Wir stellen weiterhin die Nominierten des gesamtrussischen Wettbewerbs „Russlands herausragende Deutsche – 2023“ vor. Am populärsten hat sich in diesem Jahr die Anna-German-Nominierung des Wettbewerbs im Bereich der Kunst erwiesen: Gleich fünf würdige Kandidaten kämpfen um den Ehrentitel. In diesem Artikel erzählen wir über zwei von ihnen. Dies sind die Theater- und Filmschauspielerin, Regisseurin, Verdiente Künstlerin der Republik Baschkortostan Elvira Schreiner und Komponist, Sounddesigner und Spezialist für Klangtherapie Otto Schwarz.
Elvira Schreiner schloss 1995 ihr Studium an der Musikabteilung der Ufa-Kunsthochschule und 1999 an dem Sagir-Ismagilow-Kunstinstitut Ufa (Theaterabteilung) ab.
Seit 1999 ist sie Schauspielerin des Nationalen Mustai-Karim-Jugendtheaters. Während ihrer langjährigen Arbeit am Theater meisterte sie viele prägende und unvergessliche Rollen. Die Theaterstücke unter Beteiligung von Elvira Schreiner erfreuen sich beim Publikum großer Beliebtheit. Das Stück „Beilage auf französische Art“ (nach dem Werk vom französischen Bühnenautor Marc Camoletti – Anm. d. Üb.) zum Beispiel gehört schon seit elf Jahren zum Repertoire des Theaters und ist immer vor vollem Haus. Auch ihre Rollen in Filmen und Fernsehserien sind erfolgreich.
Seit 2017 ist Elvira auch als Drehbuchautorin und Regisseurin eigener Projekte tätig. Bisher hat sie bereits fünf Filme veröffentlicht, zwei weitere Projekte sind in Arbeit. Im Jahr 2020 nahm die Schauspielerin am Bildungsprojekt „Wort der Erde“ (rus.: «Slowo Semli») teil und schloss ihr Weiterbildungsstudium erfolgreich mit dem Dokumentarfilm „Seiten umblätternd“ (rus.: «Перелистывая страницы») ab, der über die unterschiedlichen Schicksale der Russlanddeutschen während des Großen Vaterländischen Krieges und heute erzählt. Ebenfalls im Jahr 2020 gründete Schreiner das jährliche internationale Festival „LiftStyle“, dank dessen Einwohner von Ufa und der Republik Baschkortostan die Möglichkeit haben, die besten Werke russischer und ausländischer Filmemacherinnen und Filmemacher zu sehen. Die Schauspielerin und Regisseurin ist auch künstlerische Leiterin des unabhängigen Theaters „Studija-5“.
Elvira Schreiner arbeitet aktiv daran, Materialien zu finden und Drehbücher für ihre Filme zu erstellen, die das Leben und Schicksal des deutschen Volkes in Russland widerspiegeln. Im Jahr 2021 veröffentlichte sie einen Dokumentarfilm „Majakowski und zwei Ellies“ (rus.: «Маяковский и две Элли») über die Liebesgeschichte der herausragenden sowjetischen Dichters und der ethnischen Deutschen aus der Stadt Dawlekanowo, Jelisaweta Siebert.
Die Regisseurin beendet derzeit die Arbeit an dem Film „Anton Tschechow – Flitterwochen in Baschkirien“ (rus.: «А.П. Чехов – медовый месяц в Башкирии»), der von der Beziehung zwischen dem großen Schriftsteller und seiner Frau, der Schauspielerin des Moskauer Kunsttheaters Olga Knipper, berichtet.
5 Fragen vom RusDeutsch-Portal an Elvira Schreiner:
1. Was war Ihr Lieblingsfach in der Schule und warum? Hat es irgendwie Ihre Berufswahl beeinflusst?
Von früher Kindheit an habe ich neben dem Schulunterricht auch eine Musikschule besucht. Ich studierte in der Geigenklasse und beschäftigte mich auch mit Sportfechten. Daher hatte ich zwei große Hobbys – Musik und Sport. Was das Fach in der Schule betrifft, so mochte ich Literatur sehr.
Die Liebe zum Lesen ist seit vielen Jahren erhalten geblieben. Dank der Literatur entstand Interesse für Theater und Kino.
2. Welche deutschen Charaktereigenschaften fallen Ihnen an sich selbst auf?
Ich bin ein sehr verantwortungsbewusster Mensch und gehe immer sehr verantwortungsvoll mit dem um, was ich tue. Ich verstehe, dass die Verantwortung für das Ergebnis allein bei mir liegt. Deshalb versuche ich, alles so genau und pünktlich wie möglich zu erledigen.
Wenn es um kreative Projekte geht, sage ich mir selbst immer: „Solange ich nicht das tue, was ich sehe, wie ich es geplant habe, kann ich unter dieses Projekt nicht meine Unterzeichnung setzen.“
Ich versuche immer, das Projekt in der Form umzusetzen, in der es konzipiert wurde. Daher liegt in meinem Charakter, würde ich sogar sagen, Pedanterie.
Selbstverständlich pflegen wir die Traditionen. Meine Tochter lernt intensiv Deutsch. Wir feiern immer katholische Weihnachten, besuchen unbedingt den Gottesdienst – das ist Tradition. Wir bereiten auch Kochleckereien nach dem Rezept unserer Großmutter zu. Ich muss sagen, dass die Bewahrung von Traditionen nicht nur die Familie betrifft, sondern auch meinen Beruf. Vor einigen Jahren begann ich, die Geschichte deutscher Familien zu studieren, die auf dem Territorium der Republik Baschkortostan lebten. Dies war notwendig für die Entstehung des Dokumentarfilms „Seiten umblätternd“, der von den Traditionen der Russlanddeutschen und ihrem heutigen Leben sowie der Entstehungsgeschichte des deutschen Volkes hier erzählt. Dieser Film eröffnet und zeigt verschiedene Schichten der Geschichte.
Dieses Thema hat mir so gut gefallen, dass ich seit einigen Jahren auf der Suche nach interessanten Persönlichkeiten unter den Russlanddeutschen bin. Ein weiterer Film, der auf verschiedenen Festivals gezeigt wurde, heißt „Majakowski und zwei Ellies“. Er erzählt von der überraschenden Verflechtung der Schicksäle des Dichters Wladimir Majakowski und der aus Baschkortostan stammenden, in einer deutschen Familie geborenen Jelisaweta Siebert. Und jetzt habe ich einen Dokumentarfilm über Olga Knipper gedreht, die die Frau von Anton Tschechow wurde. Und ich möchte dieses Thema, das mir sehr am Herzen liegt, weiterführen.
3. Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste für eine Vertreterin Ihres Berufs bzw. der Tätigkeit?
Ich glaube, dass das Wichtigste im Schauspiel- und Regieberuf darin besteht, die quasi kindliche Wahrnehmung der Welt und Fähigkeit, Schönheit zu sehen, nicht zu verlieren.
Ich denke, dass Schauspieler und Regisseure Dinge bemerken sollten, die ein Durchschnittsmensch vielleicht nicht bemerkt. Wir müssen versuchen, die Bewunderung für die Welt zu bewahren. Dies ist eine sehr wichtige und wertvolle Eigenschaft.
4. Haben Sie ein Vorbild bzw. einen Helden unter den historischen Persönlichkeiten? Wenn Sie mit ihr oder ihm sprechen könnten, was würden Sie fragen?
Selbstverständlich gibt es eine solche Person. Das ist Anton Tschechow. Der Autor, den ich verehre, ein außergewöhnlicher Mensch, der es geschafft hat, in einem so kurzen Leben so viel Gutes und Wertvolles zu tun. Dies ist eine einzigartige Persönlichkeit, die nur einmal in 100 Jahren auf unserer Erde erscheint. Ich würde ihn gerne treffen und über viele Dinge sprechen, auch über seine Arbeit und insbesondere über seine Theaterstücke. Ich habe in seinen Stücken mitgewirkt und sie inszeniert. Und natürlich wäre es für mich interessant, vom Autor selbst zu hören, welche Gedanken und Ideen er in seine Werke einfließen ließ, und darüber zu sprechen, wie er sich seine Figuren vorstellte.
5. Wovon träumen Sie heute?
Ich träume von vielen Dingen. Es gibt Träume, die nach einer Weile wahr werden. Generell glaube ich, dass alle Träume wahr werden. Man muss nur „richtig träumen“. Wenn wir über den Haupttraum sprechen, dann träume ich als Mutter, als Ehefrau, als Tochter natürlich davon, dass meine Familie, meine Verwandten und Freunde gesund sind und glücklich bis ans Ende ihrer Tage leben.
Ich habe irgendwo gelesen, dass es keine unglücklichen Menschen auf der Welt geben wird, wenn jeder versucht, seine Familie glücklich zu machen.
Otto Schwarz veröffentlichte 2012 seine ersten Musikwerke. Im Jahr 2017 wurde er schon Mitbegründer der internationalen Sounddesign-Plattform „LFO Store“, die mehr als 10.000 Sound- und Musikprofis verband. 2019 gründete er das Musiklabel „Syngeneia“, das schon acht Alben veröffentlicht hat, die in den USA, Holland, Mexiko und Russland die Charts anführten.
Im Jahr 2020 veröffentlichte Otto ein neoklassisches Soloalbum „A Living Flow“. Die Veröffentlichung erhielt ein positives Feedback, darüber wurde unter anderem in der russischen Wochenzeitung „Argumenty i Fakty“ (AIF, deutsch: „Argumente und Fakten“ – Anm. d. Üb.) und anderen großen russischen Medien sowie in der europäischen Presse berichtet. Das Album landete im Oktober 2020 in der Kategorie neoklassische Musik im Top 10 der meistgestreamten Songs auf der iTunes-Plattform. Im selben Jahr wurde Otto Autor der Musik für den Film „S.O.S. Survive or Sacrifice“ (2020) mit William Baldwin, der auf den 74. Internationalen Filmfestspielen von Cannes gezeigt wurde. Der Soundtrack für den Film wurde in Publikationen von mehreren amerikanischen Filmkritikern positiv bewertet.
Seit über zehn Jahren beschäftigt sich Otto mit der Musik- und Klangtherapie und unterrichtet seit 2016 in Einzelkursen und Seminaren zu dieser Methode. Heute haben schon mehr als 1.500 Studierende, überwiegend aus den USA und Europa, diese Kursen abgeschlossen.
Otto Schwarz ist Preisträger von Musikwettbewerben, Mitglied der International Sound Therapy Association und der Filmgilde des Russischen Musikverbandes.
5 Fragen vom RusDeutsch-Portal an Otto Schwarz:
1. Was war Ihr Lieblingsfach in der Schule und warum? Hat es igrendwie Ihre Berufswahl beeinflusst?
Das Schulprogramm kam mir immer lächerlich vor und ich habe mich ehrlich gesagt nicht wirklich damit beschäftigt. Beispielsweise begann ich ab meinem sechsten Lebensjahr, Bücher über das Alte Ägypten zu lesen, mich mit dessen Alphabet sowie mit japanischen und europäischen Sprachen zu befassen. Ab meinem neunten Lebensjahr begann ich, meine eigene Musik zu komponieren. Als wir in der Grundschule in eine Reihe gestellt wurden und uns angeboten wurde, dumme Kinderlieder zu singen, löste das bei mir völlige Empörung aus.
Also las ich Bücher und setzte mich mit den Themen auseinander, die nicht Teil des allgemeinen Bildungsprogramms waren: Ich interessierte mich sehr für Philosophie, Psychologie, Science-Fiction, antike Zivilisationen, Innovationen und IT-Technologien und natürlich erforschte ich Musikindustrie und Klangtherapie ausführlich. In der Schule wurde so etwas nicht unterrichtet.
2. Welche deutschen Charaktereigenschaften fallen Ihnen an sich selbst auf?
Ich liebe Ordnung und Sauberkeit. Ich ordne immer alles sehr übersichtlich an. Meine Pünktlichkeit ist zwar lahm, aber die innere Disziplin erweist sich oft als ausgezeichnet, obwohl es hier auch viel gibt, woran man zu arbeiten hat.
Als ich Kind war, dienten mir mein Vater und natürlich mein Großvater, der ein sehr kreativer Mensch, gleichzeitig ein Intellektueller und ein berühmter Wissenschaftler war, als Vorbilder für die Manifestation der besten deutschen Qualitäten.
Der Opa las mir Märchen auf Deutsch vor. Wahrscheinlich habe ich eher nonverbal, unbewusst, deutsche Qualitäten von meinen Verwandten übernommen, obwohl ich etwas in mir selbst und ganz bewusst entwickelt habe.
3. Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste für einen Vertreter Ihres Berufs bzw. der Tätigkeit?
Wie in jedem anderen Beruf muss eine Person zuallererst ein Humanist mit hohen moralischen Qualitäten und Verantwortung für das Ergebnis seiner Arbeit sein.
Talent ist nur die halbe Miete, und Charakter- und Kommunikationsfähigkeiten sind ebenso wichtig und erweisen sich manchmal sogar als entscheidend und von größerer Bedeutung. Aber für kreative Menschen ist eine hohe Sensibilität immer noch sehr wichtig – gegenüber Ideen, Bedeutungen, dem sozialen Umfeld, anderen Menschen. Es muss die Fähigkeit vorhanden sein, die Welt außerhalb des Gewöhnlichen, Alltäglichen wahrzunehmen.
Und dieses Wahrgenommene – etwas Außergewöhnliches – kann in ein kreatives Produkt umgewandelt werden. Und zwar so, dass es für andere verständlich und klar wahrnehmbar ist.
4. Haben Sie ein Vorbild bzw. einen Helden unter den historischen Persönlichkeiten? Wenn Sie mit ihr oder ihm sprechen könnten, was würden Sie fragen?
Ich hatte das Glück, mit vielen Zeitgenossen zu kommunizieren, die mir als Vorbild dienten. Dies sind berühmte Persönlichkeiten aus dem Bereich der Kunst und der Religion. Aufgrund des breiten Kommunikationskreises verstehe ich, wie Komponisten, Priester, Geschäftsleute, Politiker, Designer, Bauingenieure denken – ich verstehe diese Archetypen, Denkmodelle, „Weltanschauungen“. Aber natürlich wäre es interessant, mit einigen der historischen Persönlichkeiten Tee zu trinken und sie besser kennenzulernen – sowohl sie selbst als auch die Gründe, warum sie bestimmte Entscheidungen getroffen haben.
5. Wovon träumen Sie heute?
Ich habe eine ganze fünfseitige Datei auf meinem Computer, in der meine Träume Zeile für Zeile beschrieben und nach der Priorität ihrer Umsetzung rangiert sind.
Wissen Sie, für mich ist „Traum“ kein abstraktes Konzept, sondern ein Ziel, das ich anstrebe. Ich baue eine logische Kette auf: Wie man zu diesem oder jenem Ergebnis gelangt. Ich teile die Großaufgabe in Teilaufgaben auf und erledige sie eine nach der anderen. Der Begriff „Traum“ ist für mich mit dem Begriff „Glück“ verbunden. Und Glück ist mir sehr wichtig.
Aber meine Hauptträume... sie sind nicht persönlich.
Das sind die Dinge, von denen ich tief in meinem Herzen träume: Frieden, gegenseitiger Respekt und Nächstenliebe unter den Menschen, Kinder, die ihre Kindheit glücklich und geborgen erleben, ein aufgeklärter Geist und offene Möglichkeiten für alle Menschen zur Selbstverwirklichung, unabhängig von ihrer Herkunft, Nationalität, Religion oder anderen angeborenen Eigenschaften.
Ich kämpfe nicht gegen die Welt, um sie zu verändern. Ich finde einfach meinen eigenen Platz im Orchester des Lebens, um meine Rolle zum Wohle anderer zu spielen.
Wir möchten Sie daran erinnern, dass Sie bis einschließlich 20. August auf der offiziellen Website des Wettbewerbs für die nach Ihrer Ansicht besten Nominierten stimmen können. Die Preisverleihung des Gesamtrussischen Wettbewerbs „Russlands herausragende Deutsche – 2023“ findet am 16. September in Moskau statt.