Kai Getz: „Ich möchte in einem Kriegsfilm mitspielen“


An sein kindliches, lächelndes Gesicht erinnern sich viele Menschen durch Werbespots. Trotz seines jungen Alters von 13 Jahren hat Kai Getz bereits reichlich Schauspielerfahrung gesammelt. Am 13. Mai erschien der Film „Tell Her“ unter der Regie von Alexandr Molochnikow mit Beteiligung des jungen Schauspielers im Verleih. Kurz vor der Premiere sprachen wir mit Kai und seiner Mutter, der Werbefilmproduzentin Jekaterina Getz, über die kreative Arbeit, frühes Erwachsenwerden, die deutschen Wurzeln und ob es beängstigend ist, in einem Sarg gefilmt zu werden.

RD: Du bist seit Deinem fünften Lebensjahr in der Schauspielerei tätig, das heißt, dass Du früh ins Erwachsenenleben eingetreten bist. Hast Du das Gefühl, dass Du reifer bist als Deine Altersgenossen?

K. G.: Ich kann nicht sagen, dass ich reifer bin, aber es steht fest, dass wir viele unterschiedliche Interessen haben.

Seit meinem fünften Lebensjahr bin ich es gewohnt, professionelle Menschen in diesem Bereich zu treffen – die Besten der Besten – und das bildet eine ganz andere Einstellung zu allem im Leben.

Man versteht nicht, wie man etwas ohne Verantwortung machen kann. Trotzdem habe ich in der Schule ein gutes Verhältnis zu meinen Mitschülern und wir kommunizieren absolut auf Augenhöhe.

RD: Kannst Du Dich an Deinen ersten Probeauftritt erinnern? Wie war es?

K. G.: Es war ein Casting für einen Werbespot. Es waren wenige Menschen da, und als ich in den Castingraum eintrat, waren dort ein paar mir unbekannte Menschen, die ihre gesamte Aufmerksamkeit auf mich richteten und mir Fragen stellten. Dies war ein wenig ungewöhnlich für mich und trotzdem hat es mir gefallen, mich mit ihnen zu unterhalten.

RD: Du warst oft bei der Dreharbeit von Werbespots beteiligt. Wo liegen die Schwierigkeiten dieser Arbeit. Was reizt Dich daran, bei Werbespots mitzumachen und welche Erfahrungen machst Du dabei?

K. G.: Viele denken, dass das Drehen von Werbespots ein sehr primitiver und uninteressanter Prozess ist, aber dem ist nicht so.

Ein Werbespot mit einer Länge von 30 Sekunden wird nicht weniger als zwölf Stunden gedreht. Und all diese (mindestens) zwölf Stunden stellen die Schauspieler dar, was das Drehbuch verlangt. Manchmal in nicht-saisonaler Kleidung und manchmal draußen bei +30 °C im Pelzmantel.

Der Dreh von Werbespots ist interessant, da die Teams bei diesen Projekten die Besten der Besten sind. Man kann von erstklassigen Regisseuren eine Menge lernen.

RD: Dein Theaterdebüt war das Stück „Die Lady Macbeth von Mzensk“ unter der Regie von Alexander Mohow im Theater von Oleg Tabakow. Wie bist Du auf dieses Projekt gestoßen? Was ist Dir in Erinnerung geblieben?

K. G.: Auf das Projekt bin ich zufällig gestoßen. Meine Mutter fand im Internet eine sehr kurze Anzeige, dass ein Junge im Alter von 6–8 Jahren für eine Inszenierung gesucht wird. Wir riefen die angegebene Nummer an und wurden gebeten, vorbeizukommen, um den Regisseur zu treffen.

Wir fuhren zu Alexander Mohow in irgendeinen Pferdestall, wo er eine Serie drehte. Wir lernten uns kennen und unterhielten uns etwa fünf Minuten lang. Er sagte, dass er uns in das Theater einlädt und dass wir versuchen würden, zu proben.

Zu Beginn war nicht klar, was für ein Theater es war und wie ernst alles ist. Ich konnte nicht glauben, dass so eine kurze Anzeige einen ins Theater bringen kann.

RD: Du hast in dem Musikvideo „Где бы ты ни был“ (dt. Wo auch immer du bist) von Synecdoche Montauk mitgespielt. Es ist ein recht schwieriges Musikvideo. Du spielst einen verstorbenen Jungen und in dem Video wirst Du gefilmt, wie Du in einem Sarg liegst. War das nicht beängstigend?

K. G.: Zu der Zeit, als uns die Geschichte angeboten wurde, konnte ich bereits professionell tanzen, nur wussten nicht viele Menschen davon und ich wollte es allen zeigen. Die Szene mit dem Tanz des Jungen hat mir sehr gefallen und wollte sie unbedingt aufführen, aber der Teil mit dem Sarg war ein bisschen beängstigend. So eine Erfahrung habe ich noch nicht gemacht.

Diese Geschichte ist sehr zusammenhängend und ein Teil ergibt ohne den anderen keinen Sinn. Nach langem Überlegen entschied ich mich, am Casting für dieses Projekt teilzunehmen, und bereue es kein bisschen.

RD: Was ist Dir von dem Dreh in Erinnerung geblieben und was waren Deine Eindrücke von der Zusammenarbeit mit Irina Gorbatschowa?

K. G.: Dank dieses Projekts lernte ich einen wunderbaren Menschen und Profi seines Werkes kennen: den Choreografen Alexander Tronow.

Das ganze Team war taktvoll und sogar die Dreharbeit in dem Sarg brachte keine Unannehmlichkeiten. Die einzige Schwierigkeit war die Filmaufnahme in der Nacht.

Mit Irina Gorbatschowa haben wir uns nur wenig unterhalten. Wir hatten nur einen gemeinsamen Drehtag – eher gesagt Nacht – und jeder war sehr beschäftigt. Aber sie ist eine talentierte Schauspielerin und ihre Rolle in „Где бы ты ни был“ ist sehr stark.

RD: Das Musikvideo wirft schwierige philosophische Fragen auf: Leben und Tod, das Leben nach dem Tod. Denkst Du über solche Fragen nach?

K. G.: Genau deswegen wurde dieses Musikvideo gedreht, damit die Menschen, die ihre Liebsten verloren, verstehen, dass es ihnen „dort oben“ gut geht. Um den Schmerz über ihren Verlust wenigstens ein bisschen zu lindern.

RD: Eine Deiner letzten Arbeiten ist die Rolle im Film „Tell Her“. Erzähl uns ein wenig darüber.

K. G.: Es ist eine sehr interessante und schwere dramatische Rolle und ich bin froh, dass ich das Glück hatte, sie zu spielen. Ich hoffe, dass die Erwachsenen durch diesen Film anfangen, vorsichtiger mit den Gefühlen und Erfahrungen der Kinder umzugehen.

RD: Was sind Deine Eindrücke von den Dreharbeiten und der Arbeit mit dem Regisseur Alexandr Molochnikow und den Schauspielern Alexei Serebrjakow, Swetlana Chodtschenkowa und Artjom Bystrow?

K. G.: Alexandr Molochnikow ist ein sehr feinsinniger Regisseur und ich fühlte mich wohl bei der Arbeit mit ihm. Er durchdachte alle Details in jeder Szene.

Die Schauspieler des Films sind großartig. Allesamt hochprofessionelle Menschen, die ihre Arbeit lieben und es ist ein Vergnügen, ihnen zuzusehen. Alexei Serebrjakow war sehr freundlich.

Mit Swetlana Chodtschenkowa hatten wir wahrscheinlich die meisten gemeinsamen Szenen und wir sind gute Freunde geworden. Sweta ist freundlich und entgegenkommend. Außerdem ist sie eine großartige Schauspielerin, aber das wissen Sie auch so!

Mit Artjom Bystrow waren wir bei den Aufnahmen in Sankt Petersburg unzertrennlich. Er half mir in schwierigen Szenen. Er ist eine sehr nette Persönlichkeit und ebenfalls ein wunderbarer Schauspieler. Wenn Sie noch keinen Film mit seiner Beteiligung gesehen haben, dann empfehle ich es Ihnen hiermit!

RD: Was ist Dir von dem Dreh in Erinnerung geblieben und gab es irgendwelche lustigen Momente?

K. G.: Das lustigste Ereignis passierte mir am Set des Musikvideos „Где бы ты ни был“. Die letzte Szene wurde um fünf Uhr morgens gedreht, ich lag in dem Sarg und Ira lief aus der Kirche. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich unglaublich schlafen und war froh, dass ich einfach nur liegen konnte. Der Moment, an dem der Regisseur „Danke an alle, die Schicht ist vorbei!“ rief, waren alle verwundert, da ich mich nicht von meinem Platz rührte. Ich bin einfach eingeschlafen! Das war unglaublich witzig.

RD: Du hast trotz Deines Alters schon ziemlich viel Erfahrung im Schauspielberuf. Besprichst Du Deine Rollen mit dem Regisseur, kannst Du Vorschläge machen und wird auf Deine Meinung gehört?

K. G.: Wenn ich der Rolle etwas hinzufügen möchte oder es mir so vorkommt, dass etwas geändert werden muss, sage ich es dem Regisseur und der Rest hängt dann von ihm ab.

Normalerweise neigen erfahrene Regisseure dazu, öfter auf Kinder zu hören. Wahrscheinlich, weil es den Regisseuren so vorkommt, dass die jungen Menschen es „uncool“ finden, Dinge so zu machen, wie ein Kind es vorschlägt.

Damit habe ich keine Probleme.

RD: Dein jüngerer Bruder Tim macht ebenfalls seine ersten Schritte in den Schauspielerberuf. Gibst Du ihm als bereits erfahrener Schauspieler Ratschläge?

K. G.: Nicht oft. Er ist wirklich gut. Er hat großes Talent und wird alles aus eigener Kraft erreichen.

RD: Welche Bücher hast Du in letzter Zeit gelesen? Was hat Dir gefallen und woran erinnerst Du Dich?

K. G.: Ich las „Mit Worten kann ich fliegen“ von Sharon Draper, „Anna Karenina“ (ich habe es nicht zu Ende gelesen, aber ich werde auf jeden Fall später darauf zurückkommen) und „Harry Potter“. Obwohl es sich um völlig unterschiedliche Werke handelt, offenbaren sie Menschen, die sehr vielseitig sind.

Viele beurteilen innerhalb von drei Sekunden Menschen nach ihrer Kleidung, nachdem sie eine Person in einer bestimmten Situation gesehen haben, aber dieser Eindruck ist oft falsch. Es gibt keine Menschen, die zu 100 % schlecht oder gut sind. Und das ist äußerst interessant.

RD: Welche Art von Filmen gefällt Dir? Was sind Deine Lieblingsfilme? Hast Du Vorbilder unter den Schauspielern und Regisseuren.

K. G.: Ach, Filme sind meine Leidenschaft. Es gibt viele, die ich mag. „Im Morgengrauen ist es noch still“, „Der große Gatsby“, „1917“, „Der Pianist“, „The Green Mile“ und „Flucht aus Pretoria“.

Besonders gut gefallen mir Leonardo DiCaprio, Johnny Depp und Robert Downey Jr. Während der Dreharbeiten in Los Angeles nach einem harten Drehtag gerieten der Regisseur Alexandr Molochnikow und ich in einen Stau, und als ich mich umdrehte, war direkt hinter uns Robert Downey Jr. mit seinem Fahrer.

Alle dieser Schauspieler gehen, abgesehen von ihrem unbestrittenen Talent, sorgfältig an die Findung und Ausarbeitung ihres Erscheinungsbildes heran. Das ergibt immer ein gutes Ergebnis und die Charaktere erweisen sich als äußerst interessant und es ist schwer, sich von ihnen loszureißen.

Unter den Regisseuren gefallen mir Charlie Chaplin, Danila Koslowski und Dmitry Dyachenko.

Chaplin ist Historie, und Danila und Dmitry sind exzellente Profis ihrer Arbeit. Sie lassen niemanden murksen und spüren sofort, wenn etwas im Bild falsch läuft.

RD: Gibt es eine Rolle, die Du gerne spielen würdest? Würdest Du einen Zeitgenossen oder Gleichaltrigen aus einer anderen Epoche spielen wollen?

K. G.: Ich würde mich gerne an einem Kriegsfilm versuchen. Ich vermute, dass es eine neue Erfahrung sein wird.

RD: Neben der Schauspielerei nimmst Du das Tanzen ernst. Was für eine Art von Tanzen ist es und wo übst Du? Wie hilft es bei der Arbeit als Schauspieler?

K. G.: Ich tanze im Stil Hip-Hop und Breakdance. Ich war bei verschiedenen Tanzstudios, aber meistens tanze ich in einem Studio in der Nähe meines Hauses.

Die Fähigkeit zu tanzen hilft sehr, denn wenn nicht getanzt, sondern nur ein wenig zur Musik gewippt werden muss, wird es bei dem Tänzer immer leicht und lässig aussehen.

Und in einigen Szenen sollte es auch so sein. Somit ist die Fähigkeit, sich zu bewegen von großer Wichtigkeit.

RD: Denkst Du bereits über Deinen zukünftigen Beruf nach? Planst Du, Schauspieler zu werden? Was fühlt sich für Dich besser an: das Theater oder das Kino?

K. G.: So langsam fange ich an, darüber nachzudenken, aber ich habe noch etwas Zeit. Im Moment fühlt sich für mich das Kino richtiger, aber wir werden sehen, was in der Zukunft passiert.


Fragen an Jekaterina Getz

RD: Ihre Söhne heißen Kai Alex Getz und Tim Stefan Getz. Die Namen sind sehr ungewöhnlich und auch noch doppelt. Was war der Grund für diese Namenswahl? Woher stammt Ihr Nachname?

J. G.: Wir beschlossen, den Kindern Doppelnamen zu geben, in Entsprechung der deutschen Tradition: Es wird geglaubt, dass, wenn der zweite Name einer Person unbekannt ist, der „böse Blick“ nicht auf ihn wirken wird. Ich weiß nicht, inwieweit das funktioniert, aber Doppelnamen erschienen meinem Mann und mir interessant.

Getz ist der Nachname der Familie meines Mannes. Er ist in Kasachstan geboren und aufgewachsen, aber alle seine Verwandten mütterlicherseits sind Deutsche. Seine Großmutter spricht nicht einmal Russisch, sondern nur Deutsch.

RD: Erzählen Sie uns ein wenig über die Geschichte Ihrer Familie und die deutschen Wurzeln. Bewahren Sie die deutsche Sprache und die Traditionen innerhalb der Familie?

J. G.: Meine Schwiegermutter Klara Getz ist in einer großen traditionellen deutschen Familie geboren und aufgewachsen. In den 1990er-Jahren emigrierte sie zusammen mit ihren Söhnen nach Deutschland, aber mein Mann Wadim kehrte schon nach einem Jahr und sein Bruder Andrej erst nach zehn Jahren nach Russland zurück. Klara blieb all die 20 Jahre lang in Fellbach in der Hoffnung, dass ihre Söhne ihre Meinung ändern würden. Aber sie änderten ihre Meinung nicht, bekamen Kinder und somit beschloss Klara, nach Russland zurückzukehren. Jetzt bringt sie ihren Enkelkindern deutsche Traditionen bei (Tim wurde in Deutschland in einer katholischen Kirche getauft). Der einzige Fehler ist, dass die Kinder kein Deutsch können. „Wir möchten, dass die Kinder die Sprache im Laufe des Lebens erlernen“, aber da sie nicht in Deutschland gelebt haben, ist das nicht einfach.

RD: Diskutieren Sie in der Familie die Rolle von Kai und sprechen Sie Empfehlungen an Ihren Sohn aus?

J. G.: Ja, vor allem aber besprechen wir die Szenarien der Projekte, in denen Kai eine Rolle angeboten wird. Es ist wichtig, den Regisseur kennenzulernen, um zu verstehen, ob Kai sich bei ihm wohlfühlt, denn der Dreh ist ein sehr persönlicher, fast intimer Prozess.

RD: Wer entscheidet, ob Kai in dem einen oder anderen Projekt teilnimmt oder nicht?

J. G.: Früher haben mein Mann und ich die Entscheidungen getroffen. Jetzt besprechen wir alle Projekte im Detail mit Kai.


Das Portal RusDeutsch wünscht Kai Getz eine erfolgreiche Karriere, kreative Siege, großartige Projekte und interessante neue Rollen.

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