„Jede Vorlesung ist Kunst“: Gespräch mit Dozent der Staatlichen Universität Omsk Igor Dinner


Er bittet die Studierenden, ihre Smartphones während seiner Vorlesung nicht wegzulegen, sondern vor sich zu lassen. Dies ist ein guter Anreiz für den Vorträger. Wenn jemand ein Smartphone in die Hand nimmt, muss man die Form der Präsentation ändern. In einem Interview mit dem RusDeutsch-Portal teilt Igor Dinner, Kandidat der Wirtschaftswissenschaften und Dozent des Lehrstuhls für Regionalökonomie und Personalmanagement an der Staatlichen Fjodor-Dostojewski-Universität Omsk, die Geheimnisse des erfolgreichen Unterrichts mit und spricht über die Verbindung zwischen den Generationen sowie seine deutschen Wurzeln und Familientraditionen.

Sie sind ein Lehrer mit reicher Erfahrung. Sie unterrichten an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Staatlichen Universität Omsk sowie führen Schulungen und Workshops für Schüler durch. Was reizt Sie persönlich am Unterrichten?

Ja, das stimmt. Seit meiner Kindheit faszinierte mich das Unterrichten in dem Sinne, dass ich immer jedem etwas beibringen wollte. Und wie ich bereits verstanden habe, sind die Hobbys von Kindern oft etwas Wahres und sollten bei der Berufswahl berücksichtigt werden. Unmittelbar nach dem Abschluss an der Staatlichen Fjodor-Dostojewski-Universität Omsk erhielt ich das Angebot, ein Teil des Teams der besten Lehrer zu werden. Ich habe ohne zu zögern zugestimmt! Dies diente übrigens als Ausgangspunkt für das Verfassen meiner Kandidatenthese, die ich 2018 erfolgreich verteidigt habe (in Russland entspricht „Kandidat der Wirtschaftswissenschaften“ dem akademischen Grad Dr. oec.in Deutschland – Anm. d. Üb.).

Das Unterrichten ist für mich nicht nur ein Job, es ist mehr. Stellen Sie sich vor, welche andere Aktivität vereint Kreativität, Wissenschaft und Bildungsaktivitäten junger Menschen? Jede Vorlesung ist für mich Kunst.

Mit dieser Einstellung gehe ich zu Studierenden. Ich möchte, dass meine Schüler sowohl am Inhalt als auch an der Präsentation des Materials Freude haben. Bisher ist es mir gelungen. Ich habe sogar einen eigenen Indikator zur Beurteilung der Qualität meiner Kurse. Ich bitte die Schüler, ihre Smartphones nicht wegzulegen, sondern vor sich zu lassen. Sobald ich sehe, dass sie zu ihren Handys gegriffen haben, verstehe ich, dass ich die Form der Präsentation ändern, Interaktivität nutzen, mich in den Prozess einbinden muss usw. Mir ist es wichtig, dass während der gesamten Vorlesung keiner zum Handy greift.

Was ist für Sie das Wichtigste in diesem Beruf und was ist für Sie als Lehrer am wichtigsten?

Das vielleicht Wichtigste an meinem Beruf ist, dass es im Lehrprozess nicht nur um den Wissensaustausch mit den Studierenden und deren Entwicklung zu zukünftigen Fachkräften geht, sondern auch um die Bildung der richtigen Werte in ihnen, gewissermaßen Erziehung.

Lernen Sie selbst von Ihren Studierenden? Wenn ja, was denn?

Zweifellos! Ich versuche, im Lehrprozess ein nicht-klassisches Format der Kommunikation mit meinen Studierenden aufzubauen. Mein Unterricht basiert auf interaktiven Formen, die Kinder werden in den Arbeitsprozess einbezogen. Durch die Interaktion im Format von Workshops und Masterminds lerne ich viel von ihnen. Es ist völlig normal, dass ich ihnen sage, dass ich etwas nicht weiß. Natürlich lerne ich von ihnen meistens über Dinge, die mit modernen Gadgets und Diensten zu tun haben. Kürzlich haben sie mich in künstlicher Intelligenz geschult, als mir klar wurde, dass man einen solchen Bericht habe nicht schreiben können, und jemand hat dabei offensichtlich geholfen.

Wie hat sich die Generation der Studierenden und Schüler im Vergleich zu Ihrer eigenen Zeit als Schüler und Student verändert?

Oh, hier werde ich Ihnen viel Interessantes erzählen, denn das ist das Thema meiner wissenschaftlichen Interessen, ich untersuche die Arbeitswerte junger Menschen.

Über die moderne Generation hören wir immer häufiger, sie sei „schwach“, „dumm“ und so weiter. Aber das ist überhaupt nicht der Fall! Ich stimme dem überhaupt nicht zu. Ja, sie sind anders, aber das hat man auch über uns gesagt. Tatsache ist, dass es viel einfacher ist, über sie zu sagen, dass sie falsch sind, als sie zu verstehen und zu kooperieren. Die moderne Generation ist sehr begabt, klug und unglaublich entwickelt. Sie sind Kinder der Welt.

Für junge Menschen gibt es jetzt keine Grenzen oder Hindernisse für Entwicklung, Kreativität usw. Und es scheint mir, dass sie diese Möglichkeiten völlig rational nutzen. Sie schaffen interessante Projekte, die das Leben der Menschen zum Besseren verändern. Und zweifeln Sie nicht daran, dass es unter der heutigen Jugend eine große Anzahl herausragender Persönlichkeiten in Bereichen Kultur, Wissenschaft, Bildung, Medizin usw. geben wird.

Worin sehen Sie die größten Unterschiede und Gemeinsamkeiten?

Der Hauptunterschied besteht darin, dass die moderne Jugend sich auf die Schaffung globaler Projekte konzentriert. Sie bilden Teams und interagieren unabhängig von ihrem Standort miteinander. Sie kommunizieren sehr offen und stellen Fragen. Für sie gibt es keine Status oder Ränge, alle sind gleich. Und das unterscheidet sie stark von der Vorgängergeneration. Was die Gemeinsamkeiten betrifft, würde ich sagen, dass ihnen auch Grundwerte wie Familie, Kommunikation, Gesundheitsfürsorge usw. wichtig sind.

Und wie kann man einem Schüler bzw. einer Schülerin bei der Berufswahl richtig helfen?

Ich kann sagen, dass es bei der Berufsberatung vor allem darauf ankommt, die Interessen und Hobbys des Kindes zu berücksichtigen. Sie erinnern sich bestimmt an die bekannte Formel „Ich will, ich kann, ich brauche“? Viele Karriereberater verlassen sich bei ihrer Arbeit darauf und entwickeln entsprechende Laufbahnen. Es kommt jedoch sehr selten vor, dass alle drei dieser Komponenten erfüllt sind. Verlassen Sie sich also am besten auf das, was man wirklich will, was die Augen „strahlen“ lässt. Dann kommt „Ich kann“ und später „Ich muss“. In meiner Praxis habe ich viele Menschen kennengelernt, die ihre Tätigkeit mit unglaublicher Leidenschaft ausübten, was ihnen in der Folge zu großer Popularität und finanziellem Erfolg verhalf.

Sie stammen aus einer Familie der Russlanddeutschen. Erzählen Sie uns etwas über Ihre Wurzeln. Pflegen Sie in Ihrer Familie irgendwelche deutschen Traditionen? Gibt es überhaupt welche Traditionen?

In unserer Familie sind wir sehr aufmerksam und respektvoll gegenüber den Traditionen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Die Feiertage Weihnachten und Ostern sind für uns etwas Besonderes, weil sie mit vielen Traditionen verbunden sind, die bis in die Vergangenheit zurückreichen. Der schönste Feiertag für unsere Familie ist natürlich Weihnachten. Im Vorfeld kaufen wir den Kindern einen Adventskalender, meist mit Süßigkeiten. Wir backen Stollen nach dem Rezept meiner Urgroßmutter. Diese Tradition kommt aus der Kindheit meines Vaters. Wir versuchen, dem Rezept im Hinblick auf das „Reifen“ des Stollens über mehrere Wochen zu folgen, aber das ist für Kinder so schwierig!

Wir alle lieben es, gemeinsam Rivelkuchen zu backen. Der Prozess selbst weckt großes Interesse bei Kindern, aber besonders gerne lauschen die Kinder den Geschichten meines Vaters, der sehr faszinierend von seiner Kindheit erzählt. Das Interessanteste ist, wenn er einige Fragmente auf Deutsch erzählt und sagt, dass es sich um Passagen handelt, die nicht ins Russische übersetzt werden können, die Bedeutung erklärt er den Kindern doch.

Im Sommer, wenn die Kirschen auf der Datscha reifen, kocht Papa ein typisch deutsches Gericht – Kirschsuppe und Knödel mit Kirschen und Hüttenkäse. Die Kinder freuen sich über die Leckereien selbst und natürlich über die Geschichten ihres Großvaters.

Es ist mir wichtig, nicht nur die Familientraditionen zu bewahren, sondern auch mehr darüber zu erfahren, wie meine Vorfahren nach Sibirien kamen. Kürzlich haben wir unseren Stammbaum um einen Auszug aus einem Kirchenbuch aus dem späten 19. Jahrhundert ergänzt. Es ist uns gelungen, Informationen zu finden, die ernsthaft mit der Geschichte der Russlanddeutschen verbunden sind. Ich habe unseren

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