Würdigung des herausragenden Engagements


Die Kulturgeschichte der Deutschen aus Russland zu bewahren, sie leidenschaftlich zu vermitteln und das Recht der Russlanddeutschen auf ein Gesicht in Museumsform einzufordern, war lange Jahre der Mittelpunkt des berufl ichen und ehrenamtlichen Engagements der Historikerin Dr. Katharina Neufeld, die das Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold von 1999 bis 2016 leitete. Sie hat maßgebend dazu beigetragen, dass sich das Museumsprojekt aus einer kleinen Privatinitiative zu einem bundesweit anerkannten und anspruchsvollen interkulturellen Begegnungs- und Lernort entwickelt hat.

Für dieses herausragende Bemühen um die Dokumentation und Vermittlung der Kulturgeschichte der Russlanddeutschen wurde Dr. Katharina Neufeld bei ihrer Verabschiedung als Museumsleiterin in Detmold im Februar dieses Jahres mit der goldenen Ehrennadel der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland ausgezeichnet. Die Auszeichnung überreichte im Namen des Bundesvorstandes der stellvertretende Bundesvorsitzende Johann Thießen. Die Initiative zur Verleihung kam von der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen. Zur festlichen Amtsübergabe an ihren Nachfolger versammelten sich in den Museumsräumlichkeiten zahlreiche Gäste aus der Politik, von Vereinen und der Öffentlichkeit, um das Engagement von Dr. Katharina Neufeld zu würdigen.

Jede Initiative, jedes Vorhaben braucht Enthusiasten, die mit viel Herzblut an eine Sache heran gehen und durch ihr unermüdliches Engagement für das Gelingen sorgen. Auch am Anfang des Museumsprojekts in Detmold standen eine Vision und purer Enthusiasmus. Der Anstoß ging von Studienrat Otto Hertel aus, der sich bereits in der Sowjetunion für die Interessen der Russlanddeutschen einsetzte und in Detmold bis zu seinem Tod 1999 die landsmannschaftliche Ortsgruppe leitete.

Seine Wanderausstellung, die ab 1988 auch von dem russlanddeutschen Künstler Jakob Wedel unterstützt wurde, legte den Grundstein für das damals noch bescheidene Museum. Dank der engen Partnerschaft mit dem Christlichen Schulförderverein Lippe wurde auf dem Gelände der privaten christlichen August-Hermann-Francke-Gesamtschule ein erster Ausstellungsraum für das geplante Museum eingerichtet. 1996 fand die feierliche Eröffnung des Museums auf 100 qm Fläche statt.

Nach dem Tod Hertels übernahm Dr. Katharina Neufeld die Museumsleitung. Die im Gebiet Orenburg geborene gelernte Geschichtslehrerin promovierte in Samara, unterrichtete zuletzt an der Hochschule Orenburg und publizierte bereits ab 1992 zur Geschichte der Russlanddeutschen. 1997 kam die zweifache Mutter nach Deutschland.

Ein wissenschaftliches Praktikum am Institut für Deutschland- und Osteuropageschichte Göttingen und im Museum Detmold gab ihr die ersten Orientierungshilfen. Neben der zuerst ehrenamtlichen Museumsleitung ab 1999 arbeitete Katharina Neufeld kurzzeitig als Zeitungsredakteurin und einige Jahre in der August-Hermann-Francke-Gesamtschule.

Ab 2006 war sie dann hauptamtliche Museumsleiterin und kümmerte sich verstärkt um den Aufbau des Museums, das seit 2002 vom „Museumsverein für russlanddeutsche Kultur und Volkskunde e. V.“ getragen wurde. Gemeinsam mit Gleichgesinnten setzte sich Dr. Neufeld auf allen Ebenen beharrlich für die staatliche Unterstützung des Museums ein. Mit Erfolg - für weitere fünf Jahre wurde das Museum von Bund und Land gefördert.

Vor allem unter der Leitung von Katharina Neufeld wurden im Museum eine beeindruckende Sammlung zusammengestellt und vielfältige Aktivitäten entfaltet. Sie setzte viel Kraft und Energie ein, um vor allem das Sammeln und Dokumentieren voranzutreiben. So sind aus anfänglich 50 Ausstellungsstücken inzwischen Tausende geworden. In der umfangreichen Sammlung mit zahlreichen Exponaten befi nden sich Gegenstände, die einmalig in Deutschland und weltweit sind. Ein umfangreiches Archiv beinhaltet unzählige Mengen von Schriften, Fotos, Zeitungen, Zeitschriften, alten Büchern und Filmen. Die Museumsbibliothek ist von ursprünglich 400 bis auf 11 500 Bände angewachsen. Diese Bestände werden als Basis für Diplom- und Facharbeiten immer wieder aufgesucht und benutzt.

Unter Leitung von Katharina Neufeld wurde das Detmolder Museum schon ganz früh zu einer Stätte, die russlanddeutsche Geschichte zum Anfassen vermittelte. Zahlreiche Ortsgruppen der Landsmannschaft nutzten bereits die Möglichkeit, mit Katharina Neufeld in die Geschichte der Volksgruppe einzutauchen.

Noch viel umfangreicher und anspruchsvoller wurde die Museumsarbeit, als 2011 die neuen Räumlichkeiten des Museums auf dem Gelände der August-Hermann-FranckeGesamtschule eröffnet wurden. Die neue Dauerausstellung auf 500 qm Fläche heißt „Ausgepackt. Geschichte und Gegenwart der Deutschen aus Russland“. Auch hier war Dr. Katharina Neufeld als wissenschaftliche Fachkraft für die Konzeption, die Inhalte und Vitrinengestaltung gefragt. „Ausgepackt“ bedeutet, wir sind angekommen, wir sind zu Hause. Die Vision, die am Anfang der privaten Museumsinitiative stand, hatte sich damit erfüllt. Seit der Neueröffnung des Museums hat der Besuch deutlich zugenommen.

In den vergangenen Jahren entwickelte sich Dr. Katharina Neufeld zu einer gefragten Expertin in Sachen Geschichte, Kultur und Identität der Russlanddeutschen mit regionaler und grenzüberschreitender Anerkennung. Neben der Dauerausstellung fi nden in regelmäßigen Abständen themenbezogene Sonderausstellungen, Schulungen, Klassenführungen, Info-Veranstaltungen, mehrtägige Projektarbeiten, Fachseminare und Workshops, Begegnungen mit Zeitzeugen, Feiern und Filmvorführungen sowie „Tage der offenen Türen“ statt. Für den überregionalen Wirkungsbereich bot das Museum Wanderausstellungen wie „Russlanddeutsche - 200 Jahre unterwegs“, „Familienchronik - ein Aussiedlerschicksal“, „200 Jahre Molotschna“, oder „Deutsche Kolonien im Gouvernement Sankt Petersburg: Geschichte und Kultur“ in Kooperation mit dem DeutschRussischen Begegnungszentrum St. Petersburg. Die internationalen Kontakte der Historikerin sind all die Jahre dem Museum zugute gekommen.

Für die vorbildliche Vermittlung, Verbreitung und Förderung der russlanddeutschen Kultur und Identität wurde das Detmolder Museum unter der Leitung von Katharina Neufeld 2014 mit dem Russlanddeutschen Kulturpreis des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet.

Durch die Museumsarbeit werden Brücken nicht nur zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Russlanddeutschen gebaut, sondern auch zwischen der deutschen Gesamtkultur und der russlanddeutschen Subkultur, deren Geschichte vor 250 Jahren in Russland begann. Diese historisch und gesellschaftlich unterschiedlichen Kulturkreise müssen in Deutschland erst noch zu einer neuen Einheit zusammenwachsen. Für das Detmolder Museum damals wie heute eine zukunftsorientierte Aufgabe.