Osterglocken


Wie sich Christen auf ihr wichtigstes Fest vorbereiten, schreibt die Moskauer Deutsche Zeitung in ihrer neusten Ausgabe.

An Ostern, das dieses Jahr von allen christlichen Konfessionen gleichzeitig gefeiert wurde, am 16. April, kamen tasende Gläubige in die Kirchen dutzender Städte Russlands. Die feierlichen Gottesdienste bieten die Möglichkeit, festzustellen, wie viele evangelischen Gläubiger es im Land gibt. „Unsere Kathedrale besuchen durchschnittlich nicht mehr als 150 Menschen, aber an Weihnachten und Ostern sind es um die 500 Menschen", betont der Pfarrer der evangelischen Peter und Paul Kirche in Moskau Viktor Weber. „Gott sei Dank ist unsere Kirche sehr groß und reicht für 1000 Besucher“.

"Die Zahl der Evangelisten in unserem Land zählt nach verschiedenen Schätzungen zwischen 85.000 und 170.000", so die Spezialistin für evangelische und katholische Kirchen in Russland Olga Lizenberger. Vor einiger Zeit waren die Zahlen noch ganz anders: Vor der Revolution wohnten in Russland fast 3,7 Millionen Evangelisten, davon etwa 2,5 Millionen in Baltikum. Der Oktober 1917 hat diese Zahlen wesentlich korrigiert. Offiziell gibt es kaum noch Evangelisten. Aber viele Russlanddeutschen haben ihren Glauben beibehalten, auch in den schweren Zeiten der Deportation.

Pfarrer Viktor Weber kann sich heute noch daran erinnern, wie er mit seinem Opa zum Gottesdienst in ein privates Gebetshaus gegangen ist, der Weg dorthin war geheim. Sein Opa spielte Akkordeon und sang Volkslieder und seine Oma backte an Ostern traditionelle deutsche Leckereien mit ihrer Freudinnen. Der Gottesdienst war in deutscher Sprache und der kleine Junge genoss, ohne ein Wort zu verstehen, die Schönheit des Kirchendienstes. Gerade das Singen des Kirchenchores sowie die Predigten sind seine besten Kindererinnerungen geblieben.

Zum Glauben selbst kam er bereits im erwachsenen Alter. Heute kennt er sich mit den Ostertraditionen in der evangelischen Kirche sehr gut aus und gibt gerne Auskunft: „Evangelisten fasten nicht so streng wie die Orthodoxen. Man entscheidet für sich selbst, wie man fastet. Das Wichtigste in der Fastenzeit ist der Dialog mit Gott, Gottesdienstbesuche, das Beten und das Lesen der Bibel. Wenn man eine Familie hat, dann ist es wichtig den Gedanken der Auferstehung Gottes weiterzugeben. In unserer Kirche wird die Broschüre „Gotteswort“ zum Lesen, Nachdenken und Mitsingen verteilt. Beim Abendgottesdienst am Aschermittwoch wird die Stirn mit einem Ascherkreuz gekennzeichnet, das heißt die Karwoche beginnt. Die Kirche wird mit Blumen geschmückt."

Beim Gottesdienst am Karfreitag sind es lila Blumen, die gleiche Farbe hat auch das Gewand des Pfarrers. Und am Ostersonntag herrscht dann die weiße Farbe als Symbol der Sauberkeit und des Sieges. Die Kirche wird mit weißen Blüten aus Lilien und Gänseblümchen geschmückt, die Parameter werden mit weißen Decken abgedeckt. Die Evangelisten haben eine Brauch: Sie stecken Kresse in ein Lehmgefäß, die bis Ostersontag aufgehen soll. An Ostern werden dann die Ostereier, Süßigkeiten und Schokohasen in der Kresse versteckt. Die Kinder müssen dann danach suchen. Mit ausgeblasenen bemalten Eier werden Bäume geschmückt.

Am Samstag findet der Abendgottesdienst statt: Um 19 Uhr wird vor der Kirche ein Feuer gemacht. Die ganze Kirchengemeinde versammelt sich um das Feuer. Vom Altar wird eine große weiße Kerze, die mit einem Kreuz geschmückt ist, gebracht. Der Pfarrer zündet diese vom Kirchenfeuer an und führt die Kirchengemeinde in die dunkle Kirche. Der Pfarrer leuchtet der Kirchengemeinde den Weg und wiederholt dabei dreimal: „Christus – das Licht der Welt!“ Jeder Angehöriger der Kirchengemeinde zündet seine eigene kleine Kerze von der großen Osterkerze an. So wird es langsam hell in der Kirche. Dieser Teil des Gottesdienstes zeigt die Auferstehung von Christus. Am nächsten Tag finden in vielen Ländern Osterfrühstücke statt, dabei versammeln sich alle Gläubiger und Essen am Osterzopf." Die evangelisch lutherische Kirche Russlands pflegt nach wie vor die deutschen Kirchentraditionen.