Unter der Sonne und dem Mond


Die Kunst der Russlanddeutschen – ist ein buntes Kaleidoskop verschiedener persönlicher Genres, Themen und Motive. Die Arbeiten des 20. und 21. Jahrhunderts werden in der dritten Ausgabe der Anthologie für Kunst, herausgegeben vom Internationalen Verband der deutschen Kultur, vorgestellt. Diese Vielfalt ist ein Grund nach Gemeinsamkeiten zu suchen.

Vor Kurzem erschienen in Russland und Deutschland erschienen zwei Bände der Malerkunst der Russlanddeutschen: Der IVDK hat nun zum dritten Mal die Anthologie „Tausend Bilder unter der Sonne und dem Mond“ herausgegeben. Im Verlag der Gesellschaft der deutschen Wissenschaftler aus Russland und GUS wurde das Lexikon „Russlanddeutsche in der Kunst aller Zeiten“ veröffentlicht.

Die Kunstwissenschaftlerin Valeria Ismijeva sagt, dass die meisten Künstler, die in der Anthologie vorgestellt werden, ein vererbtes Verständnis für Kunst haben. Es war tatsächlich so, dass die Deutschen, die vom Russischen Reich eingeladen wurden, die europäische Vorstellung von Kunst von Generation zu Generation weitergegeben haben, genauso wie die Geheimnisse des Schmuck- und Kunsthandwerks. Die Ereignisse des 20. Jahrhunderts haben diesen Prozess unterbrochen. Die Sowjetdeutschen wurden nach den Traditionen der russischen realistischen Schule der Malerei ausgebildet, ohne ihre Herkunft zu verraten. Die deutschen Besonderheiten der russischen Kunst verschwanden. Wenige riskieren dabei von einer Integrität der gesamten Kunstrichtung zu sprechen.

Dennoch wird eine Erblichkeit innerhalb bestimmter Künstlerdynastien von vielen anerkannt. Ein Vertreter solch einer Dynastie, Alexander Bakanov, ist der Meinung, dass alle russlanddeutschen Künstler das Interesse an deutschen Geschichte und Kultur vereint. So beispielsweise auch die Frau des Künstlers und Grafikers Natalia Bakanova-Weibert: Sie bezieht sich in ihren Arbeiten auf die Werke der deutschen Romantiker und des mittelalterlichen deutschen Epos. „Diese Motive kann man tatsächlich nicht bei allen Künstlern feststellen, aber alle versuchen es mehr oder weniger“, sagt Bakanov. „Es wäre sinnvoll, eine Galerie mit Arbeiten der Russlanddeutschen zu gründen. Ansonsten wird alles, was wir machen, verstreut.“

Der Moskauer Künstler Andrej Knoblok, Sohn eines sowjetischen Theaterkünstler und ausgezeichneten Künstlers der RSFRS, findet, dass Gemeinsamkeiten in der Technik der Künstler festzustellen sind: „Die Deutschen sind ein aufmerksames und genaues Volk, das ist auch in der Malerkunst ersichtlich. Wenn man genau hinschaut, dann kann man diese genauen und sogar trockenen Linien und Merkmale sehen. Typische russische Künstler malen anders: kühn und manchmal sogar unordentlich. Das unterscheidet auch die Moskauer Künstlerschule – die Realität und Ausgelassenheit. Die Petersburger Schule stellt diese eine gewisse starke Stilisierung und Grafikqualität gegenüber. Die Russlanddeutschen spiegeln beide Schulen wider, aber ich finde, dass die Kunst der Russlanddeutschen näher zur Petersburger Schule steht. Es gibt aber auch Ausnahmen. Die Moskauer Künstlerin Irina Marz, zum Beispiel, malt sehr ausgelassen“, erzählt der Künstler. Knoblok meint, dass die deutsche Künstlerschule sich mit der Zeit auskristallisieren und deutlich von anderen unterscheiden wird.

Aber das ist kein einfacher Vorgang. „Ich denke, dies würde schneller passieren, wenn es mehr Begegnungen zwischen den Russlanddeutschen in Russland und Deutschland gäbe“. Nach Meinung von Irina Marz, kann man zurzeit über keine besondere Richtung in der Kunst nicht sprechen. Es gibt viele herausragende Russlanddeutsche und namenhafte Künstler, aber es fehlt bis jetzt noch an einer gemeinsamen Künstlersprache und Künstleraufgabe. „Jeder tritt in unseren Kreis mit eigenem Gepäck“, erklärt die Künstlerin. Was uns vereint ist die gegenseitige Bereicherung.

Die russlanddeutsche Künstlervereinigung katalysiert diesen Prozess. So wurde anlässlich des Reformationsjubiläums eine große Ausstellung organisiert. In diesem Frühjahr werden in Moskau und Berlin Arbeiten vorgestellt, die ein künstlerisches Objekt vereint – evangelische Kirchen. Die Bilder wurden im August vergangenen Jahres im ehemaligen Wolgagebiet angefertigt. Dieser Austausch ist auch für Russlanddeutsche interessant, die sich bisher noch nicht mit ihrer Vergangenheit beschäftigten. Die Illustratorin und Designerin Tatjana Reter aus Barnaul arbeitet sogar zum arbeiten in die Vereinigten Staaten eingeladen, wo sie mit ihrem Mann Andrej Reter regelmäßig Ausstellung organisiert. Sie sind noch keine Mitglieder der russlanddeutschen Künstlervereinigung, möchten aber gerne beitreten: „Das ist schon mal eine Möglichkeit, mit Gleichgesinnten zusammenzukommen. Das hilft dabei, Kontakte zu knüpfen, etwas Neues von anderen Künstlern zu lernen“, denkt Tatjana.

So oder so ist die Vielseitigkeit der russlanddeutschen Kunst eher ein Vorteil als ein Nachteil. Dies ist eine gute Gelegenheit, Themen auf verschiedene Art und Weise zu beleuchten.