Anfang gut, Ausklang gut


Vom 10. bis 14. Mai fand in Tomsk das Seminar „Übersetzungsschule 2017“ statt. Hier ein persönlicher Eindruck eines Teilnehmers.

Mit wahnsinnig großer Freude empfing ich die Einladung, am, vom IVDK geförderten Dolmetscher- und Übersetzerseminar teilzunehmen. Das Motivationsformular habe ich blitzschnell ausgefühlt, weil ich in dem beigelegten Programm Unterrichtseinheiten fand, welche ich in meiner beruflichen Tätigkeit, sowohl als Dolmetscher, als auch als Übersetzer erfolgreich verwerten könnte: Den herausragenden Pädagogen in Phonetik Roman Matwejew, Professor Dulson und andere Trainer außer Olga Prinzipalowa, die Wirtschaftsdeutschlehrerin, kannte ich aus den vorigen Seminaren. Darüber hinaus wären neue Geschäftskontakte sowie Erfahrungsaustausch während den Kaffepausen und des gemeinsamen Essens sehr gut realisierbar.

Als dreifacher Teilnehmer wusste ich ganz genau, dass das Tomsker Russisch-Deutsches Haus mit seiner, von dem Herrn Geier geleiteten, exakt wie eine Schweizer Uhr funktionierenden Mannschaft ein bewährter Spitzenreiter auf diesem Gebiet ist: Organisation, Kommunikation, Unterkunft und Essen war ohne Zweifel wie immer hervorragend und ließ keine Wünsche offen. Auch das Seminarprogramm war mit dem Wirtschaftsdeutsch erweitert und gut strukturiert.

Seit unserer Ankunft in DRH Tomsk bepummelte uns eine sehr nette scheinbar unermüdliche Projektbetreuerin Elena Alexeyevna, welche praktisch in allen Fragen von der Dokumentengestaltung über das Kaffee nach einer langen Reise zu bieten bis hin zu Geldautomatsuchen Hilfe leistete.

Am ersten und am zweiten Tag übernahmen den Unterricht die Trainer aus Tomsk. Gespannt erwartete ich Vorlesungen von Professor Alfred Dulson und dem herausragendem Dolmetscher, dem ehemaligen Protokollchef des Gouverneurs vom Gebiet Tomsk Nikolai Loginow sowie dem Stilistikexperten Juri Kabenko. Der am ersten Nachmittag gehaltene inhaltsreiche Vortrag vom Professor Dulson verwandelte sich am Ende zu einem sehr produktiven Dialog mit dem Auditorium, welcher keinen kalt ließ. Der Unterricht von Herr Loginow unterstützt von einer übersichtlichen Präsentation verlief im Wesentlichen auch dank seinem unglaublichen Charisma und Humorgefühl rapide, aber sehr effektiv. Stilistik unterrichtet von Jury Kobenko war wie immer sehr interessant und für mich etwas schwer, weil ich beruflich hauptsächlich technische Texte übersetzte, gab aber einen schönen Anstoß, meine Sprachkompetenz zu vervollkommnen. Das einzige, was mir fehlte, dass die Trainer ab und zu auf Russisch umgeschaltet haben, wobei ich ihr schönes Deutsch nicht vollständig genießen konnte.

Apropos: Tomsk ist ein ideales Treffpunkt für Leute mit Sprachkompetenz. Am zweiten Morgen lernte ich ein Lehrer aus Belgien kenne, wir kommunizierten auf Englisch und wir nahmen an einem Tisch Platz im Buffet, um das Bla-bla-bla-Gespräch zu starten. Bei einer Frage, warum ich so einen europäisch klingenden Namen hatte, musste ich auf Deutsch umschalten, um das Thema der Russlanddeutschen kurz aber präzise zu schildern. Das hat er fast erwartet, Deutsch schien er genauso gut zu verstehen wie Englisch. Was ihn aber wirklich irritierte: Unsere schick und geschmacksvoll angezogenen Teilnehmerinnen, einige betraten das Buffet, die anderen verließen es. .

Am dritten Tag erwarteten wir mit Neugier unsere liebe Trainer aus Moskau: den schon erwähnten Roman Matwejew und die Wirtschaftsdeutschlehrerin Olga Prinzipalowa, welche an ihrem Geburtstag als Trainer auftreten musste, was sie auch brillant machte. Als Lehrerin brachte sie uns mit Leib und Seele in ihrer humorvollen Art und Weise sowohl Rechtsformen als auch Wirtschaftbegriffe und -erscheinungen so meisterhaft bei, dass wir mit Lächeln und Lachen umfangreiche Informationseinheiten beherrschen konnten.

Die danach folgende dirigierte Phonetik von Roman konnte keine Teilnehmerinnen und Teilnehmer kalt lassen. Roman hat nämlich von seinem Pädagogen, dem berühmten Phonethiklehrer des Moskauer linguistischen Instituts, eine einfache, aber sehr effektive Übungstechnik für deutsche Vokale geerbt, welche sich gut bewährte. Unser am ersten Tag sehr schlecht stimmendes phonetisches Orchester wies schon am zweiten Tag dank unserem energiegeladenen Dirigenten einen wesentlichen Fortschritt auf: sowohl die i:-, e:-, o:- und u: - Akkorde als auch Diphthonge klangen ziemlich genau. Wir arbeiteten zwar mit kurzen Zyklen aber so intensiv, dass der Morgengrauenvogelgesang mit seinem vin, fin, sin, din die Stille des neugeborenen Tages gewaltig an die bevorstehende Phonetik erinnernd zu explodieren schien. Während der Pause bestach Roman auch durch seine phantastische Bereitschaft auch seine persönliche pädagogische - und Dolmetschererfahrungen zu multiplizieren. Jede an ihn gerichtete Frage wurde mit einem ausführlichen zutreffenden Ratschlag beantwortet. Und all das in einer humorvollen offenen Atmosphäre. Mir persönlich fehlte allerdings ein kleines der Technik gewidmetes Büchlein oder eine Präsentation.

Während der Mittagspausen fehlte uns leider für die letzten zwei Tage extrem der Chef von der „Kulturfallschirmjägergruppe“, Alexander Geier, der sonst die Konversationen auf Deutsch, oder aber lieber auf Dialekt spontan anstiftete, was dem Seminar ein besonderes Gepräge verlieh, wodurch Deutsch beim Kaffeetrinken leider praktisch auf null gesunken wurde.

Nun war das Seminar zu Ende. Zertifikate und Erfahrungen austauschen stand nun bevor. Meine am Ende des Seminars ausgesprochenen Wünsche wollte ich auch bei meiner weiten Reise noch erweitern, um Schlussfolgerungen zu ziehen: Bei der Programmentwicklung müssen, meines Erachtens, Dolmetschen und Übersetzen als A und O betrachtet werden, das Übrige - als Instrument. Um das deutschsprachige Milieu simulieren zu können, müssen auch die Kaffee-Pause-, sowie Mittag- und Abendessenkonversationen verdeutscht werden. Beim Mittag- und Abendessen lassen sich auch verschiedenste Dolmetschersimulierungen realisieren. Mir als Dolmetscher und Übersetzer gab, leider, ein sehr interessanter und inhaltsreicher auf Russisch gehaltener Vortrag von Professor Dulson nicht viel. Wenn wir ihn aber simultan dolmetschen lassen würden, hätten wir eine gute Chance, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Ich zweifle auch, dass auf Russisch dargelegte Dialektenübersicht von Oleg Alexandrow im heutigen Format von einem Dolmetscher/Übersetzer effektiv verwertet werden könnte. Sie muss meiner Meinung nach mindestens auf Deutsch dargelegt und mit Übungen in Dolmetschen und Übersetzten intensiviert werden.

Ob Übersetzer und Dolmetscher getrennt geschult werden müssen oder aber ob berufliche Übersetzer und Dolmetscher aktiver einbezogen werden müssen, kommt gleich auch in Frage.

Ausklang: Jegliche Kulturveranstaltung lässt in Tomsk individuell aus dem Stegreif organisieren. Man brauchte nur beispielsweise im Park eine Promenade zu machen, um schöne Eindrücke zu holen. Viel zu sehen gibt es in Tomsk zweifellos. Was mich aber ganz und gar zum Ausrasten brachte, war ein bunt bemaltes, unter dem freien Himmel mitten im Park stehendes Klavier gedeckt vom transparenten Abdach. Die Passanten (Jungen, Mädchen, Paare, Studentengruppen) kamen zum Instrument, um sich für Minuten in die Musiker zu verwandeln und weiter auf den Weg zu machen. Exakt um 24 Uhr begann das improvisierte halbstündige Konzert von einem salopp angekleideten Jungen, der einfach virtuos spielte, um einen aktiven Applaus von den echten Musikliebhabern, welche weder vom etwas falsch gestimmten Instrument noch vom der nahe liegenden Karaoke absolut ungestört zu schienen, zu bekommen. Von der Verführung zu musizieren konnte auch ich nicht loszuwerden und wagte trotz dem schon von Tomskern hoch angegebenen Ton, mein wesentlich bescheideneres aus „Zyganotschka“ und einigen Hits aus 80-er und 90-er bestehendes Repertoire, aufzuführen. Bei meiner Aufführung lernte ich einen begabten und höchst intelligenten jungen Musiker, Akkordeon-, Gitarre-, Trompete- und Klavierspieler namens Kiril kennen, um mit ihm in fünf Minuten „Hit the road Jack“ zusammenzuspielen. Als Ausklang wäre mir natürlich „Rosamunde“ lieber, welche aber mein frischgebackener Freund, leider, nicht kannte.

Ganz herzlich bedanke ich mich bei IVDK, TORDH, allen Trainern, Teilnehmerinnen und Dmitrij, der ab und zu seine Schulbank verlassen musste, um besonders interessante Seminarszenen zu fotografieren. Herzlich willkommen in Tomsk möchte ich sagen, weil ich mich hier immer wie zu Hause fühle.

Erfahren Sie hier mehr über die Übersetzungsschule in russischer Sprache.