„Russlanddeutsche sollten mit Fußball assoziiert werden, so wie Deutschland“


Mitte Juni fand im Südtirol die 3. Europeada der nationalen Minderheiten statt. Russland war mit einer Frauenmannschaft sowie einer Männermannschaft „RusDeutsch“ vertreten, die den dritten bzw. fünften Platz belegt haben. Über das Turnier berichtete der Cheftrainer der Männermannschaft Andrej Rotermel.

Die Männermannschaft war bei der Europeada 2012 schon dabei und wurde fünfter. Dieses Jahr hat die Mannschaft das gleiche Ergebnis erzielt, wie bewerten Sie das?

Wissen Sie, man kann die zwei Turniere nicht mit einander vergleichen. Alle Mannschaften waren dieses Mal viel besser vorbereitet und es waren viel mehr Mannschaften beim Turnier dabei. 2012 waren es 19 Mannschaften, dieses Jahr waren es schon 24 Männermannschaften. Außerdem gab es 2012 kein Spiel um den fünften Platz, dieser wurde uns nach Punkten nach dem Viertelfinale zugeteilt. Dieses Jahr hatten wir zwei zusätzliche Spiel durchstehen müssen, um den entsprechenden Platz zu belegen. Deshalb hat uns der fünfte Platz dieses Jahr viel mehr Mühe gekostet. Bin mir nicht sicher, ob wir nach dem diesjährigen System auch 2012 den fünften Platz belegt hätten. Dieses Jahr haben wir uns den fünften Platz wirklich verdient und setzten uns jetzt neue Ziele.

Dieses Jahr hatte die Männermannschaft ein viel höheres Niveau als vor vier Jahren und konnte guten Fußball zeigen. Einfach kommen und gewinnen ist unmöglich, man braucht dafür eine grundierte körperliche und taktische Vorbereitung, sowie ein gutes Teamklima.

War das Teamklima gut?

Sehr gut. Und ich möchte mich dafür bei denen bedanken, die dazu beigetragen haben: Ekaterina Kisilewa, Irina Moltschaniva, Natalja Altner, Irina Pintschuk und Valerij Wagner. Besondere Unterstützung bekam das Team von Olga und Heinrich Martens.
Wir verstehen sehr gut, dass die Europeada für die Selbstorganisation der Russlanddeutschen eine außergewöhnliche Veranstaltung ist und trotz alledem war das Management vor und während dieser Veranstaltung ausgezeichnet. Abgesehen davon, dass wir nur Fünfte geworden sind, haben wir riesen Spaß dabei gehabt und genossen die Zusammenarbeit aufgrund des hervorragenden Teamgeistes.

Wie haben die Jungs sich im Spiel gezeigt?

Die Jungs waren sehr gut dabei, haben gekämpft und haben sich Mühe gegeben. Sie sind aus verschiedenen Regionen Russlands zusammengekommen und sind in der kurzen Zeit zu einer richtigen Mannschaft zusammengewachsen. Wir hatten es nicht einfach gegenüber den Mannschaften, die eingespielt sind und die Möglichkeit hatten, jahrelang zusammen zu trainieren. Und eben solche Mannschaften haben das Halbfinale und Finale erreicht. Es ist schwer, gegen solche Mannschaften zu kämpfen. In Betracht dessen, dass unsere Spieler aus verschiedenen Regionen kommen, war es für uns sehr schwer, die besten Spieler aus alle Regionen zu vereinen. Wir haben aber ein gutes Ergebnis erzielt.

Im Spiel um den vierten und fünften Platz spielten die Jungs auf einem Kunstrasen. Hatte dies eine Auswirkung auf den Verlauf des Spiels?

Ja, das war sehr schwer. Vor allem die Tage vorher hatten die Teilnehmer auch Spiele und die Beine wollten einfach irgendwann nicht mehr. Es fehlte eine Entspannungsphase. Die Spiele auf dem Kunstrasen ermüden sehr bei hohen Temperaturen und beschweren die Bewegung. Das Spiel auf einen Naturrasen ist viel angenehmer und die Flächentemperatur ist darauf nicht so hoch. Das Spiel auf einem Kunstrasen fordert viel mehr die Motivation. Vor allem viel es den Verletzen schwer, da ist der Kunstrasen nicht so optimal.

Wurden viele Jungs verletzt?

Ja. Es kam zu ernsthaften Verletzungen: Muskelrisse usw. Die Jungs werden aufgrund der Verletzungen eine lange Zeit wohl nicht aktiv spielen können. Sie werden nach bestimmten Untersuchungen ärztlich behandelt. Ich hoffe, dass alle bald wieder fit sind und in ihre Clubs zurückkehren werden. Ich bin überzeugt, dass die Jungs nach diesem Turnier besser in ihren Clubs spielen werden, als zuvor. Wir haben zwei Wochen in den Bergen verbracht und genug Sauerstoff getankt.

Meinen Sie, dass die Jungs die gesammelten Erfahrung in Italien auch zu Hause umsetzten können?

In der Vorbereitung haben wir viel Zeit der Theorie und Taktik gewidmet und ich denke, das können die Jungs in ihren Mannschaften auch gut umsetzen. Aber jeder Trainer hat eine eigene Theorie und Methodik, wenn alle das gleiche System hätten, hätten die Spieler viel mehr mit nach Hause nehmen können. Aber es ist eine tolle Erfahrung, sie konnten auch sehen, wie andere Mannschaften spielen.

Das wichtigste, was die Europeada erreicht hat – sie hat eine große Mengen von Menschen vereint. Das Interesse dieses Jahr war um einiges höher als 2012. Diesmal spielten die Jungs nicht nur für sich selbst, sondern für die Bewegung der Russlanddeutschen, für Russland. Dabei haben sie nicht nur alle Kräfte dafür geopfert, manche sogar die Gesundheit.

Ich denke, dass viele von den Jungs sofort wieder dabei sein würden, auch bei der nächsten Europeada. Wenn sie körperlich bis dahin fit sind und die Möglichkeit bestehen wird, dann freuen wir uns in vier Jahren alle wieder zu sehen.

Wie werden die Vorbereitungen Meisterschaft 2020 laufen?

Es ist nicht einfach eine Antwort auf diese Frage zu geben: Ich war als Cheftrainer dabei. Wie es in diesem Bereich weiter geht, kann ich nicht sagen. Aber eins ist klar – es muss systemtisch weiter gehen, ansonsten kann man nicht mit guten Ergebnissen rechnen. Im Großen und Ganzen war es kein Zufall, dass die Mannschaft dieses Jahr besser war als 2012. In den letzen vier Jahren ist das Interesse in den Regionen zum Fußball gestiegen. Ich bin der Meinung, dass Russlanddeutsche in Russland mit Fußball assoziiert werden sollten, so wie es in Deutschland ist, wo Fußball Sportart Nummer 1 ist und alle Fußball leben.

Was ist Ihrer Meinung nach dafür notwendig?

In Russland war Fußball noch nie an erster Stelle. Den Russlanddeutschen gelingt es in letzter Zeit bestimmte regionale Fußballturniere durchzuführen und dabei mindestens einmal im Jahr spielt die Mannschaft zusammen. Es ist wünschenswert, dass es regelmäßiger geschieht, so dass man dann auch tatsächlich die besten Spieler in die Mannschaft holen kann. Dabei spielt die Motivation eine wichtige Rolle und die Jungs sollten dabei verstehen, für wen und für was sie spielen und aus welchen Gründen diese Turniere überhaupt stattfinden. Das kann man mit der Zeit erst erreichen, dabei spielt die Kontinuität eine große Rolle.

Die Mannschaften, die ebenso an der Meisterschaft teilgenommen hatten, sind sehr gut ausgestattet, angefangen mit Kleinigkeiten bis auf Flaschen fürs Wasser, Taschen für die Trikots. Besonders zu erwähnen dabei ist der Trainerstab, der aus mindestens 5-6 Trainer besteht. Jeder Trainer hat eine bestimmte Aufgabe und erfüllt nur diese Funktion. Eine wichtige Rolle spielen die Ärzte und Masseure, die diesmal auch mit uns dabei waren. Ein besonderer Dank geht an die Selbstorganisation der Russlanddeutschen! Es mangelte in unserer Mannschaft an Sportausstattung, sowie an der nötigen Ernährung, um Kräfte wiederherstellen zu können. In sieben Tagen sechs Spiele zu haben ist eine kolossale Belastung für die Jungs gewesen. Aber ich hoffen, dass die Professionalität bis zur nächsten Meisterschaft wächst, nicht nur bei den Spielern, sonder auch bei den Trainern, Managern. Ich hoffe sehr, dass das System der Vorbereitung auf die Meisterschaften sich weiter entwickeln wird.

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