Russlanddeutsche Künstler im Wandel der Zeit


Anfang Dezember 2016 in Köln präsentiert Verein IRWA das von der Bezirksregierung der Stadt Köln geförderte Projekt „Russlanddeutsche Künstler im Wandel der Zeit“ mit Darstellung eines Lexikon über die russlanddeutsche Künstler in Deutsch-Russischer Sprache.

Das Projekt richtet sich generationsübergreifend sowohl an Russlanddeutsche Spätaussiedler, als auch an die breite Öffentlichkeit Deutschlands. Das Ziel des Lexikons ist Darstellung der 300-jährigen Geschichte der deutschen Künstler in Russland und 25-jährigen Geschichte in Deutschland auf der Grundlage des aktuellen Forschungsstandes. Außerdem wird es der Verbesserung des Verständnisses von der Wichtigkeit der Erhaltung des Kulturgutes dieser russlanddeutschen Bevölkerungsgruppe beitragen.

Nach dem Ukas (Erlass) 1702 des jungen russischen Zaren Peter I über die Anwerbung ausländischer Fachleute nach Russland mit besonders günstigen Bedingungen (Glaubensfreiheit, Ausreisefreiheit, hohe Belohnung für diejenigen, die in den Zarendienst eintraten), und Befreiung von verschiedenen Steuern und Pflichten für die „freien“ Handwerker, fuhren aus Europa neben Handwerker, Bauern, Kaufleute und Wissenschaftler auch Künstler nach Russland. Dies war der Beginn des Phänomens, für das man in Russland den Begriff „Rossica“ geprägt hat .Als „Rossica“ bezeichnen die russischen Fachleute die Kunst der Ausländer, die einige Jahre in Russland in den 18. und 19. Jahrhunderten tätig waren und dann nach Deutschland zurückkehrten. Es wurden deutsche Künstler aus verschieden Orten Deutschlands nach Russland eingeladen. Sie schufen Bilder in allen möglichen Gattungen, sowie Ikonen und Altarbilder für die neuen Kirchen in St. Petersburg, beschäftigten sich mit der Wandmalerei für die neu gebauten Paläste, fertigten Dekorationen für die Feste.

Außerdem wurden sie vom Zaren Peter I verpflichtet, den jungen russischen Künstlern Ölmalerei und Zeichnung beizubringen. Das waren Maler - Heinrich Scheib aus Hamburg, Georg Grube aus Danzig, Johann Tannauer aus Niedersachsen, Johann Grimmel aus Memmingen; Bildhauer und Architekten - Gottfried Schädel aus Hamburg, Andreas Schlüter aus Danzig u.a. In der Geschichte der deutschen bildender Kunst in Russland gab es im Laufe des 18. Jahrhunderts ca. 500 Vertreter der verschiedenen künstlerischen Berufe wie: Maler, Stecher, Dekorateure, Medailleure und Kutschenhersteller. Die Künstler deutscher Herkunft haben bei der Entwicklung der 1757 gegründeten Kaiserlichen Akademie der Künste in Sankt Petersburg beigetragen. Das waren hervorragende Maler wie: Karl Brjullov, Franz Krüger, Konstantin Juon, Teodor Buchholz und noch 65 weitere Maler; Bildhauer wie: Friedrich Galber, Peter Clodt von Jürgensburg, Matwej Maniser und noch 10 andere; Architekten wie: Andreas Schlüter, Johann Gottfried, Konstantin Thon, Franz Schechtel und noch 12 andere.

Im 18. Jahrhundert füllten die nach Russland kommenden Künstler zahlreiche „weiße Flecken“ auf der Karte von der Entwicklung der neuen weltlichen Kunst. An der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert war Russland schon ein Land mit ausreichend entwickelter künstlerischen Infrastruktur und gut ausgebildeten eigenen Künstlern. Dementsprechend wurden die Beziehungen zwischen eigener Kunst und den aus Europa kommenden Künstlern vielfältiger und komplizierter.

Für die Geschichte der russischen Kunst waren die Maler deutscher Abstammung, die sich mehr oder weniger in das Leben Russlands integriert hatten, sehr bedeutend. Im 18. Jahrhundert waren dies nur äußerst seltene Einzelfälle. Im 19. Jahrhundert wurden solche Persönlichkeiten ziemlich typisch. Nicht selten gehörten diese Künstler zur zweiten Generation von mittlerweile in Russland fest etablierten Künstlerfamilien.

Besonders viele deutsche Künstler wanderten nach Russland nach dem Manifest der Zarin Katharina die Zweite vom 22. Juli 1763, in dem Ausländer eingeladen wurden, sich in Russland anzusiedeln. Die Zarin Buchumschlag des Lexikons hatte vor allem im Sinn, Deutsche nach Russland zu locken um das noch in Leibeigenschaft verharrende Land im wirtschaftlichen Aufschwung zu fördern. Dem Ruf der Zarin folgten rund 100 000 Deutsche aus sämtlichen Regionen: Hessen, Baden Württemberg, Rheinlandpfalz, Elsass, Westpreußen und der Oberlausitz. In Russland übernahmen die deutschen Siedler nicht nur wichtige wirtschaftliche, wissenschaftliche, sonder auch kulturelle Aufgaben.

Die Veröffentlichung (Lexikon) über die deutschen Künstler aus Russland sollte zeigen, welchen positiven Einfluss diese Deutschen in Russland hatten und welche positiven Eigenschaften sie zurück nach Deutschland gebracht haben.

Das Lexikon ist wichtig, da in der Bürgergesellschaft die Kultur und Geschichte der Aussiedler noch nicht hinlänglich bekannt ist. Sie ist auch vielen jungen Aussiedlern oder Nachkommen von jungen Aussiedlerinnen und Aussiedlern nicht bekannt. Auf Grund dessen ist es notwendig, noch weitere Aufklärungsarbeit zu leisten und sowohl die deutsche Öffentlichkeit und Gesellschaft, als auch Deutsche aus Russland zu erreichen.

Für viele staatliche und zivilgesellschaftliche Akteure sind die Russlanddeutschen inzwischen zu wichtigen Kooperationspartnern in den Bereichen Integration, Kultur, Ehrenamt usw. geworden. Mit der allgemein stetig wachsenden Bedeutung einer gelungenen Integration von „Menschen mit Migrationshintergrund“ steigt auch das Interesse an die Russlanddeutschen, aber auch die Erwartungen an sie. Gewissermaßen im „Nebeneffekt“ wird sich daraus auch eine verbesserte Kenntnis der besonderen Qualität der historischen und gegenwärtigen deutsch-russischen Beziehungen ergeben.

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