Dialog der Generationen


„Geschichte erleben, begegnen und gedenken“ – unter diesem Motto lief Ende August in Berlin das Projekt des Jugend- und Studentenrings der Deutschen aus Russland (JSDR) in Zusammenarbeit mit der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“. Durch persönliche Begegnungen mit Zeitzeugen der Deportation der Russlanddeutschen trauten sich 14 junge Teilnehmer aus Deutschland, Russland und anderen GUS-Ländern an ein schwieriges Kapitel in der Geschichte ihrer Großeltern.

„Geschichte erleben, begegnen und gedenken“ – unter diesem Motto lief Ende August in Berlin das Projekt des Jugend- und Studentenrings der Deutschen aus Russland (JSDR) in Zusammenarbeit mit der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“. Durch persönliche Begegnungen mit Zeitzeugen der Deportation der Russlanddeutschen trauten sich 14 junge Teilnehmer aus Deutschland, Russland und anderen GUS-Ländern an ein schwieriges Kapitel in der Geschichte ihrer Großeltern.

Die Ergebnisse ihrer Projektarbeit präsentierten die Jugendlichen im Rahmen der Konferenz des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten anlässlich des 70. Jahrestages der Deportation der Russlanddeutschen, die am 30.-31. August in Berlin stattfand. Somit konnten sich junge Russlanddeutsche aus Deutschland, Russland, Usbekistan, Kasachstan und aus der Ukraine nicht nur selbst in die Geschichte ihrer Vorfahren einfühlen, sondern boten auch 200 Teilnehmern der Konferenz die Möglichkeit, sich mit tragischer Geschichte der Russlanddeutschen auseinander zu setzen.

Karl Vogel, Mathilde Vogel, Alexander Muth, Lydia Gied… (siehe Foto) Vier Menschen mit ähnlichem Schicksal – Vertreter der Generation, die in ihrem Leben durch viele Hindernisse gehen mussten. Ihre Erzählungen gleichen einander durch Wörter „Deportation“, „Arbeitsarmee“, „Hunger“. In Gesprächen mit Jugendlichen erinnerten sie sich an die Zeit, als sie plötzlich ihrer Kindheit bzw. Jugendzeit beraubt wurden. Ihre Augen bleiben dabei trocken.

Tränen glänzen dagegen in den Augen der Zuschauer im Saal nach der Präsentation. Junge Russlanddeutsche konnten zeigen und, was noch wichtiger ist, selbst begreifen, welche Bedeutung der Dialog der Generationen hat. Umso wichtiger ist es, wenn man berücksichtigt, dass die eine Teilnehmerseite des Dialoges bereits nicht mehr so zahlreich vertreten ist. Besonders rührend klangen die herzlichen Dankesworte der Jugendlichen, die sie an ihre Großeltern und alle diejenigen, die Deportation und Arbeitsarmee überlebt haben, richteten. Dankesworte für deren Mut und Charakterstärke.

Von Lena Steinmetz
Fotos: Alexander Specht


Im Rahmen des gemeinsamen Projektes der Stiftung „Flucht. Vertreibung. Versöhnung“ und des Jugend- und Studentenrings der Deutschen aus Russland (JSDR) entstand eine Videopräsentation.
Sehen Sie hier das Video.



Impressionen

Nikolay Horch, 26 Jahre, Saran (Kasachstan):
„Das stille Leben von deutschen Familien endete am 28. August. Die jungen Leute verabschiedeten sich von ihren Zukunftsplänen. Sie kamen auf einem langen und gefährlichen Weg am Deportationsort an. Dort sollten sie für ein Stückchen Brot und Suppe und ein paar Kartoffeln oder Rüben unter schwierigen Bedienungen arbeiten. Das ist schrecklich, dass sie zu einem unbekannten Ort fahren mussten. Was würde ich in so einer Situation machen? Wenn Soldaten kommen und sagen würden, ich solle in einen unbekannten Ort fahren? Ich hätte Angst.“


Charlotte Warkentin, 19 Jahre, Niederstetten (Deutschland):
„Während ich den Geschichten zuhöre, wechseln meine Gefühle permanent: von Entrüstung über die geballte Ladung von Ungerechtigkeit, zu Wut, weil ich nicht begreifen kann, wie man diese Ereignisse überhaupt hat zulassen und verantworten können, Fassungslosigkeit über die menschenunwürdigen Behandlungen der Deportierten über tiefes Mitleid bis hin zu Rührung, weil ich in den Augen dieses Menschen erkenne, wie dankbar er dafür ist, am Leben zu sein und all die schrecklichen Ereignisse überstanden zu haben.“


Katharina Schneider, 26 Jahre, Fergana (Usbekistan):
„Während des Gesprächs mit Frau Mathilde Vogel kam es mir vor, als ob meine leibliche Oma vor mir sitzen und ihre Geschichte erzählen würde. Es ist eine traurige Lebensgeschichte, die mich gerührt hat. Ich bin beeindruckt, wie sie ihren Leidensweg gemeistert hat. Und ungeachtet aller Nöte hat sie ihren Glauben an das Beste im Leben nicht verloren! Es ist sehr wichtig für mich, dass wir die Lebensgeschichten unserer Verwandten nicht vergessen dürfen. Wie man sagt, ohne Vergangenheit gibt es keine Zukunft.“


Igor Christ, 25 Jahre, Stuttgart (Deutschland):
„Je öfter ich mich mit der Geschichte von Deutschen aus Russland beschäftige, umso mehr verstehe ich meine Lebenssituation. Die Frage nach meiner Herkunft und Identität kann ich am besten durch Reflexion von Schicksalen unserer Vorfahren besser verstehen und beantworten. Ich finde, dass die Vergangenheitsforschung besonders wertvoll ist, wenn ich von Mitmenschen mit Nachfragen über die russlanddeutsche Minderheit konfrontiert werde. Ich finde, dass alle Generationen über diese Schreckenszeit informiert werden sollen, damit so etwas nie wieder passiert.“


Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier

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