„Die Regierung sieht sich weiterhin zur Förderung verpflichtet“: Hartmut Koschyk, Bundesbeauftragter für Minderheiten, über sein erstes Jahr im Amt

Im Interview mit der Moskauer Deutschen Zeitung blickt Hartmut Koschyk auf seine bisherige Arbeit als Bundesbeauftragter für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten zurück und erklärt, inwiefern die Angehörigen der deutschen Minderheit als „Brückenbauer“ zwischen Deutschland und Russland fungieren können (Moskauer Deutsche Zeitung, Ausgabe Nr.1 (392), Januar 2015).     

Im Interview mit der Moskauer Deutschen Zeitung blickt Hartmut Koschyk auf seine bisherige Arbeit als Bundesbeauftragter für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten zurück und erklärt, inwiefern die Angehörigen der deutschen Minderheit als „Brückenbauer“ zwischen Deutschland und Russland fungieren können (Moskauer Deutsche Zeitung, Ausgabe Nr.1 (392), Januar 2015).

Herr Koschyk, Sie sind jetzt ein Jahr im Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Welche Akzente haben Sie gesetzt?

Selbstverständlich werde ich die erfolgreiche Arbeit meiner Amtsvorgänger in deren Geiste fortsetzen. Jeder neue Beauftragte in dem Amt hat sich selbstverständlich vorbehalten, neben der Kontinuität in der Hilfenpolitik auch neue Akzente zu setzen. Dies gilt auch für meine Arbeit. Neben der Konsoli- dierung und Weiterentwicklung der Jugendarbeit liegt mein vorrangiges Interesse in der Verringerung des Verwaltungsaufwandes und damit der in diesem Bereich anfallenden Ausgaben. Dabei geht es mir selbstverständlich nicht um die Erzielung von Einsparungen zur Reduzierung des Haushaltsansatzes, sondern ich möchte, dass so viel Geld wie möglich vor Ort bei den deutschen Minderheiten ankommt. Jeder Euro, den wir im Rahmen der Verwal- tungsausgaben einsparen, kommt der Minderheitenarbeit unmittelbar durch zusätzliche Fördermaßnahmen zugute. Einsparungen dienen daher nicht zur Konsolidierung des deutschen Bundeshaushaltes, sondern werden für zusätzliche Projektmaßnahmen verwendet.

Welche Position nimmt die Bundesregierung gegenüber den deutschen Minderheiten ein?

Die Bundesregierung sieht sich weiterhin zur Förderung der deutschen Minderheiten in Mittelost- und Südosteuropa und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion verpflichtet. Das ist auch für mich Ausdruck einer besonderen moralischen Verantwortung gegenüber den deutschen Minderheiten in diesen Ländern. Es geht dabei auch um die Solidarität mit den deutschen Minderheiten, die wegen ihrer Volkszugehörigkeit während und nach Ende des Zweiten Weltkrieges für die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands in der ehemaligen Sowjetunion besondere Lasten zu tragen hatten. Ausdruck dieser Pflicht ist auch die Tatsache, dass es uns gelungen ist, die auch für das Haushaltsjahr 2015 die Unterstützung in diesem Bereich trotz der Haushaltskonsolidierung auf dem bisherigen finanziellen Niveau fortzusetzen.

Oft wird gesagt, deutsche Minderheiten könnten „Brücken bauen“ in die jeweiligen Länder. Was ist damit gemeint?

Gerade vor dem Hintergrund aktueller politischer Herausforderungen können die deutschen Minderheiten im Ausland wegen ihres Verständnisses der Kultur des Landes, in dem sie leben, und in Kenntnis der wesentlichen Elemente deutscher Kultur, die sie über Jahrhunderte bewahrt haben, eine bedeutende Mittlerrolle übernehmen. Wer sonst als die rund vier Millionen ethnischen Deutschen beispielsweise aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion, insbesondere aus der Russischen Föderation und aus Kasachstan, von denen inzwischen über zwei Millionen in Deutschland leben, könnte kompetenter und überzeugender diese Verbindung zwischen unseren Kulturen bilden? Dieses Potenzial wird nach meiner Überzeugung bisher erst ansatzweise genutzt.

Seit Jahren kämpfen die Russlanddeutschen im ihre vollständige Rehabilitierung in Russland. Für eine kurze Zeit schien der Kreml ihnen im vergangenen Jahr entgegenkommen zu wollen ...

Die Frage der Rehabilitierung hat für jede deutsche Regierung eine zentrale Rolle eingenommen. Das „Protokoll über die Zusammenarbeit zur stufenweisen Wiederherstellung der Staatlichkeit der Russlanddeutschen“ von 1992, das nach wie vor Grundlage unserer Fördermaßnahmen in Russland ist, gibt den Stellenwert der Rehabilitierung als Leitmotiv unserer Zusammenarbeit mit der russischen Regierung besonders deutlich wieder. Natürlich können und wollen wir dabei nicht außer Acht lassen, dass die Situation der Russlanddeutschen in Russland heute eine andere ist als noch in den 1990er Jahren. Und die Rolle der Bundesregierung kann bei der Behandlung der Frage der Rehabilitierung immer nur eine begleitende und unterstützende sein. Die Lösung dieser Frage bleibt zuallererst eine innerstaatliche Angelegenheit zwischen der russischen Regierung und ihrer unstreitig repressierten Volksgruppe der Bürger deutscher Abstammung. Die jüngsten Aktivitäten der russlanddeutschen Selbstorganisation, die Frage der Rehabilitierung in Bezug auf die Gesamtheit der deutschen Minderheit in Russland erneut auf Regierungsebene zu thematisieren, stehen offenkundig im Zusammenhang mit den mit Erlass des russischen Präsidenten vom April 2014 angekündigten Rehabilitierungsmaßnahmen zugunsten der Angehörigen repressierter Völker auf der Krim, die auch die deutsche Volksgruppe dort ausdrücklich einbeziehen. Diese Entwicklung verfolgen wir sehr aufmerksam. Ich weise allerdings darauf hin, dass die deutsche Bundesregierung die Annexion der Halbinsel Krim durch die russische Regierung als einen völkerrechtswidrigen Akt bewertet und somit auch alle weiteren Maßnahmen und Initiativen Russlands dort in diesem Lichte zu betrachten sind.

Das russischsprachige Interview finden Sie hier.

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