Von Deutschland nach Russland und zurück

Ein geschichtsträchtiges Wochenende erlebten die Teilnehmer des Seminars „Geschichte kennen – Zukunft gestalten“ vom 21.06.2014 bis zum 22.06.2014 in Göttingen, mit freundlicher Unterstützung durch das Förderprogramm des Landes Niedersachsen "GENERATION 2.0". Über die Geschichte der Deutschen aus Russland, die Identität und Jugendarbeit wurde gesprochen und diskutiert. Ein spannender und lehrreicher Filmabend stellte nochmal visuell die Situation der Deutschen aus Russland damals und heute dar.

Ein geschichtsträchtiges Wochenende erlebten die Teilnehmer des Seminars „Geschichte kennen – Zukunft gestalten“ vom 21.06.2014 bis zum 22.06.2014 in Göttingen, mit freundlicher Unterstützung durch das Förderprogramm des Landes Niedersachsen "GENERATION 2.0". Über die Geschichte der Deutschen aus Russland, die Identität und Jugendarbeit wurde gesprochen und diskutiert. Ein spannender und lehrreicher Filmabend stellte nochmal visuell die Situation der Deutschen aus Russland damals und heute dar.

Göttingen. Die Geschichte der Deutschen aus Russland hat interessante, vielseitige, aber auch erschreckende Fassetten. Die, besonders, mit dem Zweiten Weltkrieg einhergehenden fatalen Folgen, brachten für die Deutschen aus Russland Leid und Entbehrung. Familien wurden auseinander gerissen, deportiert, Menschen umgebracht. Deutsche aus Russland mussten jedoch nicht nur der grausamen Zeit im Zweiten Weltkrieg trotzen.
Wie die Teilnehmer des Seminars erfahren konnten, gab es Deutsche bereits seit der Hanse, zumeist als in der Stadt lebende Fachleute. Eindrucksvoll und begeistert führte Dr. Dr. h.c. Alfred Eisfeld, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kultur und Geschichte der Deutschen in Nordosteuropa e.V., die Teilnehmer in die Geschichte der Deutschen aus Russland ein. Unter Zarin Katharina II., genannt Katharina die Große, ließen sich mehrere hunderttausend Deutsche Kolonisten in Russland nieder. In einem Manifest aus dem Jahre 1763 sollten die Deutschen fruchtbare Steppengebiete besiedeln. In diesem wurden ihnen auch viele Privilegien versprochen. „Die Einwanderer hatten aber mit erheblichen klimatischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen zu kämpfen. Viele starben auf dem Weg in die neue Heimat“, so Eisfeld.
Mit dem Ersten Weltkrieg brach die Katastrophe über die Deutschen in Russland herein. „Sie zählten zur Minderheit und zu einer Nation, die mit dem zaristischen Russland Krieg führte. So kam es 1915 zu ersten kollektiven Zwangsmaßnahmen gegen ganze Siedlungsgruppen. Der Bürgerkrieg und die Hungersnot 1921/22 forderten viele Opfer, darunter viele deutsche Siedler“, erzählt Alfred Eisfeld den Zuhörern. Diese übereilte Kollektivierung hatte tragische Folgen nach sich gezogen, so dass bei der Hungersnot 1932/33 etwa 300.000 Deutsche aus Russland ums Leben kamen.
Der Zweite Weltkrieg brachte noch mehr Leid hervor. „In den Jahren 1941/42 wurden ca. eine halbe Million Deutsche nach Sibirien und Mittelasien deportiert. Sie kamen in Arbeitslager und wurden zur Zwangsarbeit verbannt. Viele Menschen starben an Krankheiten, in den Arbeitslager, im Gefängnis oder durch Entkräftung“, berichtet Eisfeld. Erst 1964 ist es zu einer sogenannten Rehabilitierung, d.h. der Rücknahme des Vorwurfs der Kollaboration mit den Nazis, gekommen. Den Forderungen nach Wiederherstellung der kulturellen Autonomie und der Bewilligung der Ausreiseanträge nach Deutschland konnte mit dem Machtantritt Gorbatschows nachgegangen werden. „Und damit beginnt die Geschichte der Deutschen aus Russland in Deutschland, in der Heimat ihrer Vorfahren“, macht Eisfeld, seit den 70er Jahren in Deutschland, deutlich. Durch die KSZE-Schlussakte von Helsinki im Jahre 1975, war die Möglichkeit zur Auswanderung bereits gegeben, was jedoch bis dato nur wenigen gelang. Nach dem Zerfall der Sowjetunion konnten Deutsche aus Russland nun nach Deutschland übersiedeln. Ab 1990 kamen mehrere Tausend Aussiedler und ließen sich in Deutschland nieder. „Mit dem großen Strom dieser Gruppe, traten nun Integrationsschwierigkeiten auf. Neben dieser Gruppe kamen auch Kontingentflüchtlinge und auch Asylsuchende nach Deutschland. Nun mussten Maßnahmen dafür sorgen, dass sich diese Gruppen integrierten. Um eine erfolgreiche Integration zu ermöglichen, musste man sich mit den Jugendlichen ganz besonders beschäftigen. Sie in der Sprache unterstützen, ihnen eine Ausbildung ermöglichen, sie von der Straße holen, Freizeitmöglichkeiten anbieten. Das hat sich bis heute nicht geändert, ob es sich dabei nun um hiesige oder Jugendliche aus anderen Ländern handelt“, gibt Alfred Eisfeld den Zuhörern zu verstehen. Entgegen mancher medialer Meinung zu Deutschen aus Russland, sind sie nicht mehr oder weniger kriminell als deutsche Jugendliche und durchaus sehr integriert. Statistiken würden außerdem zeigen, dass 2/3 der Deutschen aus Russland, mit hiesigen Deutschen eine Ehe eingehen würden.
Thematisch ging es bei den Teilnehmern des Seminars weiter mit Integration und Jugendarbeit. Von Dr. Ludmila Kopp erfuhren die Teilnehmer, wie wichtig es ist, sich mit Geschichte zu beschäftigen, aus ihr zu lernen und so zu mehr Toleranz beizutragen.
Ein Film von Ignaz Lozo über „Die Russlanddeutschen – Auf der Suche nach der Heimat“ aus dem Jahre 2011, zeigte den Teilnehmern zum Abschluss das Leben der Deutschen aus Russland. Mit der Geschichte, der Ankunft in Deutschland, den Integrationsschwierigkeiten und dem Integrationserfolg, konnte der Zuschauer stufenweise in das Leben der Deutschen aus Russland eingeführt werden.
Ein fesselndes und intensives Geschichtsseminar, mit hitzigen Gruppendiskussionen, wird es auch nächstes Jahr geben!
Tipp für alle Bücherfreunde und Geschichtsinteressierte:

Alfred Eisfeld, Victor Herdt (Hrsg.): Deportation Sondersiedlung Arbeitsarmee. Deutsche in der Sowjetunion 1941 bis 1952, Köln 1996 (Der Göttinger Arbeitskreis: Veröffentlichung Nr. 453).

Text: Julia Schneider

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