Der internationale Runde Tisch hat seine Arbeit in der Wolgaregion beendet


Der internationale Runde Tisch über den Großen Vaterländischen Krieg und das Schicksal der Sowjetdeutschen beendete seine Arbeit am 22. August in Engels. Drei Tage lang arbeiteten bekannte und junge Forscher zur Geschichte der Russlanddeutschen aus Russland und dem Ausland im staatlichen historischen Archiv der Wolgadeutschen in Engels, hörten Vorträge und nahmen an Diskussionen teil.

Der erste Tag war dem 80. Jahrestag der Deportation der Sowjetdeutschen gewidmet. Die Mitarbeiter des Archivs führten eine Exkursion durch und zeigten den Teilnehmern die Sammlungen und Ausstellungsräume.

„Im Jahre 1941 hatte das Archiv schon über 300.000 Dokumente aus allen Kantonen angesammelt. Alle Dokumente sind in einem guten Zustand und wir stellen sie für die Nachforschung im Lesesaal zur Verfügung. Bis in die 1990er-Jahre waren sie unter Verschluss und für viele Wissenschaftler waren einige Dokumente eine echte Entdeckung. Das Archiv wird derzeit vervollständigt und wir sammeln Dokumente derjenigen, die die Wolgaregion verlassen haben“, so die Mitarbeiter des Archivs.

Elena Geidt, Vizepräsidentin der Föderalen National-Kulturellen Autonomie der Russlanddeutschen, begrüßte die Teilnehmer. Sie dankte den jungen Forschern für den Beitrag zur Erforschung der Geschichte der Russlanddeutschen.

Außerdem richtete sich Elisaweta Graf, stellvertretende Vorsitzende des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur, mit folgenden Worten an die Teilnehmer: „Der Runde Tisch wird nicht nur mit der Unterstützung von öffentlichen Organisationen der Russlanddeutschen, sondern auch vom Bayrischen Kulturzentrum der Deutschen aus Russland und dem Nordost-Institut der Universität Hamburg durchgeführt“.

Es ist erfreulich, dass sich die jungen Menschen für die Geschichte ihres Volkes interessieren. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Beschäftigung mit ethnischer Geschichte in Schulen mit ethnokultureller Komponente. Damit wird ein gewisser Grundstein dafür gelegt, dass sich junge Menschen auch in Zukunft für dieses Thema interessieren.

Eröffnet wurde der Runde Tisch von Arkadij German, Doktor der Geschichtswissenschaften, Leiter des Lehrstuhls für russische Geschichte in der Neuzeit am Institut für Geschichte und internationale Beziehungen der Staatlichen Universität Saratow und Vorsitzender der Internationalen Assoziation zur Erforschung der Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen. Er sprach über „Die Sowjetdeutschen in den ersten Kriegsmonaten. Deportation und ihre Folgen“.

„Vom 3. bis 20. September 1940 erfolgte die Deportation der Sowjetdeutschen. Etwa 365.000 Deutsche wurden aus dem Gebiet der Wolgadeutschen Republik, 26.000 aus dem Gebiet Stalingrad und 47.000 aus dem Gebiet Saratow vertrieben.

Nicht die Deportation zerstörte das Leben der Sowjetdeutschen, sondern die Beschuldigung, dass sie Landesverräter seien.

Viele Völker wurden zwanghaft aus bestimmten Gebieten vertrieben und hatten trotzdem die Möglichkeit, wieder zurückzukehren. Die Sowjetdeutschen jedoch nicht“, betonte Arkadij German.

Ebenfalls am ersten Tag des Runden Tisches wurden die Vorträge „Sowjetdeutsche an der Front des Großen Vaterländischen Krieges“ von Igor Schulga, Kandidat der Historischen Wissenschaften, und „Sowjetdeutsche in der Arbeitsarmee“ von Viktor Kirillow, Doktor der Geschichtswissenschaften, präsentiert.

Igor Schulga erzählte in seinem Vortrag von dem Rückzug der Sowjetdeutschen aus der Roten Armee. Es ist bekannt, dass etwa 12.000 Deutsche von der Front abgezogen wurden. Sie wurden den Bau-Bataillonen zugewiesen und bauten Lager, in denen sie später selbst zu Gefangenen wurden.

„Ich glaube, dass es keine Gründe für den Rückzug der Sowjetdeutschen aus der Roten Armee durch die militärische und politische Führung des Landes gab. Es gab einfach keinen Grund für den Rückzug und nach dem gleichen Prinzip wurden Befehle erteilt. Die Ereignisse haben gezeigt, dass die Sowjetdeutschen einen größeren Beitrag zur Niederlage der nationalsozialistischen Truppen geleistet hätten, wenn die Parteiführung nicht solche diskriminierenden Maßnahmen ergriffen hätte“, betonte Igor Schulga.

Viktor Kirillow erzählte von den Trudarmisten in den Besserungsarbeitslagern im Ural. Viktor beschäftigt sich mit historischer Fachinformatik und elektronischen Gedenkbüchern. Seit vielen Jahren digitalisiert er die Archive der Lager in dem Gebiet Swerdlowsk, in denen die sowjetdeutschen Trudarmisten inhaftiert waren. Dank dieser Arbeit konnten rund 30.000 Menschen rehabilitiert werden.

Der zweite und dritte Tag des Runden Tisches war den Problemen der Vorkriegsgeschichte der Deutschen in Russland und der Wolgaregion sowie dem Schicksal der Deutschen in der poststalinistischen Sowjetunion, in Russland und anderen postsowjetischen Ländern gewidmet.

Über die katholische Kirche in Russland und der Wolgaregion der Jahre 1901-1928 sprach die Doktorin der Geschichtswissenschaften und Professorin, Olga Litzenberger, in einem Online-Vortrag. Viktor Denninghaus, Doktor der Geschichtswissenschaften und Professor, hat online einen Vortrag über das „‘Territorium der Loyalität‘ im westlichen Grenzgebiet der UdSSR in den 1930er-Jahren: von einmaligen ‚Säuberungen‘ bis zur Massendeportation“ gehalten. Über die antireligiöse Kampagne in der Wolgaregion Saratow in den 1930er-Jahren berichtete Schanna Jakowlewa, Kandidatin der Historischen Wissenschaften.

Zum Abschluss des Runden Tisches wurden folgende Themen behandelt: „Sowjetdeutsche in der poststalinistischen Sowjetunion (1955-1991)“ von Wladimir Hasin (Kandidat der Historischen Wissenschaften), „Deutsche im modernen Russland und im postsowjetischen Raum. Russlanddeutsche Auswanderung nach Deutschland“ von Anton Lutschnikow (Kandidat der Historischen Wissenschaften), „Das moderne System der Selbstorganisation der Russlanddeutschen“ von Elena Geidt (Leiterin der National-Kulturellen Autonomie der Deutschen des Stadtkreises Marx) und „Deutsche im modernen Usbekistan“ von Dilaram Inojatowa (Doktorin der Geschichtswissenschaften).

Der internationale Runde Tisch umfasste neben Vorträgen auch Präsentationen von jungen Forschern zur russlanddeutschen Geschichte und Kultur. Konstantin Andrejew, Leiter des Bildungszentrums des Museums für die Geschichte des Gulags, sprach über die Besonderheiten der Wahrnehmung des Themas der Unterdrückung durch die moderne Jugend am Beispiel der Arbeit des Museums. Der Vorsitzende des Jugendrings der Russlanddeutschen, Evgenij Wagner, berichtete über seine Erfahrungen bei der Organisation der Bewahrung der historischen Erinnerung der Völker durch junge Russlanddeutsche. Die Familienforscherin Olga Bondarenko zeigte anhand einer Personalakte eines Unterdrückten, wie dies als genealogische Quelle genutzt werden kann.

Wir möchten hinzufügen, dass die Teilnehmer des Runden Tisches auch die Präsentation des zweibändigen Buches „Die Wolgadeutschen“ von Jelisaweta Jerina besuchten, an der Eröffnung der Fotoausstellung „Das Deutsche Wolgagebiet. Eine unvollendete Fotochronik“ teilnahmen, sich ein Konzert der Gewinner des Edwin-Fritzler-Festival-Wettbewerbs anhörten und historische Stätten der Wolgadeutschen besuchten.

Übersetzt aus dem Russischen von Evelyn Ruge

Rubriken: 80. Jahrestag der Deportation