Setzen, Sechs Immer weniger Schulleiter setzen auf deutschen Fremdsprachunterricht 1,9 Millionen russische Schüler lernen Deutsch in der Schule. Das ist eine beeindruckende Zahl. Aber die Situation ist längst nicht so gut, wie sie mal war und auch nicht so gut, wie sie das Goethe-Institut gern hätte. Deshalb startet im Herbst die bislang größte Werbekampagne für die deutsche Sprache in Russland. Das Goethe-Institut reagiert damit auf einen Trend, der schon seit mehreren Jahren zu beobachten ist. Deutsch verschwindet mehr und mehr aus den Lehrplänen russischer Schulen. Schulleiter, Schüler und Eltern wollen von der Sprache Schillers und Goethes immer weniger wissen. Deutschlehrer verlieren ihre Arbeit. 

Setzen, Sechs
Immer weniger Schulleiter setzen auf deutschen Fremdsprachunterricht

1,9 Millionen russische Schüler lernen Deutsch in der Schule. Das ist eine beeindruckende Zahl. Aber die Situation ist längst nicht so gut, wie sie mal war und auch nicht so gut, wie sie das Goethe-Institut gern hätte. Deshalb startet im Herbst die bislang größte Werbekampagne für die deutsche Sprache in Russland. Das Goethe-Institut reagiert damit auf einen Trend, der schon seit mehreren Jahren zu beobachten ist. Deutsch verschwindet mehr und mehr aus den Lehrplänen russischer Schulen. Schulleiter, Schüler und Eltern wollen von der Sprache Schillers und Goethes immer weniger wissen. Deutschlehrer verlieren ihre Arbeit.

Jelena Roschtschupkina denkt an einen der schlimmsten Tage ihrer Laufbahn als Lehrerin zurück. Etwa ein Jahr ist es her, da landete ein Brief der Verwaltung von Staryj Askol, eine Stadt in der Nähe der weißrussischen Grenze, auf den Schreibtischen aller Schuldirektoren des Ortes. Als Fremdsprache, so wünschte es sich der städtische Verantwortliche für Bildung, solle in Zukunft nur noch Englisch unterrichtet werden. Die lingua franca, Sprache der Globalisierung. Das hieß im Umkehrschluss: Deutsch fliegt aus dem Lehrplan. Das genau ist das Problem von Jelena Roschtschupkina, die seit 30 Jahren Deutschlehrerin ist. Seit dem unheilvollen Brief haben viele ihrer Kolleginnen ihre Arbeit verloren. So schlimm wie jetzt, sagt Jelena Roschtschupkina, habe es um den deutschen Fremdsprachenunterricht in Russland noch nie gestanden.

Aus Sicht des Goethe-Institutes – bekanntlich Hüter der deutschen Sprache im Ausland – war Russland lange Zeit das Paradies. Die Sprache von Kant und Schiller stand auf dem Unterrichtsplänen weit oben – der deutsch-sowjetischen Freundschaft sei Dank. Dann kamen Gorbatschow, die Perestrojka, der Wirtschaftsaufschwung – und damit der Bedeutungsverlust der deutschen Sprache. Englisch, das blieb auch in Russland nicht verborgen, ist die Sprache der internationalen Konferenzen, der Politik, der Wissenschaft.

Christoph Veldhues, Leiter der Sprachabteilung am Moskauer Goethe-Institut, kann daran nichts ändern. Und er will es auch gar nicht. Er hat ein ganz anderes Ziel. Eine zweite Fremdsprache soll an allgemein bildenden russischen Schulen Pflicht werden. Und diese zweite Fremdsprache soll natürlich Deutsch sein. So lautet das strategische Ziel der neuen Werbekampagne des Goethe-Instituts, über der gerade ein dreiköpfiges Projektteam brütet. Es ist die größte Kampagne für die deutsche Sprache, die das Goethe-Institut je in Russland gestartet hat. 350 000 Euro stehen zur Verfügung, um den Schülern, aber vor allem den Eltern und denen, die in den Ämtern das Sagen haben, Deutsch wieder schmackhaft zu machen.

1,9 Millionen Schüler an allgemein bildenden Schulen, Gymnasien und Lyzeen in Russland lernen Deutsch – das ist eine beeindruckende Zahl. Doch der Trend weist nach unten. Das Goethe-Institut beruft sich auf Zahlen des russischen Bildungsministeriums. Zwischen 2005 und 2009 ist die Zahl der Deutschlerner in der ersten Fremdsprache um über ein Viertel gesunken, allein im Schuljahr 2008/2009 waren es 5,9 Prozent. Zwar lernen immer mehr Schüler Deutsch als zweite Fremdsprache, doch das kann die Verluste bei weitem nicht ausgleichen.

Deutsch leidet vor allem daran, dass der russische Lehrplan in Sachen Fremdsprache – gelinde gesagt – vage ist. An allgemeinbildenden Schulen ist eine Fremdsprache ab der zweiten Klasse Pflicht, zunächst zweimal in der Woche, später dreimal – so weit, so konkret. Was allerdings eine zweite Fremdsprache betrifft, gibt es allenfalls Empfehlungen, Ungewissheit, Pläne in einzelnen Regionen. Am Ende entscheidet jeder Schuldirektor selbst, wie er es macht. In größeren Städten wird oft eine zweite Fremdsprache ab der 5. oder 7. Klasse unterrichtet, da wo es ländlich wird, fällt das Zusatzangebot häufig aus oder ist kostenpflichtig.

Ein Bekenntnis zur zweiten Fremdsprache, das wünscht sich Christoph Veldhuis nicht nur in Moskau, sondern überall in Russland. „Englisch kann jeder“, sagt er. Richtig profilieren könne man sich doch erst mit einer zweiten Fremdsprache. „Wenn Russland sich nicht wieder aus der globalisierten Welt verabschieden will, muss es auf die zweite Fremdsprache setzen.“ Davon sollen bis zum Ende des Jahres zunächst einmal Schüler, Eltern und Entscheidungsträger in einigen Schwerpunktregionen überzeugt werden. Deutsche Firmen werden Patenschaften für Schulen übernehmen, je nach Wunsch und Möglichkeit Ausstattung sponsern, Praktikanten einladen, Deutschlandreisen finanzieren. Das wichtigste an der Kampagne ist aber eben dieses Wort: „Kampagne“. Deshalb verschickt das Goethe-Institut sogenannte „Deutschlehrerpakete“ mit Flyern, Lehrmaterialien, Videos und Broschüren. Damit die Lehrer etwas in der Hand haben, wenn sie mit Eltern und ihren Vorgesetzten diskutieren. Auftakt zur Kampagne wird ein Sprachfest in Moskau im Herbst, wahrscheinlich im Oktober.

Diana Laarz
(Moskauer Deutsche Zeitung)

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