Den kulturellen Code entschlüsseln

Ein Koordinationspunkt zur Unterstützung der russlanddeutschen Kultur wurde am Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold geschaffen. Ein Interview der Moskauer Deutschen Zeitung mit dessen Kulturreferenten Edwin Warkentin.

In Deutschland wurde ein Kulturreferat für Russlanddeutsche geschaffen - ein Schritt der deutschen Bundesregierung zur Unterstützung einer einzigartigen Kultur. Edwin Warkentin, Kulturreferent der neugeschaffenen Plattform, über das Referat.

Wie entstand die Idee ein Referat für Russlanddeutsche zu organisieren?

Im Februar 2016 verabschiedete das Bundeskabinett eine weiterentwickelte Konzeption für die Kultur- und Wissenschaftsförderung des Bundes, die sich auf die Erforschung, Präsentation und Vermittlung der Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa auf der Grundlage von § 96 des Bundesvertriebenengesetzes bezieht. Auf dieser Grundlage werden von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Museen, Kulturinstitute, Bibliotheken, Projekte der kulturellen Vermittlung und des Denkmalerhalts, Forschungsinstitute und Akademische Förderprogramme gefördert.

Im Zentrum dieser Förderung stehen die historischen Siedlungsgebiete der Deutschen in Südosteuropa, in Pommern, West- und Ostpreußen, Schlesien und die böhmischen Länder, Siebenbürgen, das Baltikum, Russland und anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion.

Für den Bereich der kulturellen Vermittlung wurden nun zusätzlich zu den bereits bestehenden sechs Kulturreferaten die Errichtung von Kulturreferaten für die Deutschen aus Russland, für Oberschlesien und die Siebenbürger Sachsen beschlossen. Die Idee eines Kulturreferates für Russlanddeutsche ist nicht neu. Ein solches gab es bereits vor vielen Jahren, es war - allerdings mit anderer Aufgabenstellung.

Wie bedeutsam ist die Errichtung dieses Referats?

Oft erhoben die Vereine und Verbände der russlanddeutschen Aussiedler Klagen darüber, dass ihre kulturellen Belange im Vergleich zu anderen Aussiedlergruppen keine besondere Berücksichtigung fanden. Kulturschaffende, die sich mit der russlanddeutschen Thematik beschäftigten, hatten keine zentrale Anlaufadresse um ihre Projekte vorzustellen. Viele waren auf Förderangebote angewiesen, die eher das Fremde als Ausdruck der kulturellen Vielfalt in Deutschland unterstützen, was in bestimmten Kontexten auch berechtigt ist, aber weniger das Deutsch-Deutsche im Sinne hatten. Mit dem jetzt eingerichteten Referat gibt es nun diese Anlaufstelle, die mit öffentlichen Fördermitteln ausgestattet, genau diesen Bereich sichtbar machen soll und somit auch zur Integration dieser Gruppe beitragen soll.

Womit wird sich das Referat beschäftigen?

Im Großen und Ganzen geht es nach vielen Jahren der alltäglichen Beheimatung der Russlanddeutschen nun um die kulturelle Einbindung des russlanddeutschen Kulturerbes in den gesamtdeutschen Kulturkontext. Es geht nicht darum, dass die Kulturgeschichte Deutschlands einer Neuinterpretation unterzogen werden soll, sie soll eher um die russlanddeutsche Thematik in verschiedenen Bereichen sichtbar ergänzt werden.

Bisher fehlt in der Breite der bundesdeutschen Gesellschaft das Bewusstsein, dass die mitgebrachte Kultur und Geschichte der Russlanddeutschen nicht nur die Identität dieser mehr als drei Millionen Bundesbürger bildet, sondern auch einen beträchtlichen Teil der deutschen Kulturgeschichte ausmacht. Somit wird das Kulturreferat versuchen, breitenwirksam Impulse und Beiträge zum bundesdeutschen Diskurs um Heimat, Kultur, Identität und Zukunft zu leisten oder solche zu fördern. Von besonderer Bedeutung ist der Wissenstransfer an die breite Öffentlichkeit und zwischen den Generationen. Die Arbeit mit jüngeren Generationen hat einen gewissen Vorrang.

Mit wem wird das Referat kooperieren?

Das Kulturreferat soll vor allem mit dem Museum in Detmold kooperieren. Darüber hinaus können sich Vereine und Organisationen mit Projektinitiativen an das Referat wenden, das wiederrum im Zuge eines Antragsverfahrens diese auswählt und prüft, bevor sie mit Mitteln der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien gefördert werden können. Es können sich nur Organisationen mit einem juristischen Sitz in Deutschland bewerben. Organisationen in den Herkunftsstaaten der Russlanddeutschen können selbstverständlich an den Projekten ihrer deutschen Partnerorganisationen im Bundesgebiet partizipieren. Das Referat wird auch mit einzelnen Kulturschaffenden kooperieren, dies jedoch als eigenen Projekte konzipieren und durchführen. Nähere Informationen zu den Förderkriterien befinden sich auf der Internetseite des Kulturreferats unter www.russlanddeutsche.de

Warum ist das Referat am Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold?

Eine öffentlich relevante Einrichtung für Impulse in der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem russlanddeutschen Kulturerbe ist das Museum in Detmold. Dieses Museum ist bislang auch die einzige Institution, in der dieses Erbe in einer breitenwirksamen Herangehensweise präsentiert wird. Insofern war es für den Gesetzgeber eine logische Konsequenz, dieses Museum sowohl mit einer mehrjährigen Bundesförderung zu unterstützen, als auch das neue Kulturreferat räumlich an das Museum anzugliedern, ohne es jedoch zu seiner Kulturabteilung zu erklären.

Es soll im gesamten Bundesgebiet tätig sein. Wie ich bereits oben erwähnte, gab es in der Vergangenheit ein solches Referat an der Geschäftsstelle der Landsmannschaft in Stuttgart. Im Zuge des Reformprozesses während der Regierung von Gerhard Schröder wurden die jeweiligen Kulturreferate jedoch aus den einzelnen Landsmannschaften herausgelöst und an die entsprechenden bund- und ländergeförderten Museen angegliedert. Im Falle der Deutschen aus Russland bestand damals eine ungünstige Voraussetzung – sie hatten zu diesem Zeitpunkt kein öffentlich gefördertes Museum und somit auch kein Kulturreferat. Seit 2016 fördert die Bundesregierung das Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold. Insofern kam auch die Einrichtung eines Kulturreferats am Standort Detmold sofort mit auf die Agenda.

Fragen stellte Olga Silantiewa, Chefredakteurin der MDZ.

Der Artikel erschien erstmals in russischer Sprache in der Moskauer Deutschen Zeitung 04/2018.

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