Kulturhistorisches Seminar der Russlanddeutschen in Moskau beendet


Im Deutsch-Russischen Haus in Moskau fand der dritte und letzte Tag des kulturhistorischen Seminars statt, das vom 5. bis 8. Dezember für Forscher veranstaltet wurde, die sich mit der Erforschung des kulturellen und historischen Erbes der Russlanddeutschen beschäftigen. Die Hauptthemen der Vorträge umfassten die angewandte Kunst und die traditionelle Alltagskultur der Russlanddeutschen.

Lena Geit, Leiterin der ethnokulturellen Gruppe „Basteln“ der National-Kulturellen Autonomie der Deutschen in Jekaterinburg, befasste sich in ihrem Vortrag mit dem Thema der Heranführung an die Kultur der Russlanddeutschen durch die Kunst, und erzählte von Workshops, die in der Autonomie durchgeführt werden.

„Die Vielfalt der kulturellen Traditionen und Feiertage bietet unbegrenzte Möglichkeiten zur kreativen Selbstverwirklichung, sowohl als Leiter eines Klubs als auch als Teilnehmender. Die Russlanddeutschen haben schon immer mit einer Vielzahl von Materialien gebastelt. In der heutigen Zeit versuchen wir, vertraute Materialien auf unkonventionelle Weise zu verwenden. Wir betrachten, beobachten und reproduzieren und führen dann ein neues Element ein. Ich stütze die Workshops immer auf Bücher und Lieder, damit die Teilnehmenden mit den Traditionen vertraut werden und sich dem kreativen Prozess bewusst nähern. Die Arbeit in unserem Klub erfolgt in mehreren Bereichen. Dazu gehören auch traditionelle Kreativ-Workshops wie Nähen und Kochen deutscher Gerichte.

In unserer Arbeit erlernen wir nicht nur die Kultur der Russlanddeutschen, sondern achten auch auf die ökologische Komponente und den Schutz der Umwelt. Die Russlanddeutschen haben schon immer im Einklang mit der Natur gelebt, und wir setzen diese Tradition fort.

Deshalb verwenden wir aktiv natürliche Materialien oder solche, die von jeglicher menschlichen Tätigkeit übrig geblieben sind wie Kartonverpackungen, Stoffreste, Garn und Essstäbchen. Auf diese Weise machen wir aus Müll keine Abfälle, sondern Meisterwerke. Wir lehren einen achtsamen Umgang mit der Welt, in der wir leben.“

Elena Arndt, Ethnografin und Redakteurin der Zeitschrift „Scientific research and innovation“, sprach über die Besonderheiten des Haushaltes und des Alltagslebens der Russlanddeutschen im 19. und 20. Jahrhundert.

Nach Angaben der Forscherin wurden die Kolonien parallel und senkrecht zueinander gebaut. Damals war es die neueste Idee des Städtebaus, die man von den Franzosen übernommen hat. Die Häuser wurden von russischen Zimmermännern gebaut und dann von den Deutschen perfektioniert.

Das Haus der wohlhabenden Deutschen war dreigeteilt: In der Mitte befand sich die Küche, rechts davon ein großes Zimmer und links davon ein kleineres Zimmer. Diese Tradition wurde seit dem Ende des 18. Jahrhunderts beibehalten. Das kleine Zimmer wurde von den Großeltern bewohnt, zu denen die Kinder zum Schlafen in deren Betten geschickt wurden. In der Küche befanden sich Brennkammern für die Herde, und der Ofen mit den Heizkesseln wurde durch ein Luftrohr von innen belüftet. Auf diesem Herd wurde Essen gekocht.

Die Teilnehmende stellt eine interessante Tatsache fest: Von den rauchenden Deutschen wurden nur die als Arbeitnehmer beschäftigt, die Pfeife rauchten. Pfeifen galten als die sicherste und am wenigsten brandgefährdete Variante. Sie waren äußerst beliebt. Die Herstellung galt als sehr profitabel, und es wurden jährlich bis zu 800.000 Pfeifen zu Preisen zwischen vier Kopeken und vier Rubel je nach Einfassung und Design produziert.

In Bezug zur Vorweihnachtszeit erzählte Elena Arndt auch interessante Geschichten über traditionelles Spielzeug der Russlanddeutschen. Zum Beispiel bekamen Jungen zu Weihnachten Pferde und Mädchen Puppen geschenkt. Interessanterweise war das Pferdegeschirr des Spielzeugpferdes genauso verziert wie das eines echten Pferdes.

Der letzte Tag beinhaltete außerdem Vorträge über die Modernisierung des kulturellen Erbes im zeitgenössischen sozialen Umfeld und über das kulinarische Erbe der Russlanddeutschen sowie einen runden Tisch zum Thema „Russlanddeutsche. Historisches und kulturelles Erbe“ mit Wladimir Auman, Doktor der historischen Wissenschaften und Verdienter Kulturschaffender Kasachstans, und Walentina Tschebotarewa, Doktorin der historischen Wissenschaften und Mitglied der Internationalen Assoziation zur Erforschung der Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen.

Die Historiker erzählten von der gemeinsamen Arbeit an der Sammlung „Geschichte der Russlanddeutschen anhand von Dokumenten“, die 1993 veröffentlicht wurde.

„Seit 32 Jahren arbeiten wir gemeinsam mit Walentina an der Problematik der Russlanddeutschen. Unsere gemeinsame Arbeit begann mit einer Konferenz, die wir beide gemeinsam vorbereitet haben. Sie arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin und stellvertretende Direktorin, und ich arbeitete für das Zentralkomitee der KPdSU.

Sie hatte ihr Leben den Russlanddeutschen gewidmet. Der überwiegende Teil ihrer wissenschaftlichen Arbeit ist den Russlanddeutschen gewidmet, und ich kenne keine andere Person, die sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftigt.

Unser erstes gemeinsames Werk ist einzigartig, weil ich als Mitarbeiter des Zentralkomitees alle Dokumente über Russlanddeutsche gesammelt habe, die wir schließlich veröffentlicht haben“, sagte Wladimir Auman.

„Wir sind nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Zeugen der Geschichte und in gewisser Weise Chronisten. Es gibt bestimmte Dinge, die man nicht in Büchern nachlesen kann und die sowohl Walentina als auch ich selbst erlebt haben. Ich bin stolz darauf, dass ich 10 Jahre im Zentralkomitee der kommunistischen Partei Kasachstans und 10 Jahre mit Michail Gorbatschow zusammengearbeitet habe. Aber ich habe mein eigenes Volk nie hintergangen.“

Der dritte Tag des kulturhistorischen Seminars endete mit dem Kammermusikkonzert „Kaleidoskop des Winters“, an dem Preisträger internationaler Wettbewerbe – Studierende, Lehrkräfte und Absolventen der nach Gnessin benannten Musikakademie – teilnahmen.

Übersetzt aus dem Russischen von Evelyn Ruge

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