„Russlands herausragende Deutsche“: Wir erzählen von Nominierten im Bereich der Wissenschaft


Wir machen Sie mit den Nominierten des Gesamtrussischen Wettbewerbs „Russlands herausragende Deutsche – 2023“ bekannt: Wir erzählen von ihren Leistungen und stellen ihnen unerwartete Fragen. In diesem Jahr sind für den Boris-Rauschenbach-Preis im Bereich der Wissenschaft Doktor der Geschichtswissenschaften, Dozent, Professor des Lehrstuhls für Allgemeine und Nationale Geschichte der Staatlichen Pädagogischen Universität Armawir Wladimir Schneider und Doktor der Technischen Wissenschaften, Preisträger des Regierungspreises der Russischen Föderation im Bereich Wissenschaft und Technologie, Mitglied der Akademie der Bergbauwissenschaften Viktor Eckhardt nominiert.

Wladimir Schneider ist ein bekannter Historiker, Universitätslehrer und Autor. Er wurde im Jahr 1966 in der Stadt Armawir im Süden Russlands geboren und verbrachte dort seine Kindheit und Jugend. Dieser Lebensabschnitt hat seine Weltanschauung und sein Schaffen stark beeinflusst, was sich in seinem stimmungsvollen literarischen Werk „Eine einzelne Kindheit“ (2014) widerspiegelt (rus.: «Одно отдельно взятое детство» - Anm. d. Üb.).

Wladimir Schneider interessierte sich seit seiner Kindheit für Geschichte und nahm 1987 das Studium an der Fakultät für Geschichte der Staatlichen Universität Kuban auf. Dort zeigte er sich als begabter und aktiver Student und engagierte sich im Rahmen verschiedener öffentlicher Veranstaltungen. Nach seinem Universitätsabschluss im Jahr 1992 kehrte er nach Armawir zurück, wo er Dozent am Lehrstuhl für Kulturwissenschaften des Staatlichen Pädagogischen Instituts Armawir (ASPI) wurde. Von 1994 bis 1996 machte er einen Promotionsstudiengang beim ASPI, den er vorzeitig abschloss, wodurch er der erste Promovierte seines Instituts wurde, indem er seine PhD-Arbeit in Geschichte erfolgreich verteidigte. Sein wissenschaftliches Wissen, seine Neugier, seine Kreativität und sein demokratischer Umgang mit den Studierenden machten ihn zu einem der beliebtesten Lehrer des Instituts.

Von 1999 bis 2011 leitete Wladimir Schneider als Dekan die Fakultät für Geschichte des ASPI. Gleichzeitig hörte er mit seine wissenschaftliche Tätigkeit nicht auf und erforschte verschiedene wissenschaftliche Probleme: russische- und Weltkultur, Deportation und Rehabilitierung der nordkaukasischen Völker, Politik des Sowjetstaates im Nordkaukasus, Geschichte der Russlanddeutschen in Kuban und andere. Wladimir Schneider hat viele nachgefragte Bücher, Artikel und Monographien geschrieben und veröffentlicht. Eines seiner Hauptwerke ist die 680 Seiten umfassende Monographie „Die Deutschen von Armawir“.

Im Jahr 2008 verteidigte Wladimir Schneider erfolgreich seine Doktorarbeit „Nationenbildung als Faktor der soziokulturellen Integration der Völker des Nordkaukasus in die sowjetische Gesellschaft (1917 – Ende der 1950er Jahre)“ an der Staatlichen Universität Stawropol (der akademische Grad „Doktor der Wissenschaften“ in Russland entspricht dem Titel Dr. habil. in Deutschland – Anm. d. Üb) und erhielt im darauffolgenden Jahr den Professorentitel am Lehrstuhl für russische Geschichte des 20. Jahrhunderts. Jetzt arbeitet er als Professor für allgemeine und nationale Geschichte am Staatlichen Pädagogischen Institut Armawir. Seine wissenschaftlichen Leistungen sind in der Forschergemeinschaft des Nordkaukasus weithin bekannt und respektiert.

5 Fragen vom RusDeutsch-Portal an Wladimir Schneider​:

1. Was war Ihr Lieblingsfach in der Schule und warum? Hat es irgendwie Ihre Berufswahl beeinflusst?

Geschichte und Geographie.

Die Welt einer Provinzstadt in den 1970er Jahren schien mir zu begrenzt. Natürlich beeinflusste das meine Berufswahl. Ich wurde Historiker.

2. Welche deutschen Charaktereigenschaften fallen Ihnen an sich selbst auf?

Pünktlichkeit, Gründlichkeit in der Arbeit.

3. Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste für einen Vertreter Ihres Berufs bzw. der Tätigkeit?

Für Vertreter jedes Berufs sind Professionalität, Aufrichtigkeit und Reinheit der Gedanken wichtig.

Menschen sollten als Ziel ihrer Tätigkeit wahrgenommen werden und nicht als Mittel zur Erreichung eigener, diesen Menschen unklarer Ziele.

4. Haben Sie ein Vorbild bzw. einen Helden unter den historischen Persönlichkeiten? Wenn Sie mit ihr oder ihm sprechen könnten, was würden Sie fragen?

Dies ist eine lange Reihe von Namen von Wissenschaftlern, Schriftstellern, Pädagogen und Künstlern. Die Antworten auf meine Fragen sind in ihren Werken enthalten. Ich habe keine Fragen an Politiker und andere Staatsmänner.

5. Wovon träumen Sie heute?

Ich träume davon, so lange zu leben, wie lange meine Kinder mich brauchen.

Viktor Eckhardt wurde am 1. Mai 1948 in Workuta, einem der größten Unterteile des Gulag-Systems, geboren. Er war der Enkel und Sohn unterdrückter Russlanddeutscher und wurde zusammen mit seinen Eltern bis 1956 der meisten bürgerlichen Rechte und Freiheiten beraubt. Trotz der schwierigen Zeiten haben die Eltern ihrem Sohn von Kindheit an die besten menschlichen Qualitäten vermittelt. Seit seiner Kindheit war Victor Eckhardt fasziniert von Geschichte und Astronomie, Physik und Mathematik, er kannte und verstand die Literatur des 19. Jahrhunderts ebenso gut wie die revolutionären Dichter des 20. Jahrhunderts. Bereits als Kind kannte er auswendig viele Gedichte von Alexander Puschkin, Nikolai Nekrassow, Michail Lermontow, Wladimir Majakowski und Sergei Jessenin, liebte Werke von Jack London und Fenimore Cooper sowie Romane von Iwan Jefremow.

Die Grundlagen des ersten Bergmannsberufs, eines Untertageelektrikers für die Reparatur von Bergbauausrüstung, meisterte Viktor Eckhardt in der Oberstufe. Unmittelbar nach dem Schulabschluss ging er zur Arbeit in ein Bergwerk und nahm das Studium an der Abendabteilung der Workuta-Zweigstelle des Leningrader Grigori-Plechanow-Bergbauinstituts auf. Er kombinierte sein Studium mit Schichtarbeit im Bergwerk und engagierte sich in der öffentlichen Arbeit. 1972 verteidigte er sein Diplom als Bergbauingenieur mit Auszeichnung und wurde ohne Prüfung zum Promotionsstudium an dem Leningrader Bergbauinstitut eingeladen, konnte dieses Angebot jedoch aus familiären Gründen nicht annehmen. In der Mine „Ajatsch-Jaga“, wo er seine Karriere begonnen hatte, entwickelte er sich vom Bergbauvorarbeiter zum stellvertretenden technischen Direktor der Assoziation der Industrieunternehmen „Vorkutaugol“. 1989 kehrte er auf Wunsch des Arbeitskollektivs als Direktor in das Bergwerk zurück.

Unter der Leitung von Victor Eckhardt blieb die „Ajatsch-Jaga“-Mine die einzige Mine im Petschora-Kohlebecken, die die Produktion nicht reduzierte und über ihre Produktionskapazität hinaus arbeitete. Im Februar 1997 wurde er fast einstimmig zum Generaldirektor von „Vorkutaugol“ gewählt. Victor Eckhardt verbindet seit jeher seine Berufstätigkeit mit Forschung und Lehre. Nachdem er seine Doktorarbeit zum Thema „Organisation der Gewinnung, Verarbeitung und integrierten Nutzung der Ressourcen des Workuta-Kohlenvorkommens im Rahmen der neuen Energiepolitik“ verteidigt und einen Abschluss in technischen Wissenschaften erworben hat, ist er in Lehr- und Forschungstätigkeiten am Bergbauinstitut Workuta tätig.

Viktor Eckhardt wurde dreimal Abgeordneter des Komi-Staatsrates. 1997 trat er dem in der Republik gegründeten Rat der national-kulturellen Autonomie der Deutschen bei. Seine Verdienste wurden durch verschiedene Auszeichnungen gewürdigt. Für seine Arbeitserfolge erhielt er alle Grade der Zeichen „Ehrenbergmann Russlands“. Darüber hinaus ist er ordentliches Mitglied der Akademie der Bergbauwissenschaften.

5 Fragen vom RusDeutsch-Portal an Viktor Eckhardt:

1. Was war Ihr Lieblingsfach in der Schule und warum? Hat es igrendwie Ihre Berufswahl beeinflusst?

Meine Lieblingsfächer in der Schule waren Geschichte und Literatur. Warum? Nach mehr als sechzig Jahren kann ich das nicht wirklich beantworten. Aber aus heutiger Sicht denke ich, dass dies zwei Fächer sind, die die Persönlichkeit, unsere Weltanschauung und unsere bürgerliche Position wirklich prägen. In der Schule kannte ich viele Gedichte von Puschkin, Nekrassow, Majakowski auswendig und las viel. Ich interessiere mich auch heute für Geschichte. Ich glaube aber nicht, dass es meine Berufswahl beeinflusst hat.

2. Welche deutschen Charaktereigenschaften fallen Ihnen an sich selbst auf?

Pflichtbewusstsein, Verantwortlichkeit, Pünktlichkeit, Erzogenheit, Liebe für Ordnung und Sauberkeit, Gesetzestreue, Disziplin, Fleiß, Arbeitsamkeit.

Und natürlich das Verständnis, dass die Familie die wichtigste Grundlage für die Kontinuität der Generationen, der nationalen Traditionen, der Kultur und der Bildung des öffentlichen Bewusstseins ist.

3. Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste für einen Vertreter Ihres Berufs bzw. der Tätigkeit?

Das Wichtigste bei jeder beruflichen Tätigkeit ist die Professionalität, tiefe Fachkenntnisse, Fähigkeit, Ziele zu setzen und deren Umsetzung zu erreichen, Verantwortung zu übernehmen, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Fähigkeit, den Umständen einen Schritt voraus zu sein, führen zu können, kompromisslos und hart in Bezug auf Entscheidungen zu sein, mit Menschen respektvoll zu umgehen und gleichzeitig für die gemachte Arbeit und die Arbeitsergebnisse strickt zur Verantwortung zu ziehen.

In meinem Berufsleben habe ich nie aufgehört zu lernen und das facliche Wissen zu erweitern.

Auch wenn ich schon eine hochrangige Führungskraft war, kombinierte ich meine Arbeit mit wissenschaftlichen und pädagogischen Tätigkeiten.

4. Haben Sie ein Vorbild bzw. einen Helden unter den historischen Persönlichkeiten? Wenn Sie mit ihr oder ihm sprechen könnten, was würden Sie fragen?

In meiner Jugend, nachdem ich den Roman von Iwan Jewfremow „Des Messers Schneide“ (rus.: «Лезвие бритвы») gelesen hatte, war mein Vorbild Alexander der Große. Etwas später bewunderte ich das Genie des großen Wissenschaftlers Michail Lomonossow. Die Tiefe und Vielseitigkeit seines Wissens hat mich beeindruckt.

Ich bewundere immer Menschen, die trotz der schwierigsten Hindernisse und Not nicht von ihren Prinzipien abgewichen sind – wie Giordano Bruno, Tommaso Campanella, Alexander Puschkin, die Dekabristen und andere.

5. Wovon träumen Sie heute?

Jetzt träume ich vom Frieden.


Wir möchten Sie daran erinnern, dass Sie bis einschließlich 20. August auf der offiziellen Website des Wettbewerbs für die nach Ihrer Ansicht besten Nominierten stimmen können. Die Preisverleihung des Gesamtrussischen Wettbewerbs „Russlands herausragende Deutsche – 2023“ findet am 16. September in Moskau statt.

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