Kaliningrad als Sprungbrett

Russlanddeutsche verbinden Deutschland und Russland. Nicht nur in der Kultur. Auch in der Wirtschaft ist die Gruppe mit den beiden Vaterländern sehr aktiv – das zeigte das dritte Kultur- und Geschäftsforum in Kaliningrad.

Sie polieren, schleifen und schneiden – und das auch noch schnell und präzise: Die blauen Industrieroboter des russlanddeutschen Unternehmers Waldemar Weiz aus Kürten in Nordrhein-Westfalen sind ziemlich vielseitig. Vielleicht könnten sie in nicht allzu ferner Zukunft sogar bei mehrstündigen Operation assistieren.

Das wünscht sich zumindest Wladimir Baitinger, der die blauen Technikwunder Ende September auf dem Kultur- und Geschäftsforum „Made by Deutschen in Russland. Information. Integration. Bilanz“ in Kaliningrad bestaunte.

Die präzisen Arbeitsabläufe von Robotern und Ärzten seien sich oft ziemlich ähnlich, erklärt der Mikrochirurg aus dem sibirischen Tomsk. Jeder Handgriff müsse sitzen, immerhin gehe es oft um millimeterkleine Gefäße und Nerven. Ein Roboter könne als Hilfe da ziemlich nützlich sein. Doch auf die technische Unterstützung muss der Facharzt vorerst noch etwas warten. „Das ist eine sehr teure Entwicklung, die Millionen an Investitionen benötigt“, vertröstet Unternehmer Weiz seinen Interessenten auf die Zukunft. Zudem gebe es eine andere Ebene der Verantwortung, wenn Maschinen selbst chirurgische Eingriffe vornehmen sollen. „Das eine ist, ein Detail bei einem Türgriff zu bearbeiten“, gibt er zu bedenken, „und das andere, kleinste Gefäße zu operieren.“ Für alle Fälle tauschten die beiden Männer ihre Visitenkarten.

Für genau solche Gespräche hat der Internationale Verband der Deutschen Kultur vor zwei Jahren das Forum ins Leben gerufen. Vertreter kleiner- und mittelständischer Unternehmen sollen hier mit Politikern sowie Experten aus der Kulturbranche aus beiden Ländern Kontakte knüpfen, sich austauschen und Geschäfte auf den Weg bringen.

„Möglich macht diese Veranstaltung der gute Ruf und die Professionalität der Russlanddeutschen“, lobt Igor Barinow, Leiter der Föderalen Agentur für Nationalitätenangelegenheiten Russlands. Auch von deutscher Seite wird der Unternehmergeist der deutschen Minderheit begrüßt. „Die Brückenbauerfunktion beschränkt sich nicht nur auf zivilgesellschaftliches und kulturelles Engagement“, betont Bernd Fabritius, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. „Auch in der Wirtschaftswelt kommt sie an.“

Nach ersten Stationen in Bayreuth und Omsk fand das Forum in diesem Jahr zum ersten Mal in Kaliningrad statt. Für diese Wahl sprach nicht nur die parallel in der Stadt tagende Deutsch-Russische Regierungskommission für die Angelegenheiten der Russlanddeutschen. Auch wirtschaftliche Gründe fielen zugunsten der Stadt in die Waagschale. Denn das ehemalige Königsberg wird für interessierte Investoren zunehmend attraktiver. Der Grund: Das gesamte Gebiet Kaliningrad ist eine Sonderwirtschaftszone, die Unternehmer mit Steuervorteilen und Subventionen lockt.

„Kaliningrad fehlt der Zusammenhalt mit dem russischen Wirtschaftsraum“, erklärt die besondere Insellage der Region Andreas Knaul, Managing Partner bei der Wirtschaftskanzlei Roedl & Partner. Doch der eigentliche Nachteil sei in diesem Fall auch ein besonderes Plus: Denn die europäischen Staaten und ihre Absatzmärkte lägen gleich um die Ecke.

Das hat beispielsweise das russische Unternehmen „Efko“ aus der Kleinstadt Aleksejewka im Gebiet Belgorod im Auge. Die Firma ist Marktführer für Spezialfette, die beispielsweise in Süßwaren und Gebäck verwendet werden. Efko möchte expandieren und betrachtet das Gebiet Kaliningrad als möglichen Standort.

Auch Horst Wiesent, Leiter der SeniVita Unternehmensgruppe, spricht die Lage von Kaliningrad an. Der Unternehmer gründete eine bilinguale Berufsfachschule für Pflegekräfte zwischen Deutschland und China. „Das Konzept wäre auch hier denkbar“, so Wiesent. Doch zuerst müssen sich als Vorläufer fünf bis zehn junge russische oder russlanddeutsche Menschen finden, die die Ausbildung machen könnten. Der zweite Schritt wäre dann, einen Lehrplan mit der russischen Regierung zu entwickeln.

Der Artikel erschien in der Moskauer Deutschen Zeitung Nr. 19 (482) Oktober 2018.

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