Nikita Michalkow wünscht die „Deutsche Vorstadt“ in Moskau zurück „Was haben die Russen und die Deutschen gemeinsam, was kann sie überhaupt verbinden?“, diese Frage stellte Nikita Michalkow, Präsident des Russischen Kulturfonds und Regisseur, in seiner mit Spannung erwarteten Festrede auf dem 10. Petersburger Dialog in Jekaterinburg. Damit die deutsch-russischen Beziehungen ein neues qualitatives Niveau erreichen, könnte man die „Deutsche Vorstadt“ in Moskau wieder zum Leben erwecken, so der Vorschlag des Regisseurs.

Nikita Michalkow wünscht die „Deutsche Vorstadt“ in Moskau zurück

„Was haben die Russen und die Deutschen gemeinsam, was kann sie überhaupt verbinden?“, diese Frage stellte Nikita Michalkow, Präsident des Russischen Kulturfonds und Regisseur, in seiner mit Spannung erwarteten Festrede auf dem 10. Petersburger Dialog in Jekaterinburg. Damit die deutsch-russischen Beziehungen ein neues qualitatives Niveau erreichen, könnte man die „Deutsche Vorstadt“ in Moskau wieder zum Leben erwecken, so der Vorschlag des Regisseurs.

Das deutsch-russische Diskussionsforum zwischen den Zivilgesellschaften beider Länder fand in diesem Jahr unter dem Dachthema „Deutsche und russische Gesellschaft im nächsten Jahrzehnt“ in der Uralregion statt. Der Dialog wagte nicht nur einen Blick in die Zukunft der deutsch-russischen Beziehungen, sondern schaute auch zurück – auf die 10 Jahre seiner Arbeit sowie auch auf die wichtigen historischen Daten der beiden Völker. In diesem Jahr gedenkt man in der gemeinsamen Geschichte sowohl des Endes des Zweiten Weltkrieges vor 65 Jahren als auch des 20. Jahrestages der deutschen Wiedervereinigung.

Nicht zufällig wurde im Rahmen des Kulturprogramms den Teilnehmern und Gästen des Petersburger Dialogs der neue Film Nikita Michalkows „Die Sonne, die uns täuschte – 2“gezeigt. Die Fortsetzung des 1995 mit Oscar ausgezeichneten Werkes des russischen Regisseurs erzählt über den Zweiten Weltkrieg – ein dunkles Kapitel in der Geschichte zweier Völker. Der Krieg, der unvorstellbare 55 Millionen Opfer forderte, endete vor 65 Jahren mit der bedingungslosen Kapitulation aller deutschen Truppen. Die schlimmsten Verluste erlitt das russische Volk: 8,6 Millionen Soldaten und 17 Millionen Zivilisten.

Der wohl berühmteste Regisseur Russlands, der mit seinem neuen Film einen Monumentalfilm über den großen Krieg präsentierte, setzte sich auch in seiner Festrede bei der Eröffnung des 10. Petersburger Dialogs mit den deutsch-russischen Beziehungen auseinander. „Russland hat Deutschland und Europa gerettet, indem es sich dreihundert Jahre lang der mongolischen Übermacht entgegenstellte; wäre es anders gelaufen, in welcher Sprache hätten wohl Goethe und Schiller miteinander gesprochen und ihre Werke verfasst? Andersherum betrachtet: Russland hat durch Deutschland das bekommen, woran es ihm schon immer mangelte: Stabilität in den Beziehungen, Ehrlichkeit und Klarheit der Aufgaben, schöpferische Bedächtigkeit in den Geschäftsbeziehungen“, so Nikita Michalkow.

Beide Länder können sehr gut miteinander. Dass die Regierungen und Gesellschaften Deutschlands und Russlands bereits viele Schritte zueinander gemacht haben, würde man vor allem in der Politik und Wirtschaft sowie im sozial-kulturellen Bereich sehen, betonte der russische Regisseur. Da sei aber noch etwas: „Können wir uns ohne Pathos, ohne betriebsame Gewinnkalkulation in Ruhe umsehen und eine Antwort auf die Hauptfrage suchen: Wozu und weswegen lebt heute das russische und das deutsche Volk, die Russen und die Deutschen?“ Auf der Suche nach der Antwort seien Worte allerdings „unzureichend“, man müsse etwas unternehmen. In diesem Zusammenhang machte Nikita Michalkow einen ganz konkreten Vorschlag: Damit die deutsch-russischen Beziehungen ein neues qualitatives Niveau erreichen, könnte man soziokulturelle und wirtschaftliche Räume in beiden Ländern schaffen.

„Ich meine die Wiedergeburt der „Deutschen Vorstadt“ in Moskau und des „Russischen Stadtbezirks“ in Berlin. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie das in Berlin machbar wäre, und warum eigentlich in Berlin? Dazu würde ich gern die Meinung der deutschen Kollegen hören. Was aber Moskau anbetrifft, so kann in Lefortowo und im Stadtbezirk Basmannyj auf der Basis der Entwicklung der modernen kulturvollen Industrie, der sozialen Sphäre und des Klein- und Mittelstandsunternehmertums die historische „Deutsche Vorstadt“ wieder zum Leben erweckt werden. Deutsche Kirche, deutscher Wochenmarkt, deutsche Bäckerei, deutsche Cafés und Restaurants, deutsche Läden und deutsche Handwerker, deutsches Theater, deutsche Bibliothek, deutsches Museum und Archiv, deutsche Universität als Filiale des Goethe-Instituts, deutsche Schule und deutscher Kindergarten…“

Dabei führte Michalkow als Beispiel für die „Produktivität“ eines solchen Projektes den Namen des bekannten russischen Nationaldichters an – Alexander Puschkin, der im Jahre 1799 in der Moskauer „Deutschen Vorstadt“ das Licht der Welt erblickte. Alle wissen, dass Puschkin afrikanische Wurzeln hatte, und nur wenigen sei bekannt, dass der Schriftsteller auch deutsche Vorfahren hatte. Die Realisierung dieses Projekts könnte nach Michalkow zu einem „praktischen Ergebnis unseres Forums“ werden.

Der 10. Peterburger Dialog ist nun zu Ende. Wie weit der Weg von den Worten zu den Taten ist, wird sich zeigen.

Die „Deutsche Vorstadt“ (Nemezkaja sloboda) war ein Ausländerquartier im Nordosten von Moskau und gehört heute zum Stadtteil Lefortowo. Zu Ausländern zählte man damals alle Nicht-Orthodoxe. Die ersten Ausländer, die offiziellen Status „Gäste“ bekamen, waren die deutsch-hanseatischen Kaufleute, später Handwerker und Fachleute. Sie kamen schon seit dem 15. Jahrhundert zur Zeit Iwans III. ins Land. Deutsche Bergleute suchten nach Bodenschätzen und bauten erste Verhüttungsanlagen. Dann kamen auch Ärzte, Apotheker und Gelehrte aus ganz Europa. In Moskau ließen sie sich in der „Deutschen Vorstadt“ nieder und wurden loyale Diener der russischen Zaren. Hier in der „Deutschen Vorstadt“ wurde die erste Apotheke Russlands eröffnet. Zur Zeit Peter I. spielte die „Deutsche Vorstadt eine große Rolle – als Zentrum des modernen Lebensstils.

Von Lena Steinmetz
Foto: Petersburger Dialog


Weitere Links zum Thema:

Bilanz einer Dekade. Geglückte Projekte, verpasste Chancen – ein Blick auf zehn Jahre Petersburger Dialog (Moskauer Deutsche Zeitung)

10. Petersburger Dialog 2010 in Jekaterinburg (offizielle Homepage)

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