„Dialog der Kulturen“ – zum Jubiläum des Projektes


Im Oktober startet im Deutsch-Russischen Haus Moskau die zehnte Saison des Projekts „Dialog der Kulturen“. Im Vorfeld der Jubiläumssaison fasst die Autorin und Leiterin des Projektes, Professorin der Gnessin-Musikakademie Jelena Bagrowa die Ergebnisse der zehnjährigen Zusammenarbeit zusammen und erinnert an die wichtigsten Etappen des zurückgelegten Weges.

„Dialog der Kulturen“ ist ein gemeinsames Projekt der Russischen Gnessin-Musikakademie und des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur, das seit 10 Jahren im Deutsch-Russischen Haus in Moskau stattfindet.

Die ersten thematischen Konzerte unter dem Namen „Dialog der Kulturen“ fanden auf Initiative der Kammerensemble-Abteilung der Russischen Gnessin-Musikakademie 2010/2011 statt. Junge talentierte Musiker – Studenten der renommierten Akademie – führten Werke russischer und deutscher Komponisten auf.

Das Repertoire erweiterte sich allmählich, und das Programm umfasste später schon Werke von Komponisten aus anderen Ländern, deren Leben oder Karriere jedoch mit den Musiktraditionen Russlands und Deutschlands verbunden war. So begann bei Konzerten die Musik des Norwegers Edward Grieg und des Tschechen Zdeněk Fibich, des Dänen Niels Gade, der polnischen Komponisten Heinrich Wieniawski, Karol Szymanowski und Ignatius Paderewski, vieler österreichischer Komponisten, deren Musikkultur eng mit der jahrhundertealten historischen und sprachlichen Verbindung zur deutschen Kultur verwoben ist, zu klingen.

Das Konzept des Projekts hat sich in diesen zehn Jahren nicht wesentlich geändert. Jedes Konzert hat ein eigenes Thema, und die Programme basieren auf einer bestimmten Idee, die die Merkmale einer bestimmten historischen Ära widerspiegelt und die internen Verbindungen zwischen Künstlern unterschiedlicher Richtungen aufdeckt.

Ein einleitendes Wort vor jeder Aufführung führt die Zuhörer in interessante Fakten der Geschichte und Kultur ein und hilft, die interne Logik des Konzertprogramms zu enthüllen. Die Gäste haben nicht nur die Möglichkeit, den Inhalt der Werke besser zu verstehen, sondern auch die Folgen der Ereignisse einer bestimmten historischen Periode in der Musik von Komponisten aus verschiedenen Ländern zu vergleichen, um die Formen der gegenseitigen Beeinflussung zweier großer Musikkulturen zu verfolgen.

Das Dialogformat erwies sich als sehr fruchtbar und wurde in den Konzerten des Projekts auf verschiedenen Ebenen umgesetzt. Die Themen der Aufführungen ermöglichten es, die Kompositionen verschiedener Länder und Epochen zu vergleichen und die Interaktionsformen und den Grad der gegenseitigen Beeinflussung der beiden großen Musikkulturen zu verfolgen. Der Saal „Berlin“ des Deutsch-Russischen Hauses in Moskau ist gleichzeitig Konzert- und Ausstellungsraum. Diese Einzigartigkeit schafft auch eine weitere Form des Dialogs: zwischen Musik und Malerei oder Fotografie. Das natürliche Verhalten der Darsteller und die vertrauliche Kommunikation mit dem Publikum tragen dazu bei, eine besondere Atmosphäre im Saal eines entspannten Gesprächs zu schaffen.

Manchmal kann das Thema der Saison mit internationalen Großveranstaltungen in Verbindung gebracht werden. Die Saison 2011/2012 stand also ganz im Zeichen der bevorstehenden großen Feier des Jahres Deutschland in Russland und Russland in Deutschland. Das Projekt entwickelte sich aktiv, es fanden monatlich Konzerte statt, und die Idee selbst war so gefragt, dass in der Saison 2012/2013 unter dem Motto „Deutschland und Russland – Gemeinsam die Zukunft bauen“ die thematischen Konzerte „Dialog der Kulturen“ in die offizielle Liste der Kulturereignisse des Jahres aufgenommen wurden.

Die nächste Etappe in der Entwicklung des Projekts war die Veranstaltung des ersten Frühlingsfestivals der Künste „Dialog der Kulturen“ im Jahr 2014, das das Format der monatlichen Konzerte erweiterte. Das Festival war eine natürliche Fortsetzung und Weiterentwicklung der Idee des Dialogs: Musik, Malerei, Fotografie, Kino, Theater, Literatur – jede Kunstform präsentierte diese Idee auf ihre eigene Weise. Dank dem reichen Programm des Festivals konnte jeder Gast an verschiedenen Plätzen des Deutsch-Russischen Hauses in Moskau einen individuellen Plan für die Teilnahme an Veranstaltungen erstellen, die ein gemeinsames Thema hatten. Besonderes Augenmerk wurde auf junge Zuhörer gelegt: Konzerte, Theateraufführungen, Meisterklassen und Wettbewerbe, für sie wurden unterhaltsame Vortragskonzerte mit farbenfrohen Bildern organisiert.

Hauptziel des Projekts war und ist jedoch die Untersuchung und umfassendere Offenlegung der historischen, kulturellen und musikalischen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Präsentation in den Musikprogrammen der russlanddeutschen Komponisten sowie der langjährig in Russland lebenden und arbeitenden Vertreter der deutschen Musikkultur gelegt.

Im Laufe von diesen Jahren umfassten die Konzertprogramme Kompositionen des Professors des Moskauer Konservatoriums Pawel Pabst, Instrumentalstücke von Alexander Winkler, Nikolaij von Wilm und Jekaterina Walter-Kühne, die in St. Petersburg unterrichteten. Auch Klavier- und Ensemblewerke von Nikolaij Metner, Alexander Gedike, Reinhold Glier und Alfred Schnittke wurden mehrmals aufgeführt. Zu einer Art Entdeckung für Interpreten und Zuhörer wurde die Musik von Paul Juon, eines russischen Komponisten deutsch-schweizerischer Herkunft, der viele Jahre Professor am Berliner Konservatorium war. Sein Name tauchte viele Male auf den Plakaten des Projekts „Dialog der Kulturen“ auf, und die meisten seiner Ensemble-Werke wurden zum ersten Mal in Russland aufgeführt.

Die Weiterentwicklung des Dialogformats waren Konzerte, bei denen die Musik deutscher Komponisten zu den Themen populärer russischer Volkslieder und Romanzen russischer Komponisten präsentiert wurde. Zum Beispiel Variationszyklen für Flöte und Klavier zu russischen Themen von Ludwig van Beethoven. Der Komponist bearbeitete russische Volkslieder, die in der Sammlung „Lieder verschiedener Völker“ enthalten sind, und russische Volksthemen sind auch in der musikalischen Struktur des Oratoriums 59 enthalten, das im Auftrag des Grafen Andreij Rasumowskij geschaffen wurden. Nach den Napoleonischen Kriegen stieg die Popularität von Melodien russischer Lieder und Romanzen in europäischen Ländern noch weiter an. Konzerte, die in Russland auf Tournee gingen, brachten neue Ideen von ihren Reisen für virtuoses Potpourri und Fantasie zu russischen Themen. Bestätigung der Nachfrage nach diesen Melodien ist die Tatsache, dass der junge Johannes Brahms auch das beliebte Musikmaterial nicht ignorierte und einen Fantasiezyklus zu russischen und Zigeunerthemen „Souvenir de la Russie“ für Klavier zu vier Händen schuf.

Die Konzertprogramme „Saisons russes“, „Souvenir de la Russie“ und „Salût à la Russie“ haben im Laufe der Jahre brillante Variationen, Capriccios und Fantasien zu russischen Themen für Kammerensembles verschiedener Kompositionen Ferdinand Ries, Johann Nepomuk Hummel, Wilhelm Popp, Christian und Wilhelm Heinemeier, Karl Wohlweiler und anderer Autoren. Die meisten dieser Werke werden seit Jahrzehnten archiviert, die Namen vieler Autoren waren selbst professionellen Musikhistorikern unbekannt. Dank des Projekts „Dialog der Kulturen“ erklang in Konzertsälen wieder unverdient vergessene Musik.

Eine andere Form der Verbindung zwischen den beiden Kulturen zeigten Programme, in denen die Vokalmusik russischer Komponisten zu Gedichten deutscher Dichter erklang. Die Aufführung von Romanzen in russischer Sprache wird von der Lektüre des poetischen Originaltextes in deutscher Sprache begleitet, die es den Zuhörern ermöglicht, die Musik des Verses tiefer zu erleben.

Das Projekt „Dialog der Kulturen“ hat im Veranstaltungskalender des Deutsch-Russischen Hauses in Moskau längst einen starken Platz eingenommen. Die monatlichen Konzerte des Projekts umfassen nicht nur populäre, sondern auch äußerst selten gespielte Kompositionen großer Meister sowie Werke von Komponisten, deren Musik heute aus verschiedenen Gründen fast vergessen ist. Die Einbeziehung der Werke dieser Autoren in das Programm trägt dazu bei, ein vollständigeres und umfangreicheres Bild der entsprechenden Epoche zu schaffen, die lebendige Verbindung der Zeit wiederherzustellen und die Universalität der Musiksprache als Form der internationalen Kommunikation sicherzustellen. Im Laufe der Jahre, in denen das Projekt stattgefunden hat, ist ein ständiges Kollektiv von Interpreten gebildet. Die meisten von ihnen sind Lehrer und Studenten der Gnessin-Musikakademie, die neben den Konzerten auch umfangreiche Forschungsarbeiten durchführen.

Die Eröffnung der neuen Jubiläumssaison 2019/2020 findet am 23. Oktober in dem Saal „Berlin“ des Deutsch-Russischen Hauses Moskau statt, wo das Programm „Goldene Seiten“ von der Preisträgerin internationaler Wettbewerbe Jewgenija Tarassowa (Klavier) aufgeführt wird.

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