Von den ersten Klängen bis zur großen Bühne: Der Weg des Pianisten Emil Lichner

Heute ist Emil Lichner nicht nur ein talentierter Klavierspieler, sondern ein Musiker, dessen Schaffen über das Übliche hinausgeht. Im Interview sprachen wir über seine ersten Schritte in der Musik, die Wahl zwischen einer Solokarriere und der Arbeit als Begleiter, kulturelle Eindrücke von Tourneen sowie Pläne, Inspiration und Musik, die eine Brücke zwischen Ländern und Epochen schlägt.

Emil Lichner ist ein talentierter Pianist der Omsker Philharmonie. Seine musikalische Laufbahn begann in Omsk, in der Kinderkunstschule Nr. 4, wo der junge Pianist zum ersten Mal die Tasten berührte, ohne zu ahnen, welcher Weg ihn erwartete. Bereits mit acht Jahren gab er sein erstes Solokonzert, zog dann nach Moskau, studierte an der legendären Zentralen Musikschule am Tschaikowsky-Konservatorium und trat bei renommierten Wettbewerben auf. Sein Spiel zeichnet sich durch Tiefe, Technik und ein besonderes musikalisches Gespür aus – vielleicht auch aufgrund seiner deutschen Wurzeln, mit denen er die Verbindung nicht verloren hat.

Erzählen Sie uns von Ihren ersten Schritten in der Musik. Wie kamen Sie zum Klavier? Wer oder was hat Sie dazu inspiriert, diesen Weg einzuschlagen?

Meine Mutter liebte schon immer klassische Musik und kaufte, wann immer es möglich war, Schallplatten und spielte sie mir vor. Die Sammlung war vielfältig: von Alter Musik, ausländischen und russischen Klassikern, Symphonien und Balletten bis hin zu Musik sowjetischer Komponisten, Rockopern und verschiedenen Bands aus den 1970er und 80er Jahren.

Meine Großeltern hatten ein Klavier in ihrer Wohnung. Mein Großvater spielte übrigens wunderbar darauf, ebenso wie auf Gitarre und Akkordeon. Bei Familienfeiern trug er oft verschiedene Lieder zu seiner eigenen Begleitung vor. Dank dieser Umgebung begann ich mich für die Welt der Klänge zu interessieren und begann, zum Klavier zu greifen, als sich die Tasten noch auf Augenhöhe befanden.

Meine Eltern bemerkten dies rechtzeitig und brachten mich auf eine Musikschule. Nach meiner Aufnahme zog das Klavier in unsere Wohnung ein, und ich begann, mir die Feinheiten der Musikkunst fleißig anzueignen.

Sie haben in Moskau studiert, sind aber nach Omsk zurückgekehrt. Warum haben Sie diese Entscheidung getroffen? Wie hat Ihre Heimatstadt Ihre musikalische Entwicklung beeinflusst?

Omsk, meine Musikschule – die Kinderkunstschule Nr. 4 – und meine Lehrerin, Lilija Borissowna Pachotina, ermöglichten mir den Einstieg ins Musikleben. Nachdem ich Preisträger des Wettbewerbs der Zentralen Musikschule geworden war, wurde mir ein außerwettbewerblicher Studienplatz an der Zentralen Musikschule am Moskauer Staatlichen Tschaikowsky-Konservatorium angeboten, das ich getrost als eines der besten der Welt bezeichnen kann. Ich habe die Hälfte meines Erwachsenenlebens in Moskau verbracht und bin aus familiären Gründen nach Omsk zurückgekehrt, bereue es aber keineswegs.

Sie haben als Klavierbegleiter gearbeitet und treten nun solo auf. Welche Rolle liegt Ihnen näher – die des Begleiters oder die des Solisten? Was sind die jeweiligen Merkmale?

Es sei erwähnt, dass ich während meiner gesamten künstlerischen Laufbahn sowohl solo als auch in Kammerensembles und als Begleiter aufgetreten bin. Lediglich der Zeitaufwand für diese beiden Bereiche der Klavierkunst war in verschiedenen Phasen unterschiedlich. Natürlich lag mir das Solospiel schon immer am Herzen. Nur dort kann man seine Gedanken und Gefühle völlig frei und unabhängig von anderen ausdrücken. Die Kunst des Klavierbegleiters besteht vielmehr darin, die Besonderheiten des Instruments des Solisten gut zu verstehen und das Ensemble voll und ganz zu unterstützen und zu verstehen.

Wie bereiten Sie sich auf Auftritte vor? Haben Sie besondere Ansätze für die Programmgestaltung?

Die Arbeit an einem Konzertrepertoire nimmt viel Zeit in Anspruch. Selbst wenn ich spazieren gehe oder mich mit Freunden treffe, denke ich oft in meinen Gedanken über Fingersatz, Phrasierung und spiele Teile der Stücke. Manchmal ist diese mentale Arbeit viel nützlicher als das direkte Üben am Instrument.

Sie haben an Meisterkursen in Deutschland teilgenommen und sind durch Japan getourt. Welche kulturellen Unterschiede in der Musikwahrnehmung sind Ihnen aufgefallen? Gab es unerwartete Reaktionen vom Publikum?

Musik ist eine universelle Sprache, die jeder versteht. Sie hebt alle Grenzen auf und versetzt einen Menschen in eine besondere Atmosphäre.

Bei einem öffentlichen Auftritt versuche ich immer, eine emotionale Verbindung zum Publikum aufzubauen, damit es sich auf mich einlässt. Dabei spielt es keine Rolle, ob man sich in Japan, Deutschland, Russland oder einem anderen Land befindet.

Ihre Programme umfassen Werke von Rachmaninow und europäischen Komponisten. Wie wählen Sie Ihr Repertoire aus? Haben Sie Lieblingsepochen oder -stile?

Mein Repertoire ist umfangsreich – von Domenico Scarlatti und Johann Sebastian Bach bis hin zu Sergej Prokofjew und Igor Strawinsky. Viele Faktoren beeinflussen die Auswahl der Werke für jedes einzelne Konzert. Generell strebe ich jedoch nach logischer, emotionaler und stilistischer Vollständigkeit und Endgültigkeit. Wenn wir über Lieblingsepochen sprechen, dann liegt mir derzeit die Romantik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts am nächsten. Ich liebe auch den Impressionismus, nicht nur in der Musik.

Waren Sie schon einmal in Deutschland? Gab es dort etwas, das Sie als Person mit deutschen Wurzeln besonders berührt oder überrascht hat?

Mein Besuch in Deutschland wird mir immer in besonderer Erinnerung bleiben, da es meine erste Auslandsreise war. Ich war ein Teenager. Damals erschien mir alles völlig ungewohnt und anders: Architektur, Küche. Sprache und Schilder, die ich kaum verstehen konnte. Eine Lebensweise, die sich völlig von der russischen unterschied. Leider konnte ich nicht so viele Orte besuchen, wie ich gerne gewollt hätte.

Wenn Ihre Familie deutsche Traditionen bewahrt hat, erzählen Sie uns davon. Vielleicht musikalische Vorlieben, Feiertage, Sprache?

Meine Großmutter väterlicherseits war Deutsche.

In der Familie wurde viel Deutsch gesprochen. Vor der Schule konnte mein Vater kaum Russisch. Wenn wir zu Besuch kamen, hörte ich oft verschiedene Sprichwörter und Redensarten auf Deutsch.

Heute feiern meine Familie und ich deutsche Weihnachten, obwohl meine Mutter orthodox ist.

Haben Sie vor, die Werke deutscher Komponisten oder zeitgenössischer Russlanddeutscher in Ihre Programme aufzunehmen?

Meine Programme beinhalten oft Werke deutscher Komponisten wie Bach, Beethoven, Schumann und Schubert. In diesem Frühjahr führten wir zusammen mit Kollegen, großartigen Musikern und Solisten des Omsker Akademischen Symphonieorchesters das Klavierquintett von Alfred Schnittke auf.

Wer sind Ihre größten musikalischen Vorbilder? Welche Interpreten schätzen Sie?

„Du sollst dir kein Kultbild machen.“ Mir liegen die Klavierinterpretationen von Emil Gilels und Swjatoslaw Richter sehr am Herzen. Zu den Dirigenten zählen Wilhelm Furtwängler und Herbert von Karajan. Ich liebe die Vokalkammermusik von Dietrich Fischer-Dieskau.

Welche Projekte möchten Sie in Zukunft verwirklichen? Vielleicht eine Zusammenarbeit mit einem Orchester oder ein eigenes Programm?

Ich habe viele Pläne und aktuelle Aufgaben. Natürlich sollte man stets danach streben, Solokonzerte in verschiedenen Konzertsälen in unterschiedlichen Städten und Ländern zu geben und mit verschiedenen Orchestern aufzutreten. Das bereichert und gibt die Möglichkeit, Erfahrungen mit anderen zu teilen.


Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass für Herbst ein Solokonzert von Emil Lichner im Deutsch-Russischen Haus in Moskau geplant ist. Folgen Sie den Neuigkeiten auf VK und Telegram sowie auf unserem Portal!

Rubriken: Interview