„Man soll sich nicht nur Hoffnungen machen“


Ex-Minister Wjatscheslaw Michailow über Lösungsmöglichkeiten der Probleme der Russlanddeutschen.

Im Vorfeld der 21. Tagung der Regierungskommission zu Angelegenheiten der Russlanddeutschen, die erstmals seit ihrem 24-jährigen Bestehen unter diesem Namen stattfindet, sprach die Moskauer Deutsche Zeitung über die Veränderungen der Kommission mit ihrem früheren Co-Vorsitzendem, dem Minister für Nationalangelegenheiten und föderative Beziehungen der Russischen Föderation von 1995-2000, Wjatscheslaw Michailow.

Wie Sie wissen, hat Russlands Präsident vor kurzem den Erlass von 1992 „Über dringende Maßnahmen der Rehabilitierung der Russlanddeutschen“ geändert und benannte die russlanddeutsche Regierungskommission um. Sie wird sich nicht mehr etappenweise um die Wiederherstellung der Staatlichkeit bemühen, sondern deren Probleme lösen. Inwiefern war das gesetzmäßig?

Es ist schwer, eine eindeutige Antwort zu geben. Ich vermute, dass es eine Illusion war, die deutsch-russische Regierungskommission mit der etappenweisen Wiederherstellung der russlanddeutschen Staatlichkeit zu beauftragen. Meiner Ansicht nach wurde in Präsident Putins Erlass hervorgehoben, dass weiterhin die Möglichkeit der Realisierung von Rehabilitationsmaßnahmen besteht.

Warum wurde aus der Idee, die viele begeisterte, eine Illusion?

Die Idee der etappenweisen Wiederherstellung der Staatlichkeit der Russlanddeutschen kam bereits in Zeiten der Perestroika auf. Es gab den Vorschlag, zuerst einen Rayon zu gründen, einen Kreis und dann erst einen Bestandteil der Föderation. Doch dies scheiterte an vielen Umständen. Am meisten wegen der Inkonsequenz der Regierung des Landes bei der Lösung der Fragen der Rehabilitierung und der Spaltung der deutschen Bewegung. Wenn während der Wende in den 90er Jahren die führenden Russlanddeutschen nicht so harte Anforderungen gestellt hätten – entweder eine Republik oder wir gehen nach Deutschland – so hätte man sich in einem dünnbesiedelten Rayon in den Gebieten Saratow oder Wolgograd, beispielsweise dem Palassovskij Rayon, niederlassen können. Das ist ein großes Gebiet, ich kenne es gut. Eine Ruine. Wären die Deutschen zurückgekommen, hätte sich die ökonomische Lage der Region um einiges gebessert. Doch die führenden Russlanddeutschen wollten alles und sofort. Aber das liegt in der Vergangenheit.

Was ist heute der Diskussionsgegenstand der Regierungskommission?

Heute muss man sich auf Kultur-, Bildungs- und Landwirtschaftsfragen konzentrieren. Soweit ich weiß haben Russlanddeutsche keine nationalen Schulen, andere Bildungseinrichtungen, Theater oder Museen. Im Wesentlichen brauchen sie eine ökonomische Grundlage für die Lösung ihrer humanitären Fragen, sie sind schwach in Regierungsorganen vertreten. Erinnern wir uns, warum Katharina II. die Deutschen eingeladen hatte. Weil sie wusste, dass dieses Volk diszipliniert, ordentlich und arbeitstüchtig ist. Die Deutschen waren für eine wahre landwirtschaftliche Revolution verantwortlich, in dem sie das Wolgagebiet und Neurusland vom 18. bis 19. Jahrhundert urbar machten. Dieser Faktor muss berücksichtigt werden. Es gibt die Information, dass ein Interesse der Deutschen, die nach Deutschland gegangen sind, an Russland besteht. Wir müssen die Gesetze über Mitbürger, die es bei uns gibt, benutzen und mit den Deutschen umfassende agrarindustrielle Komplexe aufbauen, und sie mit entsprechenden Erleichterungen unterstützen. Es ist nötig, die Arbeit der nationalen Kulturautonomie zu stärken. Auf der Tagung der Regierungskommission, die ihre Arbeit von Neuem aufnimmt, müssen alle möglichen Varianten erörtert werden. Das aller wichtigste ist, dass alle Russlanddeutschen eine Einheit bilden.

In den Jahren, in denen Sie Co-Vorsitzender der Regierungskommission waren, wurde viel getan: Es wurde das föderale Zielprogramm der Russlanddeutschen, das Gesetz „national-kulturelle Autonomie“ verabschiedet und die deutsche nationale Kulturautonomie errichtet. Glückliche Umstände oder das Ergebnis von erfolgreicher Zusammenarbeit mit den deutschen Kollegen?

Das war ein Entgegenkommen. Der Co-Vorsitzende auf deutscher Seite war Horst Waffenschmidt. Er war weise, energisch und liebte seinen Beruf als Politiker. Man konnte ihn schon von einer Entfernung von einem Kilometer hören, er hatte eine schallende Stimme. Im Ministerium für nationale Politik war ein Departement für Angelegenheiten der Russlanddeutschen tätig, obwohl wir damals die Errichtung eines unabhängigen staatlichen Komitees vorschlugen. Wir hatten die Hoffnung, dass wir mit dem Zielprogramm des Präsidenten den Entstehungsort einer kompakten Siedlung der Russlanddeutschen schaffen könnten. Die Deutschen lebten dafür. Sie arbeiteten aktiv an der Entstehung eines Vertretungsorgans – daraus wurde dann die nationale Kulturautonomie. Im Jahre 1996 wurde ein Treffen zwischen Boris Jelzin und Horst Waffenschmidt in Omsk organisiert. Bei diesem Treffen machten die Russlanddeutschen Vorschläge zur Lösung ihrer Probleme. Es wurde sogar ein Projekt eines Erlasses vorbereitet, das die Stellvertretung der Russlanddeutschen in der Exekutive und Legislative definierte. Zwar war diese Variante erst ein Entwurf, dennoch gefiel Jelzin dieser Vorschlag. Der Präsident war so sehr vom Treffen mit Waffenschmidt angetan, dass er bereit dazu war, dieses Dokument anzunehmen. Er wollte etwas tun. Aber im Endeffekt hat es nicht geklappt, obwohl 1996 das Gesetz zur nationalen Kulturautonomie erlassen wurde.

Was sind die Stärken der nationalen Kulturautonomie? Heute ist es nur eine der Gesellschaftsorganisationen.

Als ich mich mit der Erfahrung Kanadas beschäftigte, verstand ich, worin die Stärke einer nationalen Kulturautonomie liegt in einem Staat liegt: Sie gibt das Recht, seine Tätigkeiten mit eigenen Mitteln zu betreiben. In der Landwirtschaft oder Bildung. Damit hat eine nationale Kulturautonomie wirtschaftliche und rechtliche Präferenzen und kann ihre Probleme in der Entwicklung der Bildung, Kultur und Massenmedien selbst lösen. Wir haben das in der Form nicht. Wenn man Deutsche mit Erleichterungen aus dem Vermögen ihrer Organisation unterstützen würde, würden sie sich entwickeln. Sie müssen sich einigen und auf diese Weise tätig werden. Und sich nicht nur Hoffnungen machen.

Das Interview führte: Olga Silantjewa für die Moskauer Deutsche Zeitung

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