Senioren aus den zentralen und nordwestlichen Regionen Russlands, die zum Sanatorium in der Nähe von Puschkino im Gebiet Moskau zur Erholung kamen, unternahmen einen weiten Spaziergang nach Tischkowo, dem ehemaligen Wohnsitz des berühmten Arztes Fjodor Haass.
Die Wanderung wurde von Polina Lenz organisiert, der Leiterin des Projekts zur Verbesserung der Gesundheit der älteren Generation der Russlanddeutschen und Koordinatorin für Sozialarbeit in Zentral- und Nordwestrussland. Da sie die Strecke bereits gewandert war, bot sie sich freiwillig als Wanderführerin an. „Das Dr. Haass Museum befindet sich im Postgebäude und wird ausschließlich von den Lokalhistorikern Marina und Nikolai Petrow betrieben, daher gibt es keine festen Öffnungszeiten“, erklärt Polina Lenz. „Die Post ist seit einem Jahr geschlossen. Auch das Museum ist geschlossen. Dank der Tochter von Marina und Nikolai Petrow, Lilia, war jedoch eine Besichtigung des Gutshofs möglich. Sie erzählte uns ausführlich vom Leben des hervorragenden Arztes.“
Fjodor Haass wurde in Bad Münstereifel geboren. Die Familie hatte acht Kinder, die trotz ihrer bescheidenen Verhältnisse alle eine gute Ausbildung erhielten. Der Vater von Fjodor Haass war Apotheker, und auch sein Großvater hatte einen medizinischen Hintergrund. Schon in jungen Jahren zeigte Fjodor Haass bemerkenswerte akademische Begabung und studierte in mehreren Universitäten. Er beschäftigte sich mit einer Vielzahl von Fächern, von Philosophie bis Mathematik. Die Medizin stand jedoch für ihn an erster Stelle. Als junger Mann lernte er in Wien den Diplomaten Repnin kennen und heilte dessen Frau von einer Augenkrankheit. Repnin lud Haass daraufhin als seinen Hausarzt nach Moskau ein. So kam der berühmte Doktor nach Russland. Viele Wanderer berührte die Geschichte über die berühmte „Haass“-Fesseln. Der Arzt, der das Transitgefängnis häufig besuchte, schlug neue, leichtere Fesseln vor, die die Knöchel und Handgelenke der Gefangenen nicht bis auf die Knochen aufrieben. Fjodor Haass erreichte außerdem einige Vergünstigungen für die Gefangenen. Und 1832 wurde dank seiner Bemühungen das erste Gefängniskrankenhaus eröffnet.
Heute zeugt von dem einst prunkvollen Gutshof im gotischen Stil nur noch ein Gedenkpark mit zweihundert Jahre alten Linden. Im Jahr 2010 wurde auf Initiative eines Gemeinderats und der Dorfbewohner in Tischkowo eine Gedenktafel für Fjodor Haass errichtet. Die Worte des Arztes sind in die Granitplatte eingraviert:
„Der sichere Weg zum Glück besteht nicht im Wunsche glücklich zu sein, sondern darin, die anderen glücklich zu machen. Beeilt euch, Gutes zu tun!“
Der Arzt Fjodor Haass wurde von der katholischen Kirche für seine humane Haltung gegenüber Kranken, für seine Fürsorge, Barmherzigkeit und sein Mitgefühl sowie für seinen wahrhaft christlichen medizinischen Dienst seliggesprochen. „Es war ein unerwarteter, faszinierender und lehrreicher Ausflug“, so Larissa Sjurtukowa (Maier) aus Petrosawodsk. „Es war eine richtige Wanderung, genau wie in der Kindheit! Immer wieder hörten wir begeisterte Ausrufe: ‚Was für ein steiler Weg!‘ ‚Oh, wie schön das Gutshof ist!‘ Ja, unser Weg war dornig. Das Gut von Fjodor Haass liegt hoch oben!
„Die Geschichte dieses großartigen Arztes hat mich tief berührt. Am meisten beeindruckte mich, wie tief und aufrichtig er das Leid der einfachen, benachteiligten Menschen verstand und sein ganzes Leben dem Dienst an ihnen widmete.“
Die Geschichte mit den Fesseln hat mich tief berührt. Ich bewundere seinen bürgerlichen Heldenmut. Herzlichen Dank an Polina Lenz für die Einladung zur Wanderung nach Tischkowo. Die Worte des Arztes, ‚Beeilt euch, Gutes zu tun‘, werden zum Leitfaden für alle, die etwas mehr über das Leben und dem Werk dieses großartigen Arztes und Bürger erfahren.“
„Ich bewundere immer wieder die Lebensfreude, das Engagement und die Neugier unserer Senioren“, resümiert Polina Lenz. „Es war eine richtige Expedition. Wir wanderten durch den Wald, überquerten eine Baumstammbrücke, wateten durch den Schlamm auf dem Marjina-Berg und stiegen einen steilen Pfad hinauf. Und nach solchem aufwändigen Weg lauschten die Teilnehmer aufmerksam der Geschichte von Fjodor Haass' Leben und Werk, stellten Fragen und baten um Aufklärung. Ein herzlicher Dank an Lilia Petrowa für die faszinierende Führung und die Hilfe beim Rücktransport der Senioren ins Sanatorium.“
Das Projekt zur Verbesserung der Gesundheit der älteren Generation der Russlanddeutschen wurde von der lokalen deutschen National-kulturellen Autonomie des Stadtbezirks von Sergijew Possad mit Unterstützung des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur im Sanatorium „Viktoria“ im Bezirk Puschkinskij des Gebiets Moskau durchgeführt.



