„Russlands herausragende Deutsche – 2023“: Wir erzählen von Nominierten in Kategorie „Der Name des Volkes“


Von Jahr zu Jahr wird im Rahmen des gesamtrussischen Wettbewerbs „Russlands herausragende Deutsche“ eine Auszeichnung in einer Sondernominierung – „Der Name des Volkes“ – in Erinnerung an herausragende Persönlichkeiten aus dem Kreis der Russlanddeutschen verliehen, die sind nicht mehr bei uns. Das Portal RusDeutsch spricht über den Lebensweg und die Verdienste derjenigen, die in dieser Kategorie im Jahr 2023 nominiert wurden.

Alexander Amend (1929–2012) war Doktor der Pädagogischen Wissenschaften (der akademische Grad „Doktor der Wissenschaften“ in Russland entspricht dem Dr. habil. in Deutschland – Anm. d. Üb.), Professor, Mitglied der Internationalen Akademie der Hochschulwissenschaften, Verdienter Hochschularbeiter der Russischen Föderation, Verdienter Lehrer der Russischen Föderation, Ehrenbürger der Stadt Tscheljabinsk.

Alexander Amend wurde am 16. Januar 1929 im Dorf Linewo im heutigen Gebiet Wolgograd in einer Familie von Wolgadeutschen geboren. Sein Vater wurde im Jahr 1937 Repressalien ausgesetzt. Im Jahr 1941 schloss Alexander die 4. Schulklasse ab und erst 10 Jahre später kehrte er an seinen Schultisch zurück. Seit 1948 arbeitete er im Wladimir-Lenin-Maschinenbauwerk in Slatoust. Er war Mechaniker, Schleifer, Drechsler und Handwerker. 1960 schloss er sein Studium an der Fakultät für Fremdsprachen des Staatlichen Pädagogischen Instituts Swerdlowsk ab. Er arbeitete als Fremdsprachenlehrer an der Schule Nr. 2 in Tscheljabinsk, dann als stellvertretender Direktor und dann als Direktor der Sekundarschule Nr. 80 und der Schule Nr. 9. Alexander Amend verfügte über hervorragende organisatorische Fähigkeiten und arbeitete unerschöpflich. In Schulen entwickelte er aktiv ein System der Selbstverwaltung, das den Kindern Verantwortungsbewusstsein, Gerechtigkeit und Führungsqualitäten vermittelte. Seit 1965 leitete er die Abteilung für öffentliche Bildung des Bezirks Sowjetski der Stadt Tscheljabinsk und war später der Erste stellvertretende Leiter der regionalen Abteilung für öffentliche Bildung Tscheljabinsk.

Unter schwierigen Bedingungen trug Amend zur Verbesserung der materiellen Basis von Bildungseinrichtungen bei. Er führte ein wissenschaftlich entwickeltes System der Arbeits- und Wirtschaftsbildung sowie der Berufsberatung in die Praxis der Schulen und Kindergärten im Gebiet Tscheljabinsk ein und war einer der ersten, die die Grundlagen einer kontinuierlichen Wirtschaftsbildung entwickelten.

Von 1978 bis 1994 war Alexander Amend erster Vizerektor des Staatlichen Pädagogischen Instituts Tscheljabinsk und von 1994 bis 2000 Rektor der Universität. Unter der Leitung von Alexander Amend wurde das Institut in eine Universität umstrukturiert, neue Institute wurden gegründet, neue Fakultäten eröffnet, neue Fachgebiete entstanden und es wurden große gesamtrussische und internationale Foren abgehalten. Alexander Amend ist Autor von mehr als 120 wissenschaftlichen Werken, darunter Monographien und Lehrbüchern. Für seinen enormen Beitrag zur Entwicklung der Bildung wurde er mit dem Orden des Ehrenabzeichens, dem Orden der Freundschaft, der Medaille „Für Tapferkeit der Arbeit“, „Hervorragende Leistungen im Bereich der Bildung der UdSSR“ und vielen anderen Auszeichnungen ausgezeichnet.

Bildhauer Konstantin Kracht (1868–1919) ist ein prominenter Vertreter des russischen Zweigs der deutschen Familie Kracht, deren Gründer vor zweihundert Jahren, zu Beginn des 19. Jahrhunderts, aus dem Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin in das Russische Reich übersiedelten. Im Jahr 2023 jährt sich sein Geburtstag zum 155. Mal.

Sein Vater ist Friedrich Eduard (Fjodor Fjodorowitsch) Kracht, Rechtsanwalt, Mitglied der Moskauer Justizkammer, Staatsrat, Träger einiger der höchsten Auszeichnungen des Russischen Reiches. Seine Mutter war Nadeschda Kanewskaja-Kracht, erbliche Adlige. Konstantin war eines ihrer sechs Kinder.

Im Jahr 1890 schloss er sein Studium an der juristischen Fakultät der Kaiserlichen Moskauer Universität ab, arbeitete ein Jahr lang an der Moskauer Justizkammer und wurde dann Geschäftsmann im Bereich der Organisation der Schwerindustrie. Doch mit 33 Jahren gab Kracht seine Geschäftskarriere auf und widmete sich ganz der Bildhauerei. Dafür reiste er nach Paris, wo er in den Ateliers der berühmten Meister Naum Aronson und Constantin Meunier studierte. In seinem Schaffen wandte er sich dem Modernismus und dann dem Symbolismus zu.

Seine Werke werden in der Alten Nekropole des Nowodewitschi-Klosters, in der Tretjakow-Galerie und im Staatlichen Kunstmuseum der Region Altai aufbewahrt. Weithin bekannt wurden die Werke wie der Grabstein der Buryschkin-Kaufleute – ein Triptychon mit der Christusfigur, eine Skulptur von Margarita Morosowa, eine Büste von Charles Baudelaire und andere.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schloss sich Konstantin Kracht der Gruppe berühmter Schriftsteller und Künstler an, die der „Mussaget“-Verlag unter der Leitung vom bekannten russischen Autor Andrei Bely vereinte. Boris Pasternak, Walerij Brjussow, Marina Zwetajewa und viele andere prominente Schriftsteller und Dichter besuchten das berühmte Studio von Kracht.

Seit 1907 besuchte Kracht aktiv berühmte Salons in Paris, Moskau und St. Petersburg und gab auch Unterricht bei der WChUTEMAS (dt.: Höhere Künstlerisch-Technische Werkstätten – eine Kunsthochschule in Moskau, die von 1920 bis 1930 funktionierte – Anm. d. Üb.).

Im Jahr 1918 gründete Konstantin Kracht den „Ersten Moskauer Berufsverband der Bildhauer und Künstler“ und wurde zu seinem ersten Vorsitzenden gewählt. Seit 1918 unterrichtete er an den Staatlichen Freien Kunstwerkstätten.

Konstantin Kraсht schuf mehr als 120 Skulpturen, von denen viele leider zerstört wurden und bis heute nicht erhalten sind.

Iwan Preis (1951 – 2020) wurde am 3. März in Workuta in eine Familie der verfolgten Deutschen aus der Wolga-Region hineingeboren. Während seiner Schulzeit interessierte er sich für Kino und Theater, studierte in einem Fernsehstudio und am Volkstheater des Bergarbeiter-Kulturpalastes in Workuta. Dort, in Workuta, begann er seine berufliche Laufbahn – er begann am Dramatheater Workuta als Beleuchter und Nebendarsteller zu arbeiten.

Nach dem Wehrdienst gab er nicht seinen Traum auf, professioneller Schauspieler zu werden. Er ging mehrmals auf Theaterschulen und spielte gleichzeitig episodische Rollen im Theater. 1975 wurde er in die Schauspielfakultät der Gorki-Theaterhochschule aufgenommen, die er 1981 abschloss. Anschließend wurde er in das Theater der Baltischen Flotte in der Stadt Liepāja in Lettland eingeladen. Später zog er nach Leningrad um und spielte im Theater „Otraschenije“ (dt.: „Spiegelbild“), war außerdem als Regieassistent im Lenfilm-Filmstudio tätig und spielte in Filmen mit. 1995 schloss er sich der Stiftung zur Unterstützung und Entwicklung der russisch-deutschen Beziehungen „Deutsch-Russisches Begegnungszentrum“ in St. Petersburg an, wo er die nächsten 25 Jahre arbeitete und eine Kindertheatergruppe sowie ein Erwachsenentheater „Petersburger Deutsche“ gründete. Das war das einzige in der Nordwestregion Russlands deutschsprachige Laientheater für Erwachsene.

Iwan Preis war immer ein aktiver und kreativer Mensch und konnte seine Tätigkeit nicht auf das Theater beschränken. Er organisierte und beteiligte sich an ethnokulturellen Sprachtreffen, internationalem Austausch, genealogischer Forschung und wissenschaftlichen Konferenzen. Seit dem Jahr 2000 setzte er sich mit Genealogie, der Suche nach den eigenen Vorfahren und der Erforschung der Geschichte der eigenen Familie auseinander. Er gründete den genealogischen Dienst „Genealogie deutscher Familien“, wurde Kurator für Lokalgeschichte und historische Projekte am Deutsch-Russischen Begegnungszentrum St. Petersburg und initiierte die berühmten „Treffen der Nachnamensvetter“. An diesen Abenden trafen sich Menschen mit demselben Nachnamen, einige fanden ihre Verwandten, andere erfuhren etwas über die Geschichte ihres Familiennamens. Im Laufe der Jahre hat Iwan Kreis vielen, die nach ihren Wurzeln suchten, geholfen, Informationen zu finden.

Preis war einer der Urheber der Gründung der Deutschen Gesellschaft von St. Petersburg, die seit 2022 seinen Namen trägt.

Iwan Preis beteiligte sich aktiv an der Tätigkeit der deutschen Petrikirchengemeinde. Eines seiner letzten Projekte war das Theater „Tschascha“ (dt.: „Becken“). Nach der Idee des Autors sollte das Theater im Becken der Petrikirche untergebracht werden. Leider wurde im Theater keine einzige Aufführung dargestellt, da Iwan Preis am 6. Juni 2020 in St. Petersburg gestorben ist.

Jelisaweta Auerbach (1912–1995) war Theater- und Filmschauspielerin, Schriftstellerin, Volkskünstlerin der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik.

Jelisaweta Auerbach träumte seit ihrer Kindheit davon, Regisseurin zu werden und ging auf die Regiefakultät der Theaterberufsschule. Sie war Studentin von Konstantin Stanislawski und Boris Pokrowski. Nach dem zweiten Studienjahr wurde sie eingeladen, sich der Nebenbesetzung des Moskauer Kunsttheaters anzuschließen, auf dessen Bühne Auerbach mehr als 25 Jahre verbrachte und überwiegend episodische Rollen spielte.

Von 1941 bis 1945 gab Jelisaweta Auerbach Konzerte im Rahmen von Fronttheaterbrigaden. Nach dem Krieg begann sie, Erzählungen und Humoresken zu schreiben. Ihre Auftritte auf der Konzertbühne waren ein großer Erfolg. Daher wurde Auerbach seit 1962, nachdem sie das Theater verlassen hatte, Schauspielerin und Autorin von Miniaturen auf der Bühne.

Ihre frühen Erzählungen handeln hauptsächlich von Krieg und Theater. Sie wurden erstmals in der Zeitschrift „Theater“ veröffentlicht. Im Laufe der Zeit begann die Autorin zahlreiche Geschichten über Kinder zu schreiben, deren Welt sie gut verstand und schilderte. Darüber hinaus trat die Schauspielerin wiederholt in Schulen auf, wobei sie quasi eine zusätzliche Unterrichtsstunde organisierte, in der sie Kindern sowohl Klassiker als auch ihre eigenen Geschichten vorlas.

Es sei betont, dass es in jenen Jahren auf der sowjetischen Bühne keinen einzigen Künstler gab, der in solchem Genre arbeitete. Jelisaweta Auerbach war die erste, die es wagte, nicht nur als Darstellerin eigener Erzählungen, sondern auch mit den Geschichten anderer Autoren auf die Bühne zu gehen. Auerbachs klassischer Redestil des Moskauer Kunsttheaters, ihr Temperament, ihr raffinierter Humor mit einem Hauch von Traurigkeit, die Tiefe ihrer Geschichten sowie Auerbachs Offenheit und Aufrichtigkeit beeindruckten das Publikum jeden Alters. Es gibt nur wenige Aufnahmen von Auerbachs Auftritten und jedes ihrer Konzerte war eine einzigartige Improvisation.

Auerbach hatte ein schwieriges Schicksal, das der Öffentlichkeit verborgen blieb und nur ihrer Familie und einem engen Freundeskreis bekannt war. Aber all Schwierigkeiten konnten der Schauspielerin weder ihre Lebenslust noch ihren Sinn für Humor oder Selbstironie nehmen. Bis zu ihren letzten Tagen, als sie bereits selbst schwerkranke Person war, blieb sie aufgeschlossen gegenüber Menschen und leistete den Bedürftigen Hilfe, doch ihre natürliche Bescheidenheit erlaubte es ihr nicht, Werbung für ihre gemeinnützigen Aktivitäten zu machen. Die Schauspielerin war in verschiedenen Regionen der Sowjetunion bekannt und beliebt und erhielt 1991 den Titel Volkskünstlerin der RSFSR.


Die Preisverleihung für die Preisträger des gesamtrussischen Wettbewerbs „Russlands herausragende Deutsche – 2023“ findet am 16. September in Moskau statt.

Rubriken: Russlands herausragende Deutsche 2023Wettbewerbe, Ausschreibungen