Die regionale National-Kulturelle Autonomie der Deutschen in Krasnojarsk feiert ihr 10-jähriges Bestehen


Zusammen mit dem Internationalen Verband der deutschen Kultur, der mehr als 500 öffentliche Organisationen der Russlanddeutschen vereint, werden 20 Organisationen ihre Jubiläen feiern. Darunter auch die regionale National-Kulturelle Autonomie der Deutschen in Krasnojarsk, eine der größten nationalen Gemeinschaften im Gebiet Krasnojarsk. Diese öffentliche Organisation beschäftigt sich mit dem Erhalt der deutschen Kultur und Sprache, und fördert die Traditionen der Russlanddeutschen in ihrer Heimat.

Im Gebiet Krasnojarsk leben sehr viele Nationalitäten. Einige Menschen kamen freiwillig und andere wurden gezwungen, dort sesshaft zu werden. Die ersten deutschen Gemeinschaften entstanden in Sibirien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der größte Zustrom von Deutschen in das Gebiet Krasnojarsk erfolgte in den Vorkriegsjahren und zur Zeit des Großen Vaterländischen Krieges. Bis zum 1. November 1941 wurden 77.359 Menschen deutscher Herkunft in das Gebiet Krasnojarsk deportiert. Die Deutschen wurden auf 42 Stadtkreise des Gebietes aufgeteilt.

Heute leben im Gebiet Krasnojarsk rund 23.000 Deutsche, davon mehr als 4.000 in der Hauptstadt der Region. Die Russlanddeutschen gehörten zu den ersten, die ein System von öffentlichen Organisationen entwickelten, deren wichtigstes Ziel die Wiederbelebung der nationalen Tradition und Kultur ist.

Im Jahr 2011 wurde in der Region die National-Kulturelle Autonomie der Deutschen in Krasnojarsk gegründet, die bis heute noch aktiv ist. Wir sprachen mit der Leiterin der Organisation, Olga Kulschmanowa.

RD: Wie begann die Geschichte Ihrer regionalen National-Kulturellen Autonomie der Deutschen in Krasnojarsk? Wer beteiligte sich an der Gründung? Wie entstand die Organisation?

O. K.: Am 29. Oktober 1989 fand in Krasnojarsk eine konstituierende Konferenz statt, auf der das Programm des Verbandes des Gebietes bestätigt und zum Vorsitzenden Viktor Fuchs, Gebürtiger der Autonomen Republik der Wolgadeutschen, Kriegskämpfer des Großen Vaterländischen Krieges und Trudarmist, gewählt wurde.

Die regionale Gesellschaft der Deutschen in Krasnojarsk „Wiedergeburt“ wurde durch den Beschluss des Exekutivkomitees des regionalen Rates der Volksabgeordneten von Krasnojarsk am 26. September 1990 als eine freiwillige soziale, kulturelle und pädagogische Organisation der Bürger registriert, deren Ziel die Erhaltung und Entwicklung der nationalen Kultur, der Muttersprache und der Traditionen der Sowjetdeutschen ist.

Im Jahre 1998 wurde die Gemeinschaft in die regionale National-Kulturelle Autonomie der Russlanddeutschen in Krasnojarsk umorganisiert. Die Leiter der Organisationen zu verschiedenen Zeiten waren A. Hamburg, O. Besgans, W. Spanagel, E. Kern, W. Felde und N. Agapowa. Später gab es eine erneute Reorganisation und die Deutsche National-Kulturelle Gemeinschaft wurde gegründet.

Im Jahr 2010 wurden lokale National-Kulturelle Autonomien der Deutschen in Krasnojarsk, Kansk und Lessosibirsk gegründet.

RD: Olga, welche Tätigkeitsbereiche und Projekte haben sich in den 10 Jahren produktiver Arbeit als besonders wichtig erwiesen?

O. K.: Das Wichtigste unserer Arbeit ist der Erhalt der Nationalsprache und kultureller Traditionen. Jährlich sind bis zu 25 Sprach- und ethnokulturelle Klubs in den Zentren der deutschen Kultur tätig, bei denen das ganze Jahr über bis zu 500 Russlanddeutsche, ihre Familienmitglieder und Freunde in die kulturellen Traditionen der Deutschen in Russland eintauchen.

Die Leiter der Klubs sind LehrerInnen der deutschen Sprache, der Dialektologie, der Geschichte, der Literatur, des Gesangs, der Choreografie, der darstellenden Kunst, der Malerei und des Zeichnens, der angewandten Kunst sowie des Sports.

Unsere Organisation ist ein regelmäßiger Initiator von Treffen zur Organisation der sprachlichen und ethnokulturellen Arbeit mit jungen Menschen in dem Gebiet Krasnojarsk. Im August 2010 organisierten wir für Jugendliche mit Grundkenntnissen der deutschen Sprache ein linguistisches Ferienlager für den Sommer.

Junge LehrerInnen und SprachassistentInnen aus Deutschland und Russland, Kinder, die Deutsch lernen und diejenigen, die gerade erst begonnen haben, diese Sprache zu lernen, aus den Gebieten Krasnojarsk, Altai, Nowosibirsk, Irkutsk und Tschita wurden eingeladen, an den Ferienlagern in Krasnojarsk teilzunehmen.

Jedes Jahr nehmen die Klubmitglieder und Liebhaber der deutschen Sprache und Traditionen aktiv an den Projekten des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur teil: dem Wettbewerb „Freunde der deutschen Sprache“ und der internationalen Aktion „Tolles Diktat“.

Im Jahr 2021 nahmen 1205 Personen von insgesamt 2980 Teilnehmern aus dem Gebiet Krasnojarsk bis nach Tschukotka am deutschen Diktat teil. Wir haben 25 von 69 Plattformen für die Aktion organisiert.

Das Zentrum der deutschen Kultur an der Staatlichen Pädagogischen Universität in Krasnojarsk (Direktorin V. Djatlowa) leistet umfangreiche Forschungsarbeit. Im Jahr 2004 wurde auf Initiative des Zentrums in Krasnojarsk die wissenschaftliche Konferenz „Deutsche aus Sibirien: Geschichte, Sprache, Kultur“ durchgeführt. Im November 2011 war die deutsche national-kulturelle Gemeinschaft einer der Organisatoren der Konferenz „Deutsche Dialekte in Russland: Geschichte, Gegenwart und Zukunft russlanddeutscher Dialektforschung“, die an der Staatlichen Pädagogischen Astafjew-Universität Krasnojarsk stattfand. Forscher aus Russland und Deutschland trafen sich in der Hauptstadt des Gebiets, um Erfahrungen und Pläne für die weitere Arbeit auf dem Gebiet der russlanddeutschen Dialektforschung auszutauschen.

Bei uns werden viele Projekte für junge Menschen entwickelt. Vertreter der Jugendklubs organisierten verschiedene Projekte, welche die Interessen der jungen Russlanddeutschen widerspiegeln, z. B. das Projekt „Die Puppe in deutscher nationaler Tracht“. Es wurde eine Kollektion von Puppen mit Trachten verschiedener Bundesländer erstellt.

Zu den Projekten der Jugendlichen gehören „Der deutsche Beitrag in der Geschichte Russlands am Beispiel der Briefmarkensammlung von G. Goldmann“, die elektronische Exkursion „Das Kapitel ‚Krasnojarsk‘ der Geschichte der Russlanddeutschen“, die Präsentation der Gerichte der deutschen Nationalküche „Das Rezept meiner Großmutter“ sowie das Forschungsprojekt „Die Geschichte des Kinderspielzeugs“.

Im Jahr 2019 wurde zusammen mit dem Jugendklub in Moskau und dem Jugendring der Russlanddeutschen eine Reihe von Seminaren zum Erforschen der eigenen Familiengeschichte und zum Erstellen des eigenen Stammbaumes „Mobile Welt. Ahnenforschung und die Geschichte der Familie – Brücken, welche die Zeit mit den Völkern verbinden“ durchgeführt. Das Projekt fand in Krasnojarsk, Jenisseisk und Lessosibirsk statt. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass unsere deutschen Jugendlichen aktive TeilnehmerInnen und HelferInnen in allen ethnokulturellen Projekten sind.

RD: Bieten Sie soziale Hilfe für Menschen im Rentenalter an?

O. K.: Ja, wir haben einen gut ausgebauten Sozialdienst. Der Tätigkeitsbereich umfasst die soziale Rehabilitation und Gesundung von ehemaligen Trudarmisten und Unterdrückten, die Bereitstellung von Lebensmittelpaketen, Kuraufenthalte und finanzielle Nothilfe für ältere Russlanddeutsche, die in schwierige Lebenssituationen geraten sind. Ebenfalls haben wir Seniorenklubs und es wurde eine Schirmherrschaft entwickelt.

RD: Wie viele öffentliche Organisationen der Russlanddeutschen im Gebiet Krasnojarsk vereint Ihre Organisation heute?

O. K.: Wir verwalten zwei lokale National-Kulturelle Autonomien der Deutschen in Krasnojarsk und Kansk, sowie neun Zentren der deutschen Kultur in verschiedenen Munizipalitäten im zentralen und nördlichen Teil des Gebiets: Lessosibirsk (Leiter M. Sawtschenko), Jenisseisk (Leiter A. Wingert), Atschinsk (Leiterin W. Baschmakowa), Diwnogorsk (Leiterin E. Potschekutowa), Siedlung Jemeljanowo (Leiterin E. Suhowa), Siedlung Balachta (Leiterin J. Domahina), Kirchendorf Pirowskoje (Leiterin W. Syrjanowa), Siedlung Bolschaja Murta (Leiterin I. Kosmatowa), Kirchendorf Gregorijewka des Gebiets Kansk (Leiterin I. Gogidse).

RD: Normalerweise stehen National-Kulturelle Autonomien der Regionen in einem engen Kontakt. Pflegen Sie kulturelle Partnerschaften mit Autonomien anderer Nationalitäten?

O. K.: Die regionale National-Kulturelle Autonomie (NKA) in Krasnojarsk ist Mitglied der Gesellschaftskammer der National-Kulturellen Autonomien sowie der Bürgerversammlung des Gebiets Krasnojarsk. Außerdem nimmt sie aktiv am Kultur- und Bildungsangebot von Krasnojarsk und des Gebietes teil und kooperiert mit der föderalen NKA der Russlanddeutschen, der Assoziation gesellschaftlicher Vereinigungen „Internationaler Verband der deutschen Kultur“ und anderen deutschen Strukturen in Russland und im Ausland.

Im Juni 2018 startete die NKA ein Projekt: Der Wettbewerb des präsidialen Zuschussfonds „Brücken – Möglichkeiten für Kinder und Jugendliche bei dem Erlernen der nationalen Geschichte, der Kultur und des Sports der Völker des Gebiets Krasnojarsk schaffen“.

Das Projekt zielt darauf ab, die junge Generation von Krasnojarsk, vor allem nationale Vertreter des Gebiets, Menschen mit Behinderung, Waisen und Kinder ohne elterliche Fürsorge in die pädagogische Freiwilligenbewegung einzubeziehen. Unsere Organisation erfüllt eine aufklärende und vereinigende Mission und arbeitet mit anderen ethischen Minderheiten zusammen, die in dem Gebiet leben.

RD: Ihr Fußballverein ist in Russland sehr bekannt. Erzählen Sie ein wenig darüber.

O. K.: Im September 2017 hat die regionale National-Kulturelle Autonomie der Deutschen in Krasnojarsk den Fußballverein „Krasdeutsch“ gegründet. Der Fußballverein entwickelt sich aktiv und besteht auf finanziellen Mitteln der Teilnehmer selbst. Auch wird an Wettbewerben unterschiedlichen Niveaus teilgenommen. Bei den Wettbewerben in den Jahren 2018 und 2019 wurde der Fußballverein der Deutschen in Krasnojarsk der Sieger in der Meisterschaft der Stadt Krasnojarsk und des Gebiets. Die Mannschaft wurde eine der stärksten unter den Mannschaften des Föderationskreises Sibirien. Die Fußballer des Vereins in Krasnojarsk sind in die Fußballmannschaft der Russlanddeutschen eingetreten und sind bereit, die Mannschaft der Russlanddeutschen bei dem internationalen Turnier zu vertreten.

Der Sport und die Kultur werden von uns als ein effektives Instrument der Volksdiplomatie betrachtet, dass den Respekt für die Kultur, die Geschichte und den Sport der verschiedenen Völker des Gebiets formt. Die Auswirkungen davon sollten der Aufbau gutnachbarlicher Beziehungen, der Frieden und die Konsolidierung sein.

RD: Die Kreativität ist eines der Merkmale Ihrer Organisation. Erzählen Sie uns von Ihren Ausstellungen sowie von den Kooperationen mit verschiedenen KünstlerInnen und Ateliers.

O. K.: Die Ausstellung „Am Scheideweg der Zeit“ ist ein konstanter Besuchererfolg. Im Jahr 2003 wurde die Ausstellung von dem Künstler Wassilij Slonow aus Krasnojarsk eingerichtet. Auf der Ausstellung in dem Zentrum für Kultur und Geschichte wurden Gäste willkommen geheißen und es gab Workshops, die für Klubteilnehmer und Bewohner der Stadt entwickelt wurden. Es war ein langfristiges Projekt in Zusammenarbeit mit dem Kulturministerium des Gebiets Krasnojarsk und dem Zentrum für Kultur und Geschichte.

Im Jahr 2013 war die regionale deutsche Autonomie einer der Organisatoren der Wanderausstellung „Die Deutschen in der russischen Geschichte“ in Krasnojarsk. Die Ausstellung wurde vom IVDK gegründet und besteht bis heute noch. Die Ausstellung wurde von Einwohnern und Gästen aus Krasnojarsk, Kansk, Jenisseisk und der Siedlung Bolschaja Murta besucht.

Leider konnte die Ausstellung wegen der Pandemie im Jahr 2020 nicht in den Städten Atschinsk und Diwnogorsk durchgeführt werden, aber wir hoffen, dass sie in der Zukunft ihre Reise fortsetzen wird und die Bewohner anderer Teile des Gebiets Krasnojarsk faszinieren wird.

In unserer Organisation wurde die kreative Vereinigung „KünstlerInnen – Deutsche in Sibirien“ gegründet. Lyrische Landschaften und die Weiten der heimischen Natur: Unsere KünstlerInnen verherrlichen die Schönheit des harten und majestätischen sibirischen Landes. Wenn man sich die Werke von Jurij Gintner, Mitglied der Künstlervereinigung in Russland und Ehrenbürger der Stadt Atschinsk, ansieht, vergisst man für einen Augenblick die Mühen des Lebens, als ob man in eine ganz andere Welt versetzt wird, in der es keine Hektik und Zivilisation gibt.

Die Kreativität des Künstlers Alexander Popp aus Krasnojarsk, ebenfalls Mitglied der Künstlervereinigung in Russland, wird mit einer Reihe von grafischen Porträts repräsentiert, die psychologisch subtil und zurückhalten sind. In Alexander Popps Landschaften spürt man eine bedingungslose Liebe zur Urerscheinung der Erde, zur geheimnisvollen Welt der Felsen, Berge und Wolken sowie zur rätselhaften Welt, die eingehüllt in den Atem der Ewigkeit ist.

Die Stillleben und Landschaften von Nadeschda Wirt verkörpern die Leichtigkeit, Harmonie und Inspiration. Die Serie „Schmetterlinge“ lässt den Betrachter in eine fantastische Welt eintauchen, nachdenken und zum Mitgestalter der Schöpfung werden.

Nadeschda Wirt arbeitete von 1983 bis 2000 als Lehrerin und Leiterin der Kinderkunstschule in Kansk, und lebt und arbeitet jetzt in Krasnojarsk, unterrichtet und bereitet zukünftige KünstlerInnen auf die Zukunft vor. Ihre kleinen Schüler nehmen regelmäßig an den von uns organisierten Wettbewerben und Ausstellungen von Kinderzeichnungen und -bildern teil.

Im Jahr 2021 planen wir eine neue Wanderausstellung „Das deutsche Wolgagebiet“, die dem 100-jährigen Jubiläum der Wolgadeutschen Republik gewidmet ist. Wir planen, die Ausstellung in allen Zentren der deutschen Kultur des Gebiets Krasnojarsk und der Republik Chakassien zu zeigen.

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