Deutsch-russische Katerstimmung: In diesem Jahr fand der Petersburger Dialog statt, doch nicht alle waren zufrieden. Ein Rückblick


Immerhin sprachen sie miteinander: Nach der Absage des deutsch- russischen Gesprächsforums 2014 trafen sich Ende Oktober Vetreter der Zivilgesellschaft beider Länder. Die Reformen auf deutscher Seite passten aber nicht allen. Und in der Schlussrede des Co-Vorsitzenden Wiktor Subkow zeigte sich, wie gespannt die Beziehungen noch sind (Moskauer Deutsche Zeitung, Ausgabe Nr. 21 (412), November 2015). 

Immerhin sprachen sie miteinander: Nach der Absage des deutsch- russischen Gesprächsforums 2014 trafen sich Ende Oktober Vetreter der Zivilgesellschaft beider Länder. Die Reformen auf deutscher Seite passten aber nicht allen. Und in der Schlussrede des Co-Vorsitzenden Wiktor Subkow zeigte sich, wie gespannt die Beziehungen noch sind (Moskauer Deutsche Zeitung, Ausgabe Nr. 21 (412), November 2015).

Im alten Potsdamer Kaiserbahnhof empfing einst der deutsche Kaiser den russischen Zar Nikolaus II. Vielleicht hatten die Organisatoren des diesjährigen Petersburger Dialogs gehofft, an diese Tradition anknüpfen zu können, nachdem das zivilgesellschaftliche Gesprächsforum im letzten Jahr wegen der Ukraine-Krise abgesagt worden war.

Vom 22. bis zum 24. Oktober trafen sich nun rund 180 deutsche und russische Vertreter vor allem aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich, um in acht Arbeitsgruppen zu Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu diskutieren. Den Vorsitz führte in diesem Jahr auf deutscher Seite erstmals ein Vertrauter Angela Merkels, der Ex-Kanzleramtschef Ronald Pofalla. An der Spitze der russischen Seite stand der Gazprom-Aufsichtsrat Wiktor Subkow. Als das Dialogforum 2001 gegründet worden war, war es an die Regierungskonsultationen geknüpft. In diesem Jahr indes waren weder Wladimir Putin noch Angela Merkel zugegen. Die Krise der Beziehungen wurde so auf der politischen Ebene offensichtlich.

Nach dem Eklat im vergangenen Jahr erschien vielen vor allem auf deutscher Seite allein schon das Zustandekommen des Dialogs als Fortschritt. Nachdem 2014 vier Organisationen aus Deutschland in einem Brief an die Bundeskanzlerin erklärt hatten, am Petersburger Dialog in Sotschi nicht teilzunehmen, wurde die Veranstaltung zunächst vertragt und dann ganz abgesagt. Der Grund: der Ukraine- Konflikt und der wachsende Druck auf zivilgesellschaftliche Organisationen in Russland.

Als Konsequenz daraus wurde die deutsche Seite reformiert: Der Kreis der Mitglieder ist um mehr als ein Dutzend Vertreter zivilgesellschaftliche Organisationen erweitert worden und der als zu russlandfreundlich geltende Lothar de Maizière musste gehen.

Seit diesem Jahr sind zum Beispiel Amnesty International und die Umweltschutzorganisation Greenpeace ständige Mitglieder, beide hatten 2014 protestiert. Tobias Münchmeyer war als Vertreter von Greenpeace in Potsdam. Mit dem neuen Dialog war er grundsätzlich zufrieden. „Dieser Versuch eines Neubeginns war vielversprechend“, sagt er. Es sei auch über heikle Themen wie die NGO-Gesetzgebung in Russland gesprochen worden. Erschreckend sei aber das Ende der Veranstaltung gewesen. In der Abschlussrede des Co-Vorsitzenden Wiktor Subkow hatte sich für Münchmeyer gezeigt, „wie weit die Wahrnehmungen auseinandergehen“.

Während die deutsche Seite zunächst zufrieden schien, zeigte der Eklat am letzten Tag, wie tief die Gräben zwischen Deutschland und Russland tatsächlich noch sind. In einem sehr emotionalen Schlusswort machte Subkow seinem Ärger über die deutsche Kritik am russischen Vorgehen in der Ukraine Luft. Der Tenor: Sollte der Petersburger Dialog eine Anklagebank für Russland werden, würde er keine lange Zukunft haben.

Auch Anne Hofinga vom Deutsch-Russischen Sozialforum ist zwiegespalten, was die Neuerungen angeht. Sie befürchtet, dass sie vor allem die Fraktion der Russlandkritiker gestärkt haben. „Die Kritik ist ja nicht unbedingt falsch, aber sie ist die falsche Grundvoraussetzung für solch ein Treffen“, sagt Hofinga. Zwar empfand auch sie die Diskussionen in der AG Zivilgesellschaft als sehr fruchtbar. Nach den Reformen allerdings würden Themen, die einmal ganz selbstverständlich auf der Tagesordnung standen, so verkauft, als könne man erst jetzt über sie sprechen.

Auch Matthias Platzeck lobte die offene Diskussion. Dass der Dialog zustande gekommen ist, sei „ein positives Zeichen in einer schwierigen Zeit“, sagte der Ministerpräsident a.D., der Vorstandsvorsitzender des Deutsch-Russischen Forums ist und auch im Vorstand des Petersburger Dialogs sitzt. Einen Grund für viel Optimismus sieht er nicht. „Wir befinden uns in der tiefsten Krise seit 1990 und das hat auch die Rede von Wiktor Subkow gezeigt“, sagt er. Von einer Besserung der Beziehungen will er darum auch nach dem Petersburger Dialog noch nicht sprechen. „Aber es ist im Moment viel in Bewegung“, so Platzeck. „Im politischen Berlin ist ein Nachdenken im Gange ist. Wir stehen an einem Scheidepunkt.“

Tatsächlich hat sich auf der politischen Ebene bereits etwas getan. Kaum eine Woche nach dem Ende des Petersburger Dialogs war Wirtschaftminister und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel in Moskau zu Besuch gewesen. In einem zweistündigen Gespräch mit Wladimir Putin wurde auch über Syrien und die Sanktionen gegen Russland gesprochen. Für deren Lockerung war Gabriel bereits im September eingetreten und hatte dafür viel Kritik einstecken müssen. Dass Gabriel nicht die Linie des Bundeskanzleramts vertritt, geriet dabei beinah in den Hintergrund. Der Besuch jedenfalls war ein deutlicher Schritt auf Moskau zu.

Von Sonja Vogel
Moskauer Deutsche Zeitung

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