Brücke zwischen zwei Völkern

Olga Martens hat Anfang Oktober an der Internationalen Konferenz „Deutsche und Russen: wie sehen sie sich gegenseitig? Wechselseitige Wahrnehmungen: gestern, heute, morgen“, organisiert von der Stiftung „Russkij mir“ und der Friedrich-Ebert-Stiftung in Moskau, teilgenommen. 

Die erste stellvertretende Vorsitzende des Internationalen Verbands der deutschen Kultur (IVDK), Olga Martens hat Anfang Oktober an der Internationalen Konferenz „Deutsche und Russen: wie sehen sie sich gegenseitig? Wechselseitige Wahrnehmungen: gestern, heute, morgen“, organisiert von der Stiftung „Russkij mir“ und der Friedrich-Ebert-Stiftung in Moskau, teilgenommen.

In ihrem Vortrag „Rolle der Kultur und Medien in der Wahrnehmung der jeweils Anderen“ erzählte sie über die Russlanddeutschen, die in Russland leben, und deren Beziehungen zu jenen Deutschen, die nach Deutschland ausgesiedelt sind. Dabei erläuterte Olga Martens u.a. auch den Einfluss der derzeitigen Krise auf die im Zeitraum der letzten 25 Jahre bestehenden positiven deutsch-russischen Beziehungen.

„Der hervorragende russische Wissenschaftler und Akademiker Boris Rauschenbach sagte nicht nur einmal: „Ich bin Russisch und Deutsch gleichermaßen.“ Das gleiche kann man über viele Russlanddeutsche sagen. Wir wuchsen in Russland auf, absorbierten die russischen Sitten und Wertvorstellungen, aber zu Hause, in der Familie, sprachen wir immer Deutsch. Viele unserer Landsleute - in der Vergangenheit sowjetische (russische, kasachische, usbekische und andere) Deutsche, von denen die Mehrheit in Deutschland lebt, sagen nichtsdestotrotz: „Hier (in Deutschland) sind wir - Russen, dort drüben - Deutsche“. Sie sprechen darüber mit einer gewissen Verbitterung, aber in der deutschen Gesellschaft wird diese Tatsache als großes Integrationsproblem, in Russland wiederum als „deren Problem“ betrachtet. Dieses soziokulturelle Phänomen, das nicht zuletzt mit Hilfe von Massenmedien erzeugt wurde, kann auch als Tatsache des kulturellen Wandels, dem die Deutschen, die in Russland im Laufe von Jahrhunderten lebten, unterlagen, aber auch als großes Potential und Ressource für die deutsch-russischen Beziehungen gesehen werden. Die „russische Komponente“ in der deutschen Kultur ist groß, noch größer aber ist die „deutsche Komponente“ in der russischen Kultur. Dieses kulturelle Erbe muss in der Erinnerung künftiger Generationen erhalten bleiben, und nicht etwa, wie so oft in unserem Land, verschwiegen werden. (...)

In Deutschland gibt es, im Gegensatz zu Russland, kein Massenmediengesetz. Der wichtigste Garant für Meinungs- und Pressefreiheit ist das Grundgesetz. Alle Medien können frei entscheiden, welche Informationen sie der Öffentlichkeit wie präsentieren möchten. Von all den von mir im letzten Jahr studierten Informationen verbreiteten, bis auf wenige Ausnahmen, alle großen Medienhäuser in Deutschland ein negatives Russlandbild, indem sie dieses einzig und allein auf die Kritik an dem russischen Präsidenten reduzierten und zu alten Stereotypen in der Wahrnehmung Russlands als Land der Korruption, Gewalt, Mafia und des totalitären Regimes zurückkehrten. Zeitgleich stieg die Zahl der Zuschauerbeschwerden in offenen deutschen soziopolitischen Foren, wie beispielsweise publixphere.net, gegenüber deutschen Medien aufgrund der voreingenommenen, inkompetenten Berichterstattung über die Ereignisse in Russland, vor allem über den Krieg im Osten der Ukraine und den russisch-ukrainischen Konflikt, stark an. (...)

Diesen negativen Tendenzen, die die gegenseitigen positiven Bilder der vergangenen 25 Jahre gefährden, müssen wir entgegensteuern. Wie? Es ist einerseits wichtig, Bildungsmöglichkeiten für angehende Spezialisten auf dem Gebiet der Interkulturalität, Journalistik, Germanistik, Politikwissenschaft bereitzustellen, andererseits, bestehende und künftige jugend- und bildungspolitische Verbindungen auf regionaler und internationaler Ebene zu unterstützen. Ein gutes, aber bislang einziges Beispiel ist das Kreuzjahr der deutschen Sprache und Literatur in Russland und der russischen Sprache und Literatur in Deutschland (2014-2015). Zu einem gewissen Grad kann an dieser Stelle auch der Gesamtrussische Wettbewerb „Freunde der deutschen Sprache“ genannt werden. Aber auch hier gilt: diese Großveranstaltungen genossen in Russland eine viel intensivere mediale Aufmerksamkeit als in Deutschland. Ich denke, dass diese beiden Projekte sowie die horizontalen menschlichen Kontakte zu anderen zivilgesellschaftlichen Institutionen letztlich dazu beitragen werden, den ganzen angestauten Frust über die gegenseitigen überzogenen Erwartungshaltungen, die zur Abkühlung der guten Beziehungen führten, zu überwinden. Und erneut auf Augenhöhe, mit Verständnis und guter Nachbarschaft, einander zu begegnen. Ich bin überzeugt, dass alle Instrumente für eine solche Entwicklung bereits vorhanden sind: das wiedererwachende Interesse an dem Land und der Sprache, die wachsende Anzahl an Schulen mit Deutsch und Russisch als Fremdsprachen. Das genau ist jene mühselige Arbeit, die zur Annäherung führt.“

Übersetzt und gekürzt aus dem Russischen. Hier gelangen Sie zu dem Originalbeitrag.

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