Das Schicksal eines Genies durch das Prisma dreier großer Kompositionen: ein offenes Treffen zum 90. Geburtstag von A. Schnittke im DRH in Moskau


Am 25. März fand im Deutsch-Russischen Haus in Moskau im Rahmen des Projekts „Offene Treffen“ eine Veranstaltung statt, die dem 90. Geburtstag von Alfred Schnittke, dem herausragenden Komponisten des 20. Jahrhunderts, gewidmet war. Die Veranstaltung wurde von der Gründerin, Intendantin und Dirigentin des Orchesters „Nowaja Moskwa“ (dt.: Neues Moskau), Dajana Hoffmann, geleitet.

Gleich zu Beginn des offenen Treffens, das den Titel „A. Schnittkes ‚(Anti‑)Symphonie‘. 90. Geburtstag eines Genies“ trug, gab Dajana Hoffmann zu, dass sie sich entschlossen habe, vom allgemein üblichen Format der Vortragspräsentation abzuweichen.

„In der heutigen Welt werden wir ständig von einer riesigen Menge visueller Informationen begleitet.

Wir lesen viel und unsere Augen sehen durchgehend irgendwelche Bilder. Gleichzeitig habe ich als Musikerin den Eindruck, dass unser auditiver Kanal, unsere Fähigkeit zuzuhören, etwas verkümmert.

Deshalb möchte ich heute ein Experiment durchführen, wie wir Musik wahrnehmen“.

Deshalb beschloss die Musikerin, das Treffen in Form einer interaktiven Veranstaltung zu gestalten. Sie sprach nicht nur über das erstaunliche und schwierige schöpferische Schicksal des deutsch-russischen Genies Alfred Schnittke, sondern stellte dem Publikum auch drei seiner großen Werke vor: „Requiem“, „Symphonie Nr. 1“ und „Tango im Irrenhaus“.

Nachdem die Dirigentin Zettel und Stifte an die Teilnehmenden verteilt hatte, stellte sie den Gästen des Abends eine kreative Aufgabe: Sie sollten nicht nur die Werke des herausragenden Komponisten hören, sondern auch aufschreiben, welche Assoziationen, Gefühle und Emotionen diese Musik bei jedem von ihnen hervorruft.

Alfred Schnittke ist der Komponist von neun Symphonien, obwohl es eigentlich zehn sind. Tatsache ist, dass der Komponist beschloss, dass seine erste Symphonie nicht der Aufmerksamkeit wert war und sie zur „Nr. 0“ machte. Schnittke nannte seine erste Symphonie „(Anti-)Symphonie“. Sie vereint viele verschiedene musikalische Elemente, darunter auch Jazz.

Einer der Höhepunkte im Schaffen des Komponisten war die „Symphonie Nr. 9“, die Schnittke in seinen letzten Lebensjahren schrieb. Unter Musikern herrscht die Meinung, dass auf der Symphonie Nr. 9 ein Fluch liegt: Viele Komponisten sollen nach der Komposition der neunten Symphonie gestorben sein.

Über die Persönlichkeit von Alfred Schnittke zitierte Dajana Hoffmann den herausragenden österreichischen Komponisten Gustav Mahler: „Ich bin dreimal meiner Heimat beraubt worden. Als Tscheche unter Österreichern, als Österreicher unter Deutschen und als Jude auf der ganzen Welt“.

Alfred Schnittke selbst hat von sich folgendermaßen gesprochen:

Die Wirklichkeit hat mich, der kein bisschen russisches Blut hat, aber Russisch spricht und denkt, hier leben lassen. Ich begann eine doppelte Fremdheit zu empfinden – als Halbdeutscher und Halbjude.

Nach den Erinnerungen von Alfred Schnittkes Frau war es die Mischung verschiedener Kulturen, die einen großen Einfluss auf das Werk des Komponisten hatte. Darunter die komplizierte Geschichte von Russland, Deutschland und dem jüdischen Volk.

Während des offenen Treffens teilte Dajana Hoffmann auch ihre Eindrücke von ihrer jüngsten Reise in die Wolgaregion:

Diese Reise hat mein Bewusstsein auf den Kopf gestellt. Die Geschichte meiner Familie ist mit Russlanddeutschen verbunden und ich arbeite seit langem mit dem Deutsch-Russischen Haus zusammen. Und so reiste ich in die Wolgaregion. Ich war in Saratow, Marx und Engels, wo Schnittke geboren wurde. Ich war unglaublich beeindruckt von diesen Städten.

Übersetzt aus dem Russischen von Evelyn Ruge

Rubriken: VeranstaltungenVerschiedenes