Die gesellschaftliche Organisation der Russlanddeutschen „Wiedergeburt“ aus der Region Nowosibirsk feierte jüngst ihr 25-jähriges Bestehen. Anlässlich dieses Jubiläums lud man zu einem Gala-Abend, der im Festsaal der Gesetzgebenden Versammlung der Region Nowosibirsk stattfand. Von seinen Erinnerungen an die Gründungsphase der zivilgesellschaftlichen Bewegung „Wiedergeburt“ in der Region Nowosibirsk erzählt Wladimir Krylow, Pressesekretär der gesellschaftlichen Organisation „Wiedergeburt“, Professor am Internationalen UNESCO-Lehrstuhl für Menschenrechte und Demokratie am Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen (MGIMO), Mitglied der Russischen Journalisten-Union.
Die gesellschaftliche Organisation der Russlanddeutschen „Wiedergeburt“ aus der Region Nowosibirsk feierte jüngst ihr 25-jähriges Bestehen. Anlässlich dieses Jubiläums lud man zu einem Gala-Abend, der im Festsaal der Gesetzgebenden Versammlung der Region Nowosibirsk stattfand. Von seinen Erinnerungen über die Gründungsphase der zivilgesellschaftlichen Bewegung „Wiedergeburt“ in der Region Nowosibirsk erzählt Wladimir Krylow, Pressesekretär der gesellschaftlichen Organisation „Wiedergeburt“, Professor am Internationalen UNESCO-Lehrstuhl für Menschenrechte und Demokratie am Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen (MGIMO), Mitglied der Russischen Journalisten-Union.
Bevor ich mich über den Gala-Abend äußere, möchte ich zunächst gern einen kleinen Exkurs in die jüngere Geschichte unternehmen. Vom 28. bis 31. März 1989 fand im Saal des Polytechnischen Museums ein außerordentlich wichtiges und in der Geschichte der Sowjetdeutschen bisher einzigartiges Ereignis statt: die Gründungskonferenz der Allunionsgesellschaft der Sowjetdeutschen „Wiedergeburt“ für Politik, Kultur und Bildung - kurz „Wiedergeburt“. Zum Symbol dieses Ereignisses wurde der aus Asche auferstandene Vogel Phönix, der die Wiedergeburt des russlanddeutschen Volkes verkörpern sollte. Dass die Bewegung die Bezeichnung „Wiedergeburt“ trägt, ist Heinrich Groth zu verdanken, da er derjenige war, der diesen Ausdruck nicht nur in unserem Land und den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, sondern auch in Deutschland bekannt machte. Noch vor der Gründung der Gesellschaft hörte ich, in Kasachstan weilend, von Heinrich erstmals von der „Wiedergeburt“-Bewegung. Damals schon konnte man in dem jungen Mann jene Eigenschaften erkennen, die er als Vorsitzender der Gesellschaft „Wiedergeburt“ und somit als Führungskraft der Sowjetdeutschen nach außen wie nach innen repräsentierte. Heute lebt er in Deutschland und hat den Vorsitz im Internationalen Konvent der Russlanddeutschen.
Im November 1989 fand in Nowosibirsk eine Regionalkonferenz der Russlanddeutschen statt. An dieser nahmen damals 557 registrierte Teilnehmer aus 28 Bezirken der Region teil. Der Saal war überfüllt. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde die regionale gesellschaftliche Organisation der Russlanddeutschen „Wiedergeburt“ in Nowosibirsk gegründet. Am gleichen Tag wurde die Satzung angenommen und es fand die Wahl der Ratsmitglieder statt.
Ich erinnere mich sehr gut an diesen Tag, und zwar aus einem ganz bestimmten Grund: Am Tag vor meiner Ankunft in Nowosibirsk - ich reiste vom hohen Norden, aus Norilsk an-, hatte man mir das Angebot gemacht, den Vorsitz beim unabhängigen Sibirischen Fernsehsender „Kanal-C" zu übernehmen, was gewiss eine ernsthaft überlegte Entscheidung erforderte. Im regionalen Parteikomitee sprach ich mit dem Instruktor Wadim Nowopaschin. Wir wechselten einige Worte und er sagte mir, dass es eine Konferenz der Sowjetdeutschen geben würde. Da ich selbst deutsche Wurzeln habe, weckte diese Nachricht großes Interesse bei mir. Wir gingen also zur Konferenz. Da alles recht spontan und kurzfristig war, machte ich mir keine Notizen.
Aber die Zeitung „Sowjetisches Sibirien“ berichtete darüber (zum Glück ist mir eine Ausgabe erhalten geblieben): „Lächeln auf den Gesichtern, Freude über die Begegnung, Zurückhaltung und Tränen in den Augen, von Aufregung gezeichnete Gesichter. Und diese Aufregung war sehr gut nachvollziehbar. Zum ersten Mal wurde in Nowosibirsk eine Regionalkonferenz der Sowjetdeutschen abgehalten.“
Darüber hinaus finden sich im Bericht, neben der im Rahmen der Konferenz thematisierten bevorstehenden Aufgaben, folgende Zeilen: „Wir brauchen mindestens eine regionale deutsche Zeitung, sowie ein eigenes Radio und einen eigenen Fernsehsender ... Kurzum, wir sehen neben einer offiziellen Entschuldigung auf staatlicher Ebene weitere konkrete Maßnahmen auf der gleichen Ebene als notwendig an.“
Ich erinnere mich auch an die Rede von Reginald Zielke, den ich bald persönlich kennenlernen sollte. Hierbei kritisierte er scharf die Partei- und Regierungsorgane, deren führende Vertreter es nicht für wichtig hielten, sich an der schicksalsträchtigen Konferenz der Sowjetdeutschen zu beteiligen. Auch diese Äußerung wurde in der kommunistischen Zeitung „Sowjetisches Sibirien“ abgedruckt. Die Zeiten hatten sich jedoch geändert, und darüber zu schweigen, stünde im Widerspruch zum „Glasnost“-Zeitalter.
Zum Vorsitzenden der Organisation „Wiedergeburt“ wurde im Rahmen der Konferenz Walerij Weingardt gewählt. Zur Geburtsstunde der Organisation war unter seiner Leitung in erster Linie eine Volkszählung der Sowjetdeutschen fällig. Die Bewältigung dieser schweren Aufgabe wurde mit der Schaffung eines Aktenkatalogs mit tausenden von Karteikarten beschritten. Folglich konnten sich jene Deutsche darin registrieren lassen, die der „Wiedergeburt“ beitreten wollten. Es wurden Mitgliedslisten und -verzeichnisse erstellt und Mitgliedskarten verteilt.
Seitdem ist viel Zeit vergangen, und jetzt ist eine Überarbeitung und Erneuerung notwendig. Nach der Konferenz, zum Jahresende, verabschiedete der Nowosibirsker Regionalrat der Volksabgeordneten den Erlass über die Gründung der regionalen gesellschaftspolitischen, kulturpädagogischen Gesellschaft der Sowjetdeutschen „Wiedergeburt“ in Nowosibirsk mit dem Ziel, die Wiederherstellung leninistischer Prinzipien durch internationale Beziehungen, Gleichheit, Erhalt und Förderung des kulturellen Erbes der deutschen Nation (so der Wortlaut des Erlasses) sicherzustellen. Gerade diese Organisation „Wiedergeburt“ sollte sich als Wegbereiter der gesellschaftlichen Bewegung der Sowjet-, und später der Russlanddeutschen erweisen. Im Laufe der Jahre gab es verschiedene Perioden in der Geschichte der Russlanddeutschen, sowohl positive als auch negative. Nichtsdestotrotz besteht die Gesellschaft bis heute fort und entwickelt sich aktiv weiter.
Ich erinnere mich gut an die ersten Jahre der Organisation. Im Rahmen des regionalen Parteikomitees wurde eine Sonderkommission ins Leben gerufen. Zweimal im Monat, und manchmal noch öfter, versammelte man sich im Kabinett des Vorsitzenden für nationale, religiöse und karitative Fragen, Wladimir Lymar. Manchmal war auch der erste Sekretär des regionalen Parteikomitees, Witalij Mucha, bei den Sitzungen anwesend, bei denen Probleme der deutschen Bevölkerung in der Region Nowosibirsk auf der Tagesordnung standen.
Am Anfang der gesellschaftlichen Bewegung der Russlanddeutschen in der Region Nowosibirsk und bei der Gründung der Organisation „Wiedergeburt“ standen Genevieve Dumrauf und Reginald Zielke. Reginald Zielke ist eine prominente Figur innerhalb der russlanddeutschen Gemeinde in der Region und in ganz Russland. Er ist Mitbegründer des Lehrstuhls für Pflanzenzucht und Genetik an der Nowosibirsker Staatsagraruniversität und Träger der ihm von der Berliner Humboldt-Universität verliehenen Ehrendoktorwürde. Mehr als vierzig seiner Studenten haben erfolgreich ihre Dissertation verteidigt, elf wurden habilitiert. Von seinem Leben erzählt Reginald Zielke in seinem autobiographischem Werk „Mein Leben unter den Kommunisten“. Dieses hinsichtlich der dargestellten Fakten und der darin zum Ausdruck gebrachten Emotionalität beeindruckende Buch wurde bereits zweimal herausgegeben.
Die gesellschaftliche Organisation „Wiedergeburt“ leistet einen wesentlichen Beitrag zur Wiederbelebung des russlanddeutschen Volks und zur Stärkung seiner nationalen Identität. Seit ihrem Bestehen wurden viele Schritte unternommen, um den Erhalt und die Förderung der Kultur, Sprache und Traditionen der Russlanddeutschen zu gewährleisten, sowie ihre Rechte und Interessen zu schützen. Die „Wiedergeburt“ beteiligt sich aktiv an der Vorbereitung und Durchführung von nationalen Feiertagen sowie an der Organisation von Deutschkursen. Hervorzuheben ist, dass sie sich von Anfang an bis zum heutigen Tag der Bereitstellung von sozialer und humanitärer Hilfe an ehemalige Trudarmisten, Veteranen und Sozialschwache innerhalb der russlanddeutschen Gemeinschaft widmet sowie Kurbehandlungen und Erholungsprogramme in Sanatorien und Ferienpensionen ermöglicht. Diese facettenreiche Arbeit wird von den Regierungen der Russischen Föderation und der Bundesrepublik Deutschland unterstützt.
„Allein in den letzten drei Jahren haben wir mehr als 20 Projekte mit einem Budget von über fünf Millionen Rubel erfolgreich durchgeführt“, sagt die Vorsitzende der gesellschaftlichen Organisation, Irina Ostanina. „Dies sind vor allem soziale und humanitäre Programme. Etwa 700 Veteranen haben unterschiedliche Formen der Unterstützung erhalten. Es gibt eine Reihe von Projekten für Jugendliche. All dies ist mit einer aufwändigen Arbeit verbunden, die sehr viel Mühe, Zeit, Geduld und Dutzende Berichtseiten in Anspruch nimmt - ohne jegliche eigene Räumlichkeiten oder Transportmöglichkeiten, sondern ausschließlich aus eigener Kraft und Initiative.“
„Und was liegt vor uns? Um die Kultur und das Erbe unseres Volks zu bewahren, brauchen wir die Jugend!“, fährt Irina Ostanina fort. „Das ist unsere Zukunft! Derzeit steht die „Wiedergeburt“ vor einer verantwortungsvollen Aufgabe: junge Menschen für ihre Ziele zu gewinnen, sie danach zu erziehen und sie zu Zukunftsträgern unserer Gesellschaft zu machen. Wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, welche unserer Aktivitäten vonnöten sind, damit die gesellschaftliche Bewegung der Russlanddeutschen im Rahmen der Selbstorganisation einen guten und vor allem vertrauenswürdigen Ruf in unserer Region genießen kann. Wir werden mit verschiedenen Altersgruppen arbeiten und unser Schwerpunkt wird darin liegen, insbesondere junge Menschen jene Impulse mit auf den Weg zu geben, die sie zu denjenigen machen, auf die wir später stolz sein können, weil sie das Erbe der älteren Generation weitertragen und zum Wohle der Russlanddeutschen beitragen werden.“
Jetzt möchte ich noch abschließend über den Gala-Abend berichten, der unter dem Motto „Von ganzem Herzen“ stattfand und eine wahrlich fröhliche und warmherzige Stimmung verbreitete. Dass dieser Abend ein voller Erfolg war, zeigt die Tatsache, dass alle, die daran teilnahmen, im Endeffekt nur positiv darüber sprachen.
Zu Beginn der Veranstaltung wurde ein Video gezeigt, das von der Geschichte und Gegenwart der gesellschaftlichen Organisation „Wiedergeburt“ handelte. Es gab eine Menge Glückwünsche und Grußworte von alten Mitgliedern, Vertretern der Regierung und Verwaltung der Region und Stadt Nowosibirsk, Vertretern deutscher Einrichtungen, föderaler Organe der Russlanddeutschen, sowie anderer öffentlicher Organisationen und Hochschulen.
Das wohl denkwürdigste Ereignis des Abends war die Präsentation des Buches „Bilder des letzten Jahrhunderts“, welches von unserem Landsmann, dem Schriftsteller Alexander Wegner aus dem Dorf Nowotselinoje geschrieben wurde. Auch freute uns die persönliche Begegnung mit ihm. Sein Buch gewann im Jahr 2014 den Gesamtrussischen Projektwettbewerb „Russlanddeutsche in der Avantgarde der Zukunft“, welches von dem Internationalen Verband der deutschen Kultur (IVDK) mit dem Ziel ausgerichtet wurde, Projekte und die Gewährung von Zuschüssen im Bereich der Kunst, Bildung, Wissenschaft, Sport und Zivilgesellschaft zu unterstützen.
Die Moderatoren des Abends, Anastasia Dekar und Jaroslaw Wagner stellten dem Publikum einige Werke von Alexander Wegner vor, die die Seele tief berührten und die eine oder andere Träne zur Folge hatten.
Große Freude bereiteten auch die Auftritte kreativer Jugendliche aus dem Kreise der Russlanddeutschen, wie etwa Viktoria Arngold - Sängerin und Siegerin Gesamtrussischer Wettbewerbe, und Alexander Wiedemann - berühmter Sänger und Artist der Nowosibirsker Staatsphilharmonie. Die Auftritte wurden von verdientem Applaus und Bravo-Rufen begleitet.
Im Namen der Wohltätigkeitsstiftung „Sodruschestwo“, die die Zusammenarbeit zwischen türkischen und slawischen Völkern fördert, trat der talentierte Sänger und sibirischer Aserbaidschaner Emil Aliew auf.
Darüber hinaus stellte die russlanddeutsche Schriftstellerin Irina Afanasenko, geborene Paulsen, ihr Buch „Dynastie Paulsen“ vor. Sie sprach darüber, wie dieses Buch entstanden ist und ermutigte alle, die Geschichte ihrer Familie aufzuschreiben, um den nachfolgenden Generationen diese Erinnerungen weitergeben zu können.
Des Weiteren wurden die Ergebnisse der Literaturwettbewerbe „Die Geschichte meiner Familie“ und „Deutsche in Nowosibirsk. Unbekannte Geschichtskapitel“ verkündet sowie Urkunden und Geschenke an die Sieger überreicht. Ihre Gedichte stellte die Literatin Marina Rib vor. Derzeit, so erfuhren die Gäste, arbeite sie an einem weiteren Buch über ihren Vater, den Musikpädagogin, Dichter und wahren Asketen, Ewald Rib.
Bei der Zeremonie wurden abschließend all diejenigen, die seit Anfang an in der Gesellschaft „Wiedergeburt“ aktiv beteiligt sind, mit Ehrenabzeichen und Dankesurkunden im Namen des Internationalen Verbands der deutschen Kultur (IVDK) und der Internationalen Menschenrechtsorganisationen „Edinstwo“ ausgezeichnet. Die gesellschaftliche Organisation „Wiedergeburt“ wurde ebenfalls mit einer Ehrenurkunde im Namen des Abgeordnetenrats der Stadt Nowosibirsk und mit einem Dankesbrief des Kulturministeriums der Region Nowosibirsk ausgezeichnet.
Besonders liebe Dankesworte wurden an Genevieve Alexandrowna Dumrauf und Reginald Alexandrowitsch Zielke, die zu den Mitbegründern „der ersten Stunde“ der gesellschaftlichen Bewegung der Russlanddeutschen in der Region Nowosibirsk gehören, gerichtet. Das Publikum lauschte wie gebannt ihren Erzählungen über menschliche Schicksale...
Wladimir Krylow,
Pressesekretär der zivilgesellschaftlichen Organisation „Wiedergeburt“,
Professor am Internationalen UNESCO-Lehrstuhl für Menschenrechte und Demokratie
am Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen (MGIMO),
Mitglied der Russischen Journalisten-Union.
Fotos: Ewgenij Alifanow
Übersetzt aus dem Russischen. Hier finden Sie den russischsprachigen Beitrag.
Pressedienst IVDK
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