Exoten auf dem Eis


Ein Russlanddeutscher macht Hockey beliebt - ein Artikel der Moskauer Deutschen Zeitung.

Hockey mit einem Ball bleibt - trotz seiner Popularität in Skandinavien und Russland - eine exotische Sportart in anderen europäischen Ländern. Aber es gibt Enthusiasten, die versuchen, diese Sportart voranzutreiben, darunter - Dimitri Fichter aus dem deutschen Mainz.

Die deutsche Bandy-Nationalmannschaft wurde 2013 gegründet. Sie vereint russischsprachige Sportler mit einer Eishockey-Vergangenheit, die aus verschiedenen Gründen nach Deutschland umgezogen sind. Das Team spielt seit vier Jahren bei Weltmeisterschaften, aber die deutschen Medien betrachten Bandy immer noch als eine seltene Disziplin für das Land und benutzen dafür in der Regel das Attribut exotisch. Einer der Initiatoren der Gründung der Mannschaft war der Stürmer, und der jetzige Assistent des Cheftrainers Dimitri Fichter. Er wurde in Kustanai in einer russlanddeutschen Familie geboren. Die Großeltern wurden nach Nordkasachstan verbannt. 1991 zog die Familie nach Deutschland. Dimitri machte in Deutschland eine technische Ausbildung, jetzt arbeitet er als Ingenieur bei der Lufthansa. Schon in seiner Jugend spielte er leidenschaftlich Eishockey.

In Deutschland gab er seine Leidenschaft nicht auf und begann in Eishockey-Amateurmannschaften zu spielen. Sein Spielkamerad war Evgenij Epifanov, der Sohn eines berühmten Ballhockeyspielers - Alexander Epifanov. Beide hatten zu der Zeit schon einen breiten Bekanntenkreis, wo alle davon träumten, einen leichten Stock für Bandy (den internationalen Namen für Hockey mit einem Ball) zu ergattern, so dass es nicht nötig war, lange nach Spielern für die Nationalmannschaft zu suchen.

Die Welt des Ballhockeys ist klein, Gerüchte über die Bildung eines neuen Teams verbreiteten sich schnell. Die Mannschaft ist nicht aus dem Nichts entstanden. In Deutschland wurde Bandy bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts gespielt. Der erste derartige Sportverein erschien 1901 in Berlin, er hieß Charlottenburger Eislaufverein. Die Wettkämpfe wurden auf der überfrorenen Spree durchgeführt. Aber die Entwicklung des Sports verhinderten der Erste Weltkrieg sowie das milde Klima. Heute kommen die meisten deutschen Nationalspieler aus den ehemaligen Sowjetrepubliken, aber eine neue Generation von Sportlern wächst heran und diese wird von Dmitri Fichter persönlich trainiert.

Er trainiert in Mainz die Kindermannschaft für Ball- und Eishockey. In den fünf Jahren, in denen es dieses Team gibt, hat es zufriedenstellende Ergebnisse erzielt: Bei Weltmeisterschaften spielt es in der ersten Liga zusammen mit professionellen Mannschaften aus Schweden und Russland. Tagsüber gehen die Eisstars zur Arbeit und am Abend ziehen sie ihre Schlittschuhe an. „Wir trainieren im Winter fünf Tage die Woche. Manche Kinder fahren 200 km, um anderthalb Stunden zu trainieren“, sagt Dimitri. Auf die Frage, woher diese Begeisterung kommt, antwortet Dmitry einfach: „Ich möchte in meiner Freizeit das machen, was mir Spaß macht.“ Die Bandy-Regeln sind ähnlich wie beim Fußball: Ein Feld, 11 Spieler, zwei Hälften à 45 Minuten. Die Deutschen trainieren auf einer Indoor-Eisbahn, andere gibt es in Deutschland nicht.

Die Nationalmannschaft vereint Spieler aus fünf bestehenden Mannschaften. Im Land gibt es nicht so viele Bandy-Wettkämpfe, aber es gibt zum Beispiel den jährlichen Deutschen Pokal. Die Deutsche Hockey-Föderation, geleitet von Jewgeni Epifanov, hilft diesen Sport bei Kindern zu popularisieren. Zurzeit gibt es gibt es immer noch einen einzigen Sportverein, in dem Jungs Bandy trainieren können. „Wir haben uns mal für ein außergewöhnliches Training entschieden, um den Kindern zu zeigen, dass es eine andere Art von Hockey gibt. Wir verteilten die Schläger, zogen den Ball heraus und zeigten, wie man damit umgeht“, erklärt Dimitri. „Die Jungs waren sehr überrascht: Was für eine Sportart ist das?! Aber nach dem Training haben sie gesagt, dass es klasse war.“

Drei Jahre sind seitdem vergangen. Dimitris zwei Söhne Maximilian und Konstantin und ihr Cousin Alexander spielen Bandy. In der vergangenen Saison gingen die Jungs nach Uljanowsk, um zu sehen, wie Ballhockey in Russland gespielt wird, und um gleichzeitig ihre Russischkenntnisse zu verbessern. Dimitri wollte schon lange seine Schützlinge nach Russland bringen. Nach der Rückkehr schafften es die Jungs ihre Begeisterung vom Gesehenen an anderen jungen Spielern weiterzugeben.

Im März wurde das Team zu einem internationalen Turnier in der Region Moskau eingeladen. Drei Tage lang hatten die Jungs Zeit, an Workshops von Profisportlern teilzunehmen, auf dem Roten Platz zu frieren und mehrere Spiele mit Norwegern, Tschechen und Russen zu spielen. Vor dem Erfolg des erwachsenen Teams sind sie noch weit entfernt, aber die Kinder haben Motivationspreise bekommen.

In Mainz ist das Kinderteam bekannt, und nach dem Silbersieg der deutschen Eishockeymannschaft bei den Olympischen Spielen ist das Interesse am Wintersport stark gestiegen. „Wir werden jetzt mehr angerufen und gefragt, wie man sich in bei uns anmelden kann“, so Dimitri Fichter. In den Erwachsenen- und Kindermannschaften endete die Spielsaison bereits. In der warmen Jahreszeit werden die Jungs Fußball spielen, und Dimitri wird eine Pause machen, um sich kurz vor der neuen Spielsaison auszuruhen.

Der Artikel erschien erstmals in russischer Sprache in der Moskauer Deutschen Zeitung 06/2018.

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