Risse im Fundament: Aus für Deutsch-Russisches Haus in Barnaul. Aufregung auch in Kaliningrad

Turbulente Zeiten für zwei Deutsch-Russische Häuser: Der Einrichtung in Barnaul droht das Aus, weil der Gebiets-Regierung das Geld fehlt. In Kaliningrad hingegen ist das Haus der Russlanddeutschen beinahe als „ausländischer Agent“ gebrandmarkt worden. 

Turbulente Zeiten für zwei Deutsch-Russische Häuser: Der Einrichtung in Barnaul droht das Aus, weil der Gebiets-Regierung das Geld fehlt. In Kaliningrad hingegen ist das Haus der Russlanddeutschen beinahe als „ausländischer Agent“ gebrandmarkt worden.

In keiner der 83 russischen Regionen leben so viele Russlanddeutsche wie im Gebiet Altai. 50 701 waren es bei der letzten Volkszählung – und Gouverneur Alexander Karlin ist einer von ihnen. Doch nun steht in der Gebietshauptstadt Barnaul, wo er seinen Sitz hat, offenbar das Deutsch-Russische Haus vor der Schließung. Wie die Barnauler Nachrichtenagentur Bankfax unter Berufung auf unbestätigte Informationen aus der Regionalregierung berichtet, sind dafür – und für zwei weitere Kultureinrichtungen – im Haushalt des kommenden Jahres keine Mittel vorgesehen. Sie sollen anderweitig genutzt werden, das Deutsch-Russische Haus etwa als Sitz des Presseamts der Regierung. Im Vorfeld waren Sparpläne im Zusammenhang mit den negativen wirtschaftlichen Aussichten bekannt geworden.

Das Deutsch-Russische Haus in Barnaul besteht seit 1998. Gegründet wurde es auf gemeinsame Initiative Russlands und Deutschlands in einem historischen Gebäude im Stadtzentrum, als es eine große Auswanderungswelle von Russlanddeutschen nach Deutschland gab und das Bestreben darauf gerichtet war, der Minderheit auch in Russland Perspektiven zu bieten. Und als die deutsch-russischen Beziehungen unter einem besseren Stern standen als heute. Finanziert wurde das Haus ebenfalls von beiden Seiten. Das deutsche Innenministerium überwies pro Jahr umgerechnet etwa sieben Millionen Rubel an das Haus, in etwa der gleiche Betrag kam von Russland. Mit diesen Mitteln wurden soziale und kulturelle Programme getragen, die sich in erster Linie an Russlanddeutsche richteten. Dazu gehören etwa Kuraufenthalte für politisch Verfolgte aus Sowjetzeiten, Konzerte, Seminare und Sprachkurse.

Für den Internationalen Verband der Deutschen Kultur (IVDK) in Moskau kommt die jetzige Entwicklung nicht ganz überraschend. Sein Vorsitzender Heinrich Martens sagt, er habe nicht zuletzt das deutsche Innenministerium mehrfach gewarnt, dass sich in Barnaul eine „Katastrophe“ abzeichne. Falls sich die Informationen bewahrheiteten, sei das ein „Schlag ins Gesicht“ der Russlanddeutschen und ein „gefährlicher Präzedenzfall“, der nicht im Einklang stehe mit der offiziellen Politik Russlands gegenüber Völkern, die unter den Stalinschen Deportationen gelitten hätten. „Die Deutsch-Russischen Häuser waren auch als Teil der historischen Aufarbeitung gedacht. Wenn sie geschlossen werden, kann man das nur als Rückschritt bei der Unterstützung der Opfer bezeichnen.“

Der IVDK behalte sich vor, bei der russischen wie der deutschen Regierung gegen diese „nicht hinnehmbare“ Entscheidung zu intervenieren. Auch das Deutsch-Russische Haus in Kaliningrad ist zwischenzeitig in Schwierigkeiten geraten, allerdings aus einem anderen Grund. Anfang November wurde es von den Behörden auf politische Aktivität hin geprüft. Das 1993 gegründete Haus wird von Deutschland finanziert. Gemäß dem umstrittenen russischen NGO-Gesetz müssen sich vom Ausland finanzierte Organisationen als „ausländische Agenten“ registrieren lassen, wenn sie politischer Tätigkeit nachgehen. Grund für die Untersuchungen sei eine Rede des deutschen Vizekonsuls in Kaliningrad gewesen, die dieser am 28. August im Deutsch-Russischen Haus gehalten hat, erklärt dessen Präsident Viktor Hoffmann. In der Rede anlässlich des Jahrestages der Deportation von Russlanddeutschen hatte der Diplomat die russische Politik scharf kritisiert. „Viele der Zuhörer haben schockiert reagiert“, berichtet Hoffmann. Bereits im Vorfeld habe man Lissner darauf hingewiesen, dass man bei Veranstaltungen im eigenen Haus keine politischen Inhalte wünsche. Das Generalkonsulat habe sich daraufhin für den Vorfall entschuldigt – bei der Rede Lissners handle es sich um eine persönliche Meinung. Medienberichten zufolge wurde Lissner kurz nach dem Vorfall nach Kiew versetzt.

Inzwischen sei der Verdacht gegen sein Haus fallen gelassen worden, sagt Hoffmann. „Die Behörden haben festgestellt, dass bei uns alles in Ordnung ist.“ Offenbar konnte in diesem Fall das deutsche Innenministerium ein gutes Wort für die deutsche Einrichtung einlegen: Während der Untersuchungen hätten sich seine Vertreter zufällig in Kaliningrad aufgehalten. So hätten sie mit den russischen Kontrolleuren sprechen können, so Hoffmann.

INFO: Die Deutsch-Russischen Häuser
Insgesamt gibt es in Russland fünf Deutsch-Russische Häuser: zwei in Kaliningrad und Moskau, die rein deutsch finanziert sind, und drei in den sibirischen Städten Nowosibirsk, Tomsk und Barnaul, die zu den staatlich-kulturellen Einrichtungen für Russlanddeutsche gehören. Die jeweiligen russischen Regionen finanzieren ihre Infrastruktur und Personalkosten, das deutsche Innenministerium die Projekte.

Von Tino Künzel und Maria Galland

(Der Artikel ist im Original zuerst erschienen in der Moskauer Deutschen Zeitung am 20.11.2014).

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