Vor 100 Jahren: Wie der Hunger an die Wolga kam

Die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts hatten für kein Land so dramatische Folgen wie für Russland. Doch die Zeit dazwischen war für die dortige Bevölkerung teils noch schicksalhafter. Vor 100 Jahren, im Frühjahr 1921, breitete sich vor allem im Wolgagebiet eine verheerende Hungersnot aus, die Millionen Menschenleben kostete und erst 1922 allmählich abklang. Zehn Jahre später wiederholte sich diese humanitäre Katastrophe. Was das für die Wolgadeutschen bedeutete, darüber sprach die MDZ mit dem Saratower Historiker Arkadij German.

Nach europäischen Maßstäben sind die Ausmaße der beiden Hungersnöte geradezu unfassbar. Für 1921 und 1922 gehen Historiker von fünf bis sieben Millionen Todesopfern aus, für 1932 und 1933 werden ähnliche Angaben gemacht. Wie schwer war jeweils die kleine deutsche Wolgaautonomie betroffen, die von 1918 bis 1941 bestand, ab 1924 im Status einer Republik?

Von 1920 bis 1923 ging ihre Einwohnerzahl um fast 160.000 Menschen zurück. 1920 lag sie bei rund 661.000, drei Jahre später nur noch bei 502.000. Wie viele Menschen verhungert sind, darüber wurde keine Statistik geführt. Ich würde den Anteil der Toten unter den 160.000 mit etwa 40 Prozent beziffern. Der Rest ist aus der Gegend geflüchtet und hat versucht, sich in Regionen durchzuschlagen, wo die Lage weniger angespannt war.

Um die Hungersnot der 1930er Jahre einzuordnen, kann man die Sterbefälle der Jahre 1925 bis 1928 in der Wolgadeutschen Republik zum Vergleich heranziehen. Es waren durchschnittlich 12.400 pro Jahr. Bereits 1929, als die Kollektivierung begann, stieg die Zahl auf 14 600. Im Jahr 1932 machte sie einen Sprung auf 20.200 und 1933 sogar auf 50.100.

Lesen Sie das gesamte Interview in der Moskauer Deutschen Zeitung.

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