erste ihrer Art dar.

Feierlich eröffnet wurde die internationale Tagung vom Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB, Bischof von Oppeln, Andrzej Czaja, Pfarrer und Dechant des Herrmannstädter Kirchenbezirks in Rumänien, Dietrich Galter, sowie dem Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM), Bernard Gaida, der auch Vorsitzender des Dachverbandes der Deutschen Minderheit in Polen ist. In seinem Grußwort betonte Bundesbeauftragter Koschyk, dass die Bundesregierung heute von einer erfolgreichen Identitätswahrung der deutschen Minderheiten in ihren Heimatländern geprägt werde, die dem Engagement und der Arbeit der Kirche zu verdanken sei. Bundesbeauftragter Koschyk verwies auf den Dreiklang von „Heimat, Identität und Glaube“ der im Hinblick auf die Globalisierung von großer Bedeutung sei.

Die folgenden Eröffnungsredner bedankten sich bei dieser Gelegenheit beim Bundesbeauftragten Koschyk für seinen Einsatz als Initiator der Konferenz, und bekräftigten abermals die außerordentliche Relevanz des Treffens für die deutschen Minderheiten. Die Strahlkraft des christlichen Glaubens sei das entscheidende Fundament für eine erfolgreiche Zusammenarbeit und die Bewältigung der kommenden Aufgaben, so der Tenor aller Redner.

Der Oppelner Bischof Czaja beschrieb in diesem Zusammenhang den Zusammenhalt der Christen als Pfeiler der „Wahrung der Identität“. Auch Pfarrer Galter hob die Minderheitenfrage als Basisarbeit der Kirche hervor und verwies auf die Idee der deutschen Minderheit, sich während der schweren Zeit des Kommunismus zu vereinen. Bernard Gaida schloss sich seinen Vorrednern an und bekräftigte nochmals die Bedeutung der Kirche. „Der Beichtstuhl war wahrscheinlich der einzige Platz, an dem die deutsche Identität akzeptiert wurde“, so Gaida.

Der Höhepunkt des ersten Tages war ein Festvortrag von Dr. Hans-Gert Pöttering, dem ehemaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments und Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung. In seiner Rede „Politik aus christlicher Verantwortung – Die Bedeutung nationaler und religiöser Minderheiten für den europäischen Eignungsprozess“ ging es neben der Bedeutung eines vereinten Europas und der unantastbaren Würde des Menschen auch um die christlichen Werte der Minderheiten. Das Glaubenszeugnis sei der Grundpfeiler der Identität und gehe somit gegen Unrecht und Unterdrückung vor, so Dr. Pöttering.

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(v.l.n.r): Bischof von Oppeln, Andrzej Czaja, Präsidenten des Europäischen Parlaments a.D. und Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung, Dr. Hans-Gert Pöttering, Bischof em., Alfons Nossol, Pfarrer und Dechant des Herrmannstädter Kirchenbezirks in Rumänien, Dietrich Galter und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM), Bernard Gaida.

Der zweite Tag der Tagung befasste sich mit den Themen „Glaube und Identität“ und „Deutsche Minderheiten und Ökumene“. Die Referenten bestanden dabei aus dem ehemaligen Oppelner Bischof, Alfons Nossol, dem evangelisch-lutherischen Probst Andrzej Fober aus Breslau, dem katholischen Pater Johannes Kahn aus Bischkek und dem in Riga tätigen Pastor und Bischof electus (Georgien, südl. Kaukasus), Markus Schoch.

In seinem Vortrag betonte Bischof Nossol u.a. die Wichtigkeit der Kirche als Lösung der Gegensätze innerhalb der Gesellschaft und hob die ökumenische Öffnung hervor, ohne die es nicht möglich ist, ein guter Christ zu sein. In besonderer Weise stände auch das Streben der Einheit als „Imperativ des christlichen Wissens“ im Vordergrund der Ökumene. Bischof Nossol verwies dabei auf das ethische Handeln der Christen, welches alle Gläubigen kategorisch zur Verantwortung ziehe.

Auch Probst Fober wies nachdrücklich auf das praktische Verständnis der Ökumene hin und beschrieb die Liturgie als „nächst höhere Stufe der Ökumene“, die als fester Bestandteil einer Gemeinde angesehen werden müsse. Des Weiteren betonte er den unterstützenden Beitrag seiner Gemeinde, die durch Diakonie und Ökumene einen erheblichen Teil zum gesellschaftlichen Miteinander in Breslau leiste.

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Der evangelisch-lutherische Probst Andrzej Fober aus Breslau

„Glaube und Humor darf man nie verlieren“, so Pater Kahn zu Beginn seines Vortrags. Nachdem Pater Kahn die Geschichte der christlichen Minderheit innerhalb Kirgisistan an persönlichen Beispielen verdeutlichte, beschrieb er infolgedessen die Arbeit in seiner Gemeinde. Es sei die Aufgabe der Kirche, „Gebetsbrücken“ zu bauen, um das Fundament für ein friedliches Zusammenleben zu schaffen und die Minderheit in ihrem Glauben zu bestärken.

Auch Pastor Markus Schorch berichtete von seiner Arbeit in der lettischen Hauptstadt Riga und weiteren Gemeinden. Die Gemeinde sei sehr pietistisch geprägt und erinnere durch den traditionsreichen Gottesdienst an die Erfahrungen der Ur-Christen. Vor allem „die gegenseitige Stärkung des Glaubens“ innerhalb der Glaubensgemeinschaft stelle eine Verwirklichung der Identität dar und gebe den Menschen gegenseitigen „Mut und Trost“, so Pastor Schorch.

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(v.l.n.r): Pastor Markus Schorch, Moderator Rudolf Urban, Pater Johannes Kahn

Der dritte und letzte Tag der Tagung befasste sich abschließend mit den „gelungenen Beispielen in der deutschen Minderheitenpastoral“. Das Auftaktreferat und die Moderation übernahm hierbei Weihbischof Athanasius Schneider aus Astana. Die jeweiligen Impulse und Beispiele gaben Pfarrer Martin Leitgöb aus Prag, Pfarrer Dietrich Galter aus Herrmannstadt und die stellvertretende Vorsitzende der deutschen Minderheit in Russland, Olga Martens aus Moskau.

In einem eindrucksvollen Vortrag ging Weihbischof Schneider zunächst auf die Geschichte der katholischen Minderheit ein und beschrieb im Folgenden die Entwicklung der Glaubensgemeinschaft in Kasachstan. So sei die katholische Gemeinschaft in Astana, nach der grausamen Verfolgung des kommunistischen Systems, das „Erbe einer Untergrundkirche“, die durch den „Untergrund-Bischof“, Alexander Chira, aufgebaut und geprägt wurde. Die heutige Lage innerhalb Kasachstans sei, auch durch die Bemühungen der Regierung von einem „interethnischen und interreligiösen Frieden“ gekennzeichnet, so Weihbischof Schneider.

Martin Leitgöb, Pfarrer der deutschsprachigen-katholischen Gemeinde in Prag, berichtete ebenfalls von seinen täglichen Seelsorgeerfahrungen. Durch die hohe Quote an Atheisten innerhalb der Tschechischen Republik und die sprachliche Disparität befinde sich die Gemeinde in einer „zweifachen Diaspora“. Es sei die „Tugend der Geduld“ und eine aktive „Geh-hin Seelsorge“, welche seine Pfarrerrolle bestimme. Dennoch und gerade deshalb habe sich die Gemeinde etabliert und ist seit dem 1. Oktober 2016 zur eigenständigen Pfarrei erhoben worden, so Pfarrer Leitgöb.

Pfarrer Galter informierte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung über die Situation in Rumänien und seiner Gemeinde. Nachdem Pfarrer Galter zunächst die Lage der Minderheiten allgemein schilderte, wurde im Anschluss auf die eigene Praxiserfahrung eingegangen. Trotz schwindender Zahl sei die Arbeit der Kirche ein wichtiger Bestandteil für das Leben der deutschen Minderheit. Die evangelische Frauenarbeit, das Jugendwerk, Gemeindebriefe sowie deutschsprachige Zeitungen sind nur wenige Beispiele, die zur Kultur- und Spracherhaltung der deutschen Minderheiten beitragen.

Den letzten Vortrag der Tagung hielt die Vorsitzende der deutschen Minderheit in Russland, Olga Mertens. Der Internationale Verband der Deutschen Kultur versuche, „den ganzen Schutz der Kultur und des Glaubens an die nächsten Gemeinden weiterzugeben“ und die Identität der deutschen Minderheit in Russland zu erhalten, so Mertens.

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(v.l.n.r): Pfarrer Martin Leitgöb, Pfarrer Dietrich Galter, Weihbischof Athanasius Schneider und Vorsitzende der deutschen Minderheit in Russland, Olga Martens.

Die acht-tägige Konferenz war von liturgisch sehr ansprechend gestalteten Andachten begleitet, die in der St. Hyazinth-Kapelle in Groß Stein, der Oppelner Bischofskathedrale und der Wallfahrts-Basilika auf dem St. Annaberg stattfanden. Die an der Konferenz teilnehmenden Kirchenvertreter wechselten sich bei der Zelebration und den Predigten dieser Andachten ab. Die Tagungsteilnehmer besuchten ebenfalls die evangelisch-augsburgische Gemeinde zu Oppeln und tauschten sich mit Gemeindepfarrer Wojciech Pracki und Pfarrer Eneasz Kowalski sowie Gemeindemitgliedern aus Carlsruhe aus.

Für die Gestaltung zeichnet die Seelsorge für die deutsche Minderheit in der Diözese Oppeln, Pfarrer Piotr Tarlinski verantwortlich. Die Akademie des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit in Gleiwitz und Oppeln, die für die Durchführung der Konferenz verantwortlich war, wird die Reden, Predigten und Diskussionen der Veranstaltung in einem Tagungsband dokumentieren.