Bergners Mittelspiel - sibirische Variante

Im Juli bereiste die Delegation des Bundesinnenministeriums mit einer Inspektion die Gebiete Omsk, Nowosibirsk, Tomsk sowie die Region Altaj. Die Delegation wurde von Dr. Christoph Bergner, dem Parlamentarischen Staatssekretär und Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, geleitet. Das Ziel der Reise – die Arbeit russlanddeutscher Organisationen in den Regionen zu begutachten und neue Anregungen für den weiteren Ausbau deutsch-russischer Beziehungen in Sibirien zu geben, wo mehr als ein Drittel aller Deutscher Russlands lebt.

Im Juli bereiste die Delegation des Bundesinnenministeriums mit einer Inspektion die Gebiete Omsk, Nowosibirsk, Tomsk sowie die Region Altaj. Die Delegation wurde von Dr. Christoph Bergner, dem Parlamentarischen Staatssekretär und Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, geleitet. Das Ziel der Reise – die Arbeit russlanddeutscher Organisationen in den Regionen zu begutachten und neue Anregungen für den weiteren Ausbau deutsch-russischer Beziehungen in Sibirien zu geben, wo mehr als ein Drittel aller Deutscher Russlands lebt.

”Ich weiß, ein russlanddeutscher Sibirjak ist ein besonderer Russlanddeutscher”, – sagte Bergner schmunzelnd während der Treffen mit den Vertretern russlanddeutscher Organisationen und sorgte damit stets für entspannte und freundschaftliche Athmosphäre. Es wurde über Vieles gesprochen: über die Anwendung des Rehabilationsgesetzes, insbesondere über fehlende Ermäßigungen für repressierte Völker. Auch das "Gesetz über die ausländischen Agenten", welches in den letzten Monaten Schlagzeilen machte, kam zur Sprache. Die Deutsch-Russische Regierungskommission für die Angelegenheiten der Russlanddeutschen bemüht sich darum, die Organisationen der Russlanddeutschen vor möglichen negativen Auswirkungen dieses Gesetzes zu schützen. Es gab auch ganz praktische Fragen. So brauchen beispielsweise die deutschen Einwohner des Dorfs Podsosnowo in der Region Altaj dringend einen Milchtankwagen.

Keine Bitte und kein Vorschlag blieben unbeachtet. Zu den Mitgliedern der Delegation gehörten unter Anderem Vertreter der Unterabteilung M II des Bundesinnenministeriums für Integration, Deutsche Islam Konferenz, Aussiedlerpolitik, Nationale Minderheiten sowie ihr Leiter Thomas Herzog, der Ministerialdirektor und Leiter der Zantralabteilung des BMI Johannes Paul Fietz und der deutsche Generalkonsul in Nowosibirsk Neithart Höfer-Wissing. Russlanddeutsche Organisationen auf föderaler Ebene vertraten Heinrich Martnes, der Präsident der Föderalen Nationalen Kulturautonomie der Russlanddeutschen (FNKR) und Olga Martens, erste stellvertretende Vorsitzende des Internationalen Verbands der deutschen Kultur (IVDK). So eine große Anzahl an Entscheidungsträgern machte es möglich, viele Fragen direkt vor Ort zu klären.

Ein besonders bewegendes Thema für Russlanddeutsche ist die Aufrechterhaltung der Erinnerung an die Opfer von Repressionen und die Anerkennung des Beitrags der Russlanddeutschen zur Entwicklung Russlands. Sowohl in Tomsk wie auch im Dorf Isilkul des Gebiets Omsk sind bereits Gedenkstätten und -Stelen in Arbeit. Regionale Verwaltungen leisten hier Hilfe, aber es wird Unterstützung sowohl von der deutschen Seite wie auch von jedem Eizelnen benötigt, um diese Projekte umzusetzen.

Auf die Frage über die Dauer des Regierungsprogramms der Bundesrepublik zugunsten der Deutschen Minderheit in Russland berichtete Dr. Christoph Bergner über die neuesten Initiativen im Bundestag zur Schaffung einer Rechtsbasis für eine langfristige Unterstützung.

Über Deutsch auf Deutsch

Bei den Treffen waren auch viele junge Menschen anwesend. Ihr Interesse galt in erster Linie den Partnerschaften russlanddeutscher Organisationen aus Russland und Deutschland. Das ist verständlich, denn Partnerschaftsprogramme helfen die Verbindung zur historischen Heimat zu festigen und motivieren zum Erlernen der deutschen Sprache. Das Interesse besteht genauso auf der deutschen Seite. " Ich befürworte die Etwicklung dieser Partnerschaften, vor allem ist mir die Partnerschaft zwischen den Jugendorganisationen wichtig", - betonte Christoph Bergner. – "Wir wollen wissen, ob wir mit den Deutschen in Russland in 20 Jahren noch auf Deutsch sprechen können werden." Nebenbei gesagt, verliefen die Besuche im Gebiet Omsk und der region Altaj diesmal ohne Dolmetscher. In Tomsk gestaltete man den Besuch zweisprachig, wobei als Sprachmittler junge russlanddeutsche Dolmetscher im Einsatz waren, welche im Rahmen des Programms "Unterstützung der Avantgarde" des IVDK weitergebildet und gefördert werden.

Gesprochen wurde nicht nur auf Deutsch, sondern auch über Deutsch. Genauer gesagt, über den frühkindlichen Deutschunterricht, die Erhöhung von Deutschstunden in der Schule und Ausbildung von Fachkräften. Hier wurde bereits Vieles errreicht, und noch mehr wird angestrebt. So gibt es nach Angaben von Jelisaweta Graf, der Schuldirektorin aus Tswetnopolje und Initiatorin des Gebietsprogramm des Deutschunterrichts im Kindergarten, bereits 29 Kindergartengruppen mit Deutschunterricht, weitere 20 sind jedoch erst in Planung. "Leider fehlen uns Mittel zur Bezahlung von Fachkräften." - sagte Frau Graf. Im Dorf Solntsewo hatten die Kinder Glück: Dort arbeiten bereits zwei Gruppen. Eine Guppe für Kinder, die in ihren Familien bereits russlanddeutsche Dialekte sprechen und die zweite für Anfänger. Die Delegation aus Deutschland war bei einem Unterricht anwesend und versuchte, den für heutige Deutsche aus Deutschlad recht ungewöhnliche niederdeutsche Dialekt der Russlanddeutschen zu verstehen.

Große Fortschritte

In seinen sieben Jahren im Amt des Bundesbeauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten besuchte Christoph Bergner Sibirien mit einer Inspektionsreise schon oft. Doch erstmals konnten so viele Gebiete abgedeckt und so viele Treffen veranstaltet werden. Eine weitere Besonderheit des diesjährigen Besuchs bestand darin, dass sie von den Russlanddeutschen selbst organisiert wurde. Nachdem die Umsetzung des Regierungsprogramms der Budesrepublik zugunsten der deutschen Minderheit in Russland 2008 - 2011 den föderalen Organisationen der Russlanddeutschen übergeben wurde, wurde ein großer Schritt hin zur Festigung der Identität, verbesserten Qualität der Arbeit und einem erhöhten Verantwortungsbewusstsein für die Zukunft der Russlanddeutschen in Russland getan. "Ich sehe große Fortschritte und die große Arbeit, die hier geleistet wird und heute neue Ansätze, Ideen und zuweilen größere Ansprüche an sich selbst und eine neue Bürokratie fordert. Es war für mich sehr wichtig zu sehen, dass die Selbständigkeit und die Verantwortung für den Erhalt deutscher Identität wächst. " - sagte Dr. Bergner.

Auf höchster Ebene

Im Zentrum der Gespräche mit den Vertretern regionaler Verwaltungen standen weitere Zusicherung der Unterstützung aus den regionalen Haushalten, Unterstützung deutsch-russsicher Häuser als Inseln deutscher und europäischer Kultur sowie Förderung von Unternehmen und deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen durch die aktiven Strukturen der Russlanddeutshen. Der Gouvernuer der Region Altaj Alexandr Karlin sprach die Möglichkeiten des Erfahrungs- und Wissensaustauschs auf dem Gebiet Finanzen und Wirtschaft sowie Förderung ethno-kultureller Projekte an. Während des Gesprächs mit dem Vize-Gouverneur des Gebietes Tomsk Wladimir Schidkich wurde die aktuelle Situation des Deutsch-Russischen Hauses in Tomsk eindeutig geklärt. Schidkich verischerte, dass das Deutsch-Russische Haus seinen Namen und seinen Status behalten wird, die große Erfahrung des Hauses soll jedoch von anderen europäischen ethnischen Vereinigungen für ihre Projekte und Veranstaltungen genutzt. Wladimir Schidkich betonte die Rolle der Deutschen sowohl zur Entstehungszeit der Region wie auch aktive Mitwirkung russlanddeutscher Organisationen beim Aufbau von Geschäfts- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen Tomsk und Deutschland heutzutage. Sehr produktiv verliefen die Gespräche mit dem Gouverneur des Gebiets Omsk Viktor Nasarow und dem Vize-Rigierungschef des Gebiets Alexandr Trippel. Im Gebiet Omsk wurde ein umfassendes Programm der Zusammenarbeit bis 2014 verabschiedet, welches die Gründung des lang ersehnten Deutsch-Russischen Hauses in Omsk und die Veranstaltung des deutsch-russischen Kultur- und Unternehmerforums vorsieht.

Ein Tropfen Wermut

Es gab aber auch einen Tropfen Wermut im Freudenbecher. In den letzten Jahren zeigte sich die deutsche Seite sehr besorgt über die Situation im Deutsch-Russischen Haus in Nowosibirsk. Mangel an Aktivität und die Tätigkeit seines Direktors Joseph Dukwen, welche zu Zwietracht innerhalb der Organisationen der Russlanddeutschen und fehlerhaften Rechenschaftsberichten über die erhaltenen Projektfördermittel zugunsten der Russlanddeutschen in der Region führten. Dies wure zum zentralen Gesprächsthema während desTreffens mit dem Gouverneur des Gebietes Tomsk Wasilij Jurtschenko. Heinrich Martens betonte in seiner Ansprache, dass "Nowosibirsk im Vergleich mit anderen Regionen die meisten Mittel zur Förderung der Russlanddeutschen zur Vefügung stellt. Aus Deutschland erhielt das Deutsch-Russische Haus seit seiner Gründung insgesamt 3 Mio. Projektmittel und 1,5 Mio. Investitionsmittel. Jedoch nun liegt die Zusammenarbeit beider Länder in dieser Region in den Händen einer einzigen Person, was unzulässig ist." Beide Seiten waren sich einig, dass der Konflikt so schnell wie möglich gelöst und neue Bedingungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zum Wohle der Russlanddeutschen und der ganzen Region geschaffen werden müssen, auch im Hinblick darauf, dass die nächste ordentliche Sitzung der Deutsch-Russischen Regierungskommission zu den Angelegenheiten der Russlanddeutschen in Nowosibirsk abgehalten werden soll.

Zeit zum Vergnügen

Das intensive Aufenthaltsprogramm der Delegation ließ nichtdestotrotz auch Zeit für den Besuch feierlicher Veranstaltungen. Der Besuch fiel mit dem 120. Jubiläum von Alexandrowka, des ältesten deutschen Dorfs in Sibirien, und mit dem Festival der Mennoniten-Siedlungen im Dorf Ananjewka am Altaj zusammen. Die Ehrengäste wurden mit reichlich gedeckten Tischen, einem vielfältigen Kulturprogramm und festlich geschmückten Straßen empfangen. Eine große Anzahl von Kindern und jungen Familien fiel dabei auf. Viele von ihnen sprachen Deutsch miteinander. Als man sie fragte, warum sie nicht nach Deutschland gehen, sagte eine junge Mutter im Dialekt "Daheim ist eben daheim".

Olga Widiger

Rubriken: Partnerschaften