Deutsch lernen in den Ferien


Dirndl und Deutschrap mitten in Russland - ein Artikel der Moskauer Deutschen Zeitung.

Das deutsche Sprachlager für Kinder, die vorwiegend aus russlanddeutschen Familien stammen, fand dieses Jahr vom 16. bis 29. Juli statt. Zu lernen gab es jedoch mehr als nur Sprache.

Ein Schild mit „Herzlich Willkommen“ begrüßte die 77 Schüler im Ort Jerschowo vor Moskau. Einige der Kinder konnten die Buchstaben bereits lesen, andere lernten es bald. Das Lager nahe der Hauptstadt ist eines der föderalen Sprachlager, die jährlich in verschiedenen russischen Orten stattfinden und vom Internationalen Verband der Deutschen Kultur, kurz IVDK, organisiert werden. Anders als in der Schule sollten die Kinder mehr erleben als nur Unterricht.

In dem großen Waldpark befinden sich mehrere Gebäude, in denen die 9 bis 15-Jährigen zwei Wochen lang lernen, wohnen und spielen sollten. Je nach Sprachniveau wurden sie in Gruppen eingeteilt und konnten Kurse in einer naturwissenschaftlichen und geschichtlichen Fakultät besuchen.

Natalija Koslowa leitete das Sprachlager und hat sich dieses Jahr für ein besonders aktives Lernformat eingesetzt: „Wir machen viele praktische Experimente, die Kinder bekommen kurze Texte auf Deutsch und können dann ausprobieren. Sie sollen die Sprache durch einen spielerischen Zugang lernen. Und wenn sie Spaß haben, sind sie motiviert, dann lernen sie mehr.‘‘

In Kleingruppen bastelten die jungen Wissenschaftler zum Beispiel Sanduhren, experimentierten mit Seife, Luftballons, Licht und Spiegeln. Neben dem wissenschaftlichen Teil gab es aber auch normale Deutschstunden. Sprache und Kultur standen dort gleichermaßen auf dem Lehrplan. An den Wänden der Unterrichtsräume hingen selbstgebastelte Plakate zu deutschen Backrezepten sowie Bilder berühmter Russlanddeutscher. Auch bayerische Trachten lernten die Schüler kennen. Die Stunden wurden unter anderem von sogenannten Sprachassistenten gehalten.

Daniela Prawez ist eine von ihnen und genau wie viele der Kinder eine Russlanddeutsche. Die junge Münchnerin möchte Lehrerin werden und empfindet das Lager als gute Vorbereitung: „Man bekommt nicht immer viel Schlaf, aber es macht Spaß, den Kindern das Wissen so zu vermitteln, dass es sie auch wirklich interessiert. Und viele von den Spielen, die wir hier machen, kann ich später auch anwenden.‘‘ Die kulturelle Vermittlung sei aber auch ein Grund: „Ich finde, dass es in jeder Kultur Wunderschönes gibt. Die deutsche Kultur ist einfach anders als die russische und ich finde es wichtig zu wissen, wo man herkommt.‘‘ Für Daniela Prawez steht schon fest, dass sie wiederkommen wird: „In den zwei Wochen sind auch tolle Freundschaften entstanden.‘‘

Vor dem Mittagsessen, dem einzig russischen Teil des Tages, gab es die Bewegungspausen, in denen zu deutscher Musik wie den Ärzten oder Culcha Candela getanzt wurde. Danach hatten die Kinder Freizeit. Abends standen noch ein Forscherkreis sowie Abschlussveranstaltungen auf dem Programm. Gesprochen wurde immer auf Deutsch. Anfangs fiel das einigen Kindern nicht leicht, aber nach den zwei Wochen hätten sie ein größeres Selbstvertrauen in ihre Fähigkeiten gehabt: „Eine Schülerin, die vorher nicht viel Deutsch gesprochen hat, hat erfahren, dass ich auch Russlanddeutsche bin. Da hat sie mir plötzlich ganz viel von ihrer Oma in Hamburg erzählt, auf Deutsch!‘‘, lacht Daniela Prawez.

Viele der Kinder seien an der Sprache interessiert, weil ihre Familien russlanddeutsch sind. Es sei ihnen wichtig, den deutschen Teil ihrer Identität zu bewahren. Das Bundesinnenministerium bezeichnet ebendiese Russlanddeutschen, von denen es in Russland 400 000 gibt, als Brückenbauer auf kultureller und politischer Ebene. Daher seien Projekte wie das Sprachlager von großer Bedeutung, da es eben nicht nur um Lehrpläne ginge.

Die Kinder hätten in solchen Begegnungszentren die Möglichkeit, gemeinsam ihre Geschichte zu erkunden und Kontakte für die Zukunft zu knüpfen. Artemy (14), Daniel (13) und Michail (15) waren in der Gruppe mit dem höchsten Sprachniveau und haben schon oft an dem Sprachlager teilgenommen. Michail hat Deutsch als erste Fremdsprache in seiner Schule erlernt und hat den Wettbewerb des IVDK „Freunde der deutschen Sprache“ gewonnen, bei dem es um die Beweggründe für das Erlernen der Sprache ging. Er sieht vor allem berufliche Vorteile darin: „Später einmal wird es gut bei Bewerbungen sein, wenn ich nicht nur Englisch sprechen kann.‘‘ Artemy gefiel die Atmosphäre besonders gut: „Man lernt viele neue Freunde kennen, mit denen ich bestimmt in Kontakt bleibe", erzählt er.

Der Artikel erschien erstmals in der Moskauer Deutschen Zeitung 14/2018.

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