Vom 3. bis dem 18. November 2022 wurde in der Ausstellungshalle der Moskauer Abteilung des Verbandes der Künstler Russlands eine Ausstellung mit Werken von Andrei und Irina Marz unter dem Namen „Einatmen – Ausatmen“ exponiert. In einem Gespräch mit RusDeutsch erzählte Irina, eine Künstlerin und Reisende, Mitglied der Künstlervereinigung der Russlanddeutschen, über die Idee einer gemeinsamen Ausstellung von Vater und Tochter, die Kindheit in einer kreativen Familie und die Bedeutung des deutschen Hintergrunds.
Irina Marz ist die Tochter des herausragenden russischen Bildhauers, Meisters der animalischen Bildhauerei Andrei Marz und der Kunsthistorikerin der Staatlichen Tretjakow-Galerie Ljudmila Marz. Irina reist viel durch Russland, malt originelle Landschaften und Interieurs und arbeitet auch als Buchgestalterin. Ihre Werke sind im Staatlichen Russischen Museum, dem Moskauer Museum für moderne Kunst, dem Regionalen Kunstmuseum namens Iwan Poschalostin von Rjasan, dem Staatlichen historischen Kunst- und Literaturmuseum „Abramzewo“, dem Historischen Kunstmuseum „Neues Jerusalem“, in privaten Sammlungen in Russland und im Ausland.
Im April dieses Jahres hatte Irinas Werkstatt der deutsche Botschafter in Russland Géza Andreas von Geyr besucht und dann Irina um Erlaubnis gebeten, eines ihrer Bilder für die traditionelle Weihnachtskarte der deutschen Botschaft verwenden zu dürfen.
Im November veranstaltete die Moskauer Abteilung des Verbandes der Künstler Russlands zum 20. Todestag von Andrei Marz eine gemeinsame Ausstellung mit Gemälden seiner Tochter und seinen skulpturalen Werken. Wir sprachen über diese Ausstellung und über die Beziehungen in der kreativen Familie mit Irina Marz.
Diese Ausstellung ist nicht nur Ihrem Vater gewidmet, sondern es ist eine gemeinsame Ausstellung mit ihm. Bitte erzählen Sie uns von der Idee.
Dies ist nicht unsere erste gemeinsame Ausstellung mit meinem Vater. Ein paar Mal haben wir es geschafft, zu seinen Lebzeiten zusammen ausgestellt zu werden, aber meistens schon nach seinem Weggang. Tatsächlich ist es schwierig, Ausstellungen nur mit Werken meines Vaters zu organisieren, da er Bildhauer war. In großen Hallen gehen kleinere plastische Figuren verloren. Aber in Kombination mit Gemälden sieht es schon gut aus. Und ich denke, dass der Vater, wie man sagt, stolz wäre. Ihm war wichtig, dass ich Kunst ernst nehme. Dass ich es genauso ernst nehme wie er.
Sicherlich ist Ihnen diese Frage schon mehrmals gestellt worden, aber im Zusammenhang mit dem Thema der Ausstellung ist es unmöglich, sie nicht noch einmal zu stellen: Wie fühlt es sich, in einer kreativen Familie aufzuwachsen? Einer Familie des Bildhauers und der Kunsthistorikerin?
Es ist okay (lacht). Es ist wahrscheinlich sogar natürlich.
Wie man sagt, ist das Beispiel der Eltern ansteckend, besonders wenn es um Kunst geht.
Wissen Sie, um sich voll und ganz der Kunst zu widmen, braucht man ein sehr langes, sehr tiefes Eintauchen. Es dauert lange, in die Kunst einzusteigen. Ja, Kunstgeschichte wird auch an Schulen und Hochschulen unterrichtet, und ich sage nicht, dass es keine anderen Wege gibt. Aber diese visuellen Eindrücke der Kindheit helfen beim Eintauchen. In Bildungseinrichtungen wird das dann irgendwie in Ordnung gebracht, es entsteht ein ganzes Bild. Aber es wird noch in der Kindheit absorbiert.
Und mein Vater hat auch viel, hart und sehr selbstlos gearbeitet. Der Bildhauer hat einen sehr schwierigen technologischen Prozess, insbesondere wenn er mit Metall arbeitet und nicht nur modelliert. Und in den Sowjetjahren gab es nicht so viele Informationen wie heute, es war unmöglich, das gewünschte Bild im Internet zu finden. Es ist auch unmöglich, jeden Tag in die Bibliothek zu gehen. Und wir hatten eine riesige Bibliothek in unserem Haus. Zunächst einmal Bücher über Kunst, über Künstlern, insbesondere Tiermaler.
Es gab auch viele Reproduktionen von Felsmalereien. Mein Vater fand sie perfekt und schön, nicht primitiv.
Natürlich sammelte er Bilder von Tieren: Fotografien und Gravuren. Viele in alten deutschen Büchern.
Konnte er Deutsch gut sprechen?
Nicht wirklich. Aber sein Vater, mein Großvater, sprach fließend Deutsch.
In ihrer Familie herrschte doch ein besonderes gegenseitiges Verständnis. Der Großvater und die Großmutter glaubten, dass, da der Vater eine kreative Person war, er sich nur mit Kunst beschäftigen sollte.
Und Großvater hat alle Hausaufgaben für ihn gemacht. Auch Deutsch (lacht).
Und als der Großvater einst entschied, dass sein Deutsch nicht perfekt genug war, fing er an, Ausstellungen zu besuchen – es gab viele beim Ausstellungsgelände für Errungenschaften der Volkswirtschaft (VDNCh) – um die Deutschen zu treffen und mit ihnen zu plaudern. Und wenn er auch einmal einen Dialekt hatte, sprach er gegen Ende seines Lebens perfektes Deutsch.

Erinnerung. Selbstbildnis mit Opa. 2020.
Фото: Sammlung des historischen Kunst- und Literaturmuseums „Abramzewo“
Und welchen Platz nahm die Kultur der Russlanddeutschen in Ihrer Familie ein?
Sie befand sich im Untergrund. Man könnte wohl sie Underground-Kultur nennen. Unsere entfernten Verwandten, Kusinen väterlicherseits, sind in Kasachstan verschwunden, wir haben den Kontakt zu ihnen verloren. Opa hat mit mir ein bisschen darüber gesprochen, nur ein bisschen. Aber ich selbst war damals klein.
Und dann, später, könnte Papa selbst zu etwas sagen: „Ich bin doch Deutscher!“
Dies änderte sich mit der Gründung des Deutsch-russischen Hauses. Vater fing an damit zusammenzuarbeiten, zu reisen, lernte Heinrich Martens kennen. Aber ich kam ein wenig später dazu, ich hing am Haus, an kleinen Kindern. Allerdings hatte ich allmählich mehr und mehr Interesse dafür. Ich trat eventuell der Bewegung auch bei. Ich pflegte eine Freundschaft mit der verstorbenen Nina Lochtatschewa.
Leider haben wir die nach Kasachstan deportierten Angehörigen nie gefunden. Ich habe es über soziale Netzwerke versucht und mehrere Marz gefunden. Aber das waren definitiv nicht unsere Verwandten.