In der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Omsk fand die Eröffnung einer einzigartigen Fotoausstellung unter dem Titel «Wolgadeutsche" statt. Facetten des Alltagslebens» statt, die dem Alltagsleben der im Wolgagebiet lebenden Deutschen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewidmet sind.
Die Ausstellung, die auf der Grundlage von Archiv- und Museumsmaterial erstellt wurde, ist nicht nur eine Reihe von historischen Fotos. Es ist ein Versuch, durch die Jahrzehnte zurückzublicken, um noch einmal die vergangene Welt zu berühren: Menschen, deren Häuser voller Arbeit, Glauben, Hoffnung und täglichem Kampf um ein anständiges Leben waren.
Das alltägliche Leben als historischer Wert
Die Ausstellung zeigt seltene Bilder aus privaten Sammlungen und staatlichen Archiven. Es sind Bilder, die alltägliche Szenen zeigen: Familienessen, Ernte, Schulunterricht, Gottesdienste, Straßen und Häuser, die mit Liebe und Respekt vor der Arbeit gebaut wurden.
Besondere Aufmerksamkeit widmet die Ausstellung der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen, einer einzigartigen Region, die von 1924 bis 1941 bestand und für viele Russlanddeutsche zu einem Symbol der Hoffnung wurde. Aber die Ausstellung deckt auch einen größeren geografischen Bereich ab - die an die Autonomie angrenzenden Regionen und Kreise, in denen ebenfalls eine große deutsche Diaspora lebte.
„Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die jüngere Generation weiß, wie unsere Vorfahren gelebt und was sie für uns getan haben. Dieses Wissen muss von Generation zu Generation weitergegeben werden, um die Seele unserer Kultur zu bewahren“, sagte Wladimir Winogradow, stellvertretender Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche des Urals, Sibiriens und des Fernen Ostens, bei der Eröffnung der Ausstellung.
Heimat als Teil der Identität
In der Ausstellung geht es nicht nur um das alltägliche Leben, sondern auch um tiefere Themen: Identität, Heimatverbundenheit, historische Erinnerung und kulturelles Erbe, das trotz Repression, Umsiedlung und Verbot überlebt hat.
„Für viele, die in der Autonomen Republik Deutschland lebten, war es nicht nur ein Gebiet. Es war ein echtes Zuhause, erfüllt von den Stimmen der Vorfahren, den Gerüchen der Küche, den Klängen der Muttersprache. Wir hoffen, dass die Ausstellung dazu beiträgt, diese Atmosphäre zu spüren und vielleicht einen neuen Blick auf die Rolle der Geschichte in unserem Leben zu werfen“, betonte die Vorsitzende des Internationalen Verbandes der Deutschen Kultur, Elizaweta Graf, die bei der Eröffnung das Wort erhob.
Die Ausstellung wird mit dem Gedicht „Wolgaheimat“ von Friedrich Bolger eröffnet. Es wurde von Maxim Leichner, einem Aktivisten des städtischen Jugendklubs der Russlanddeutschen „Grenzlos“, vorgetragen.
Wissenschaft und Gedächtnis: die Sicht der Historikerin
Tatjana Smirnowa, Doktor der Geschichtswissenschaften und Professorin an der Staatlichen Universität Omsk, war ein besonderer Gast der Veranstaltung. In ihrer Rede wies sie auf die Bedeutung der Alltagsgeschichte als Teil des kollektiven Gedächtnisses hin: „Historiker haben sich lange auf große Ereignisse und politische Prozesse konzentriert. Doch heute wenden wir uns zunehmend dem Leben der einfachen Menschen zu. Ihre Alltagspraktiken, ihre Kultur, ihre Sprache, ihre Lebensweise - all dies ermöglicht uns ein tieferes Verständnis der Geschichte. Das alltägliche Leben wird zum Spiegel der Epoche.
Tatjana Smirnowa wies auch darauf hin, dass die Ausstellung ein Ausgangspunkt für einen breiteren Dialog über die multikulturelle Geschichte Russlands, die komplexen Schicksale der Russlanddeutschen und die Art und Weise, wie das Erbe von Minderheiten das nationale Gefüge des Landes prägt, werden könnte.
Mehr als eine Ausstellung
Die Eröffnung fand in einer warmen und herzlichen Atmosphäre statt. Die Gäste tauschten ihre Eindrücke aus, erinnerten sich an die Geschichten ihrer Großeltern und diskutierten über die historischen Fotografien, auf denen lebendige Gesichter, erkennbare Gesten und die schwer fassbare, aber spürbare Energie einer vergangenen Zeit zu sehen sind.
Die Ausstellung wird mehrere Wochen lang zu sehen sein. Ihr Ziel ist es, nicht nur Fakten zu präsentieren, sondern ein Gefühl der Zugehörigkeit zu wecken, persönliche Erinnerungen wachzurufen und die Bewahrung und das Überdenken des kulturellen Erbes anzuregen.
Das Kultur- und Geschäftszentrum „Russisch-Deutsches Haus in Omsk“ bedankt sich bei der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Omsk für die Bereitstellung der Räumlichkeiten für die Fotoausstellung sowie bei der Autonomen gemeinnützigen Organisation für Kultur, Kunst, Wissenschaft und Bildung „Logos“ und dem städtischen Jugendklub der Russlanddeutschen „Grenzlos“ für die Vorbereitung und Durchführung der Exkursion.