Drohende Altersarmut bei Spätaussiedlern


Hessens Landesbeauftragte Ziegler-Raschdorf setzt sich für Anpassung bei Spätaussiedler-Renten ein

Zwischen 1950 und 2014 hat die Bundesrepublik insgesamt 4,5 Millionen Aussiedler und Spätaussiedler aufgenommen, darunter 2,4 Millionen aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Viele von ihnen sind im Alter jedoch von Armut bedroht. Landesbeauftragte Margarete Ziegler-Raschdorf spricht sich für eine Aufhebung der Obergrenzen bei der Berechnung der Spätaussiedler-Renten aus. (Foto: LBHS.) Die Ursache hierfür liegt in den Rentenkürzungen der 1990er Jahre. Als sich im Zuge des Niedergangs der Sowjetunion für die dort lebenden Deutschstämmigen die Möglichkeit bot, in die Heimat ihrer Vorfahren zurückzukehren, machten hiervon alleine zwischen 1990 und 2000 ca. 2,1 Millionen Menschen Gebrauch. Waren Aussiedler bis dahin nach dem Fremdrentengesetz hinsichtlich der Rentenansprüche Bundesbürgern gleichgestellt, wurde diese Praxis Anfang der 1990er angesichts der hohen Zugangszahlen zunehmend kritisiert. Dies führte 1996 schließlich zu der bis heute gültigen Neuregelung der Rentenansprüche von Spätaussiedlern, durch welche ihnen seither unabhängig von ihrer Berufsbiografie und der Lebensarbeitsleistung nur noch maximal 25 Entgeltpunkte angerechnet werden.

„Dies führt vielfach zu Rentenbezügen, die unterhalb der Armutsgrenze liegen. Angesichts der großen Zahl der Betroffenen, birgt dieses soziale Problem ein nicht unerhebliches politisches und soziales Konfliktpotential und führt den betroffenen Personenkreis in die Altersarmut“, erklärt die Hessische Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, Margarete Ziegler-Raschdorf. Die damalige Reform habe weder das besonders schwere Kriegsfolgeschicksal der Deutschen aus Russland berücksichtigt, noch, dass ihnen die Ausreise in die Bundesrepublik jahrzehntelang verwehrt war. „Ebenfalls ausgeklammert wurde, dass der Zuzug von Spätaussiedlern bilanziell ein Gewinn für die Rentenkasse war“, führt Ziegler-Raschdorf aus. Da der Anteil der über Sechzigjährigen halb so hoch gewesen sei als der der einheimischen Bevölkerung, gleichzeitig aber jener der unter Zwanzigjährigen doppelt so groß, zahlten ihr zufolge Spätaussiedler und deren Nachkommen mehr in die deutschen Rentenkassen ein als an diese selbst zurückfließen würde. In den Jahren 1989 bis 2000 hätten sie 37,8 Milliarden DM mehr in diese eingezahlt als sie daraus in Anspruch genommen hätten.

„Heute sehen sich rund 760.000 Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler von den damaligen Rentenkürzungen betroffen. Angesichts der Gefahr von Altersarmut nach einem arbeitsreichen Leben und oftmals leidvollen Schicksal, ist der Unmut unter den Betroffenen nur allzu verständlich“, so die Landesbeauftragte. Auch weil die Regelung seinerzeit vor allem mit Blick auf das niedrigere Lohnniveau in den neuen Bundesländern und aus Sorge vor möglichen Ungleichgewichten vorgenommen worden war, weist Landesbeauftragte Ziegler-Raschdorf auf die inzwischen veränderte Situation hin: „Das Rentenniveau in den neuen Bundesländern liegt heute bei 94 % des Westniveaus und nähert sich diesem weiter an. Damit ist aus meiner Sicht auch einer der wesentlichen Gründe für die Rentenkürzung entfallen. Der Nachteilsausgleich beschränkt sich auf die Renten älterer Spätaussiedler und belastet die Rentenkasse nicht auf Dauer. Nachkommen und jüngere Spätaussiedler zahlen selbst in die Rente ein, beziehen keine Fremdrente mehr, sondern erwerben ihren eigenen Rentenanspruch in Deutschland. Im aktuell vorgelegten Kabinettsbeschluss der Bundesregierung ist eine Veränderung bei Spätaussiedlerrenten leider nicht erwähnt. Jedoch sollten diese Argumente Berücksichtigung finden. Das Bundesland Hessen hat bereits einer entsprechenden Bundesratsinitiative des Landes Bayern im letzten Jahr zugestimmt und setzt sich für eine Beseitigung der Benachteiligung bei Spätaussiedlerrenten ein. In den weiteren Beratungen des Deutschen Bundestages und seiner Fachausschüsse zum Gesetzentwurf der Bundesregierung muss das Thema auf den Tisch gebracht und gelöst werden.“

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