Brücke zwischen zwei Kulturen: Anna Lenez über ihren Online-Kurs zur russlanddeutschen Literatur


Vor kurzem hat das Institut für ethnokulturelle Bildung (BiZ) eine Reihe von Online-Kursen zur Literatur der Russlanddeutschen ins Leben gerufen – von der frühen und vorsowjetischen Zeit bis zur zeitgenössischen transkulturellen Literatur der Russlanddeutschen. In einem Interview mit dem Portal RusDeutsch spricht Anna Lenez, Doktorin der philologischen Wissenschaften, Leiterin des Lehrstuhls für deutsche Philologie an der Südlichen Föderalen Universität und Gründerin des Kurses, über das Projekt und dessen Hauptaufgaben.

Bitte erzählen Sie uns etwas über das Projekt „Literatur der Russlanddeutschen“ des Instituts für ethnokulturelle Bildung – BiZ. An wen richtet sich dieses Projekt und was sind die Ziele?

Das Projekt „Literatur der Russlanddeutschen“ des Instituts für ethnokulturelle Bildung – BIZ wurde mit dem Ziel ins Leben gerufen, die Aufmerksamkeit nicht nur der Russlanddeutschen auf die Literaturgeschichte ihres Volkes zu lenken, sondern auch all derer, die sich für die Kultur der Russlanddeutschen und die deutsche Sprache interessieren.

Eine der Hauptaufgaben des Kurses ist es, die Teilnehmenden zu ermutigen, sich nicht nur mit bereits bekannten Werken vertraut zu machen, sondern auch etwas über die Entwicklungsgeschichte der Literatur der Russlanddeutschen, den aktuellen Stand und die Trends in der Literatur der Russlanddeutschen zu erfahren.

Es ist kein Geheimnis, dass in letzter Zeit allgemein wenig gelesen wird (im Vergleich zur Sowjetzeit oder sogar zur Zeit vor 20-25 Jahren). Die Erklärung dafür sind Veränderungen in der technologischen Entwicklung. Aber ein Buch ist nicht nur eine Wissensquelle, sondern auch ein Schlüssel zu sich selbst, die Suche nach sich selbst, die Hilfe in Krisenmomenten oder auch einfach eine geistige Unterstützung. Es ist dazu da, Antworten auf wichtige Fragen für und über sich selbst zu finden.

Was hat Sie persönlich motiviert, das Thema der russlanddeutschen Literatur als wissenschaftliches Interesse zu verfolgen? Wie schwierig war die Suche nach Material zu diesem nicht so gut erforschten Thema?

Ich habe die Kultur und Literatur der Russlanddeutschen schrittweise kennengelernt. Am Anfang (das ist mehr als 30 Jahre her) waren es rein persönliche, familiäre Gründe. Dann hat die allmähliche Bekanntschaft mit der Kultur der Russlanddeutschen im Rahmen von Sprachkursen und Seminaren (z. B. die BIZ-Seminare in Mamontowka) mein Wissen über die Geschichte, Kultur und Literatur der Russlanddeutschen erweitert. Im Rahmen meiner sprachwissenschaftlichen Forschungen während der Promotion und Doktorantur konnte ich gemeinsam mit Irina Weber, der Leiterin der regionalen Organisation der Russlanddeutschen „Wiedergeburt-Don“, eine Reihe von erfolgreichen Projekten durchführen. Die Projekte standen im Zusammenhang mit den Traditionen und Nationalfeiertagen der Russlanddeutschen sowie mit Deutschkursen. Die Interaktion mit Kollegen, Studierenden und Masterstudierenden hat dann ab 2009 die Richtung unserer wissenschaftlichen Forschung im Bereich der deutschen Sprache und Literatur der Russlanddeutschen bestimmt.

Die größten Schwierigkeiten bei der Erstellung des Kurses „Literatur der Russlanddeutschen“ sind der Mangel an einheitlichen Informationsquellen über die Literatur der Russlanddeutschen, die Auswahl der Autoren und Bücher für eine bestimmte Etappe. Zum Beispiel gibt es Ausgaben, die zu verschiedenen Zeiten erschienen sind und in denen einige Daten unterschiedlich dargestellt wurden (z. B. Daten, die Schreibweise von Namen, die Geschichte des Buches usw.).

Aus diesem Grund musste ich vergleichen, gegenüberstellen, auf Websites, in Bibliotheken oder in öffentlich verfügbaren Daten nachsehen, Videos angucken und natürlich viel lesen sowie Interviews hören (z. B. mit Hugo Wormsbecher, Herold Belger, Ida Bender und vielen anderen). Gleichzeitig wollte ich den Online-Kurs so gestalten, dass er nicht nur für diejenigen interessant ist, die direkt mit der Literatur der Russlanddeutschen zu tun haben, wie Lehrer und Professoren, sondern auch für alle, die die Geschichte der Russlanddeutschen lieben, kennen oder sich einfach dafür interessieren.

Natürlich werden Sie diesen Gedanken im Laufe der ganzen Reihe von Kursen erläutern, aber dennoch: Wenn Sie gebeten würden, in wenigen Sätzen zu formulieren, was die Literatur der Russlanddeutschen auszeichnet, was würden Sie sagen?

Jede Literatur bringt ihre eigenen Besonderheiten in die Weltliteratur ein. Auch die russlanddeutsche Literatur hat zweifelsohne solche Besonderheiten. Hier stimme ich mit meinen Kollegen überein, die der Meinung sind, dass die russlanddeutsche Literatur als native Literatur der Russlanddeutschen betrachtet werden sollte, nicht als deutsche oder russische Literatur separat, sondern als russlanddeutsche Literatur. Schließlich hat sich diese Literatur unter dem Einfluss von zwei grundlegenden Literaturen – der deutschen und der russischen – entwickelt. Dies ist der Hauptunterschied zwischen der Literatur der Russlanddeutschen als einer besonderen ethnischen Gruppe. Ein weiterer signifikanter Unterschied in der Literatur der Russlanddeutschen besteht darin, dass in den Werken russlanddeutscher Schriftsteller zwei Sprachen – Deutsch und Russisch – gleichzeitig dominieren.

Das literarische Erbe der russlanddeutschen Belletristik wird ständig ergänzt. Die Lektüre der Literatur der Russlanddeutschen eröffnet Ihnen nicht nur die tiefe innere Welt der Helden, sondern macht Sie auch mit der Geschichte des Ethnos, seiner selbstlosen Arbeit, seinen emotionalen Erfahrungen, seiner Geistesstärke, seinem unerschöpflichen Humor und seinen leuchtenden Hoffnungen für die Zukunft vertraut!

Wenn Sie mehr über die Online-Kurse von Anna Lenez erfahren möchten, klicken Sie hier (Video auf Russisch).

Übersetzt aus dem Russischen von Evelyn Ruge

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